Großhandelskonditionen

Skonto-Urteil: Die Begründung

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Berlin -

Hätte der Gesetzgeber den Großhändlern eine garantierte Marge zusichern wollen, hätte er dies klar ins Gesetz schreiben müssen – und nicht nur in die Begründung. Auf diese einfache Formel lässt sich das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Skonto-Prozess bringen. Die Karlsruher Richter hatten am 5. Oktober entschieden, dass Großhändler ihre gesamte Marge den Apotheken als Rabatt zur Verfügung stellen dürfen. APOTHEKE ADHOC liegen jetzt die Urteilsgründe vor.

Die Wettbewerbszentrale hatte AEP verklagt, weil der Großhändler seinen Kunden 2 bis 3 Prozent sowie 2,5 Prozent Skonto auf Rx-Produkte gewährt. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale ist das ein Verstoß gegen die Preisbindung, da die Großhändler nur aus ihrer variablen Marge von 3,15 Prozent Rabatte gewähren dürften und Skonti als solche zu werten seien. Das Landgericht Aschaffenburg hatte die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) in zweiter Instanz der Wettebwerbszentrale recht gegeben.

AEP war in Revision gegangen und hatte vor dem BGH Erfolg. Aus den jetzt vorliegenden Urteilsgründen geht hervor, dass AEP nicht gegen Preisvorschriften verstoßen hat, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes (AMG) gelten. AEP wende sich mit Recht gegen die Annahme der Vorinstanz, dass die Großhändler zwingend einen Festzuschlag von 70 Cent erheben müssten und diesen Teil ihrer Vergütung nicht auch an Apotheken weitergeben dürften. Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) legt laut BGH „lediglich eine Preisobergrenze und nicht auch eine Preisuntergrenze fest“.

Apotheken müssten bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel einen einheitlichen Preis verlangen, wie auch die Hersteller einen einheitlichen Abgabepreis sicherstellen müssten. Aus der Definition der Großhandelsmarge – 3,15 Prozent auf den ApU, maximal 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent – gehe nicht hervor, dass eine Belieferung der Apotheken unter einem Preis von ApU plus 70 Cent unzulässig sei, so der BGH.

Die Karlsruher Richter stellen den Wortlaut der AmPreisV in den Mittelpunkt – und dieser sei eben sprachlich eindeutig. Demnach „darf“ die Großhandelsmarge in der definierten Höhe „höchstens […] erhoben werden“. „Diese Regelung stellt die Erhebung von Zuschlägen in das Ermessen des Großhandels“, so die Schlussfolgerung des BGH. Damit werde im Wortlaut „nicht ein Fest- oder Mindestpreis, sondern ein Höchstpreis festgelegt“.

Die sprachliche Struktur dieser Formulierung sei weder mit dem AMNOG noch mit früheren Änderungen der AMPreisV angetastet worden. Das hätte der Gesetzgeber mit Begriffen wie „mindestens“ oder „muss“ aber laut BGH durchaus tun können. Aus dem Begriff „Festzuschlag“ allein könne nicht geschlossen werden, dass dieser stets zu erheben sei. Der Wortlaut bringe lediglich zum Ausdruck, dass es sich um einen festen Betrag handele.

Aus der Definition der Großhandelsmarge folge lediglich, „dass weitere Zuschläge unzulässig sind, nicht jedoch, dass diese Zuschläge stets zu erheben sind“, heißt es im Urteil weiter. Der Großhandel könne auf die 70 Cent – wie auf den variablen Zuschlag von 3,15 Prozent – ganz oder teilweise verzichten. Anders die Apotheken: Sie müssten auf den ApU plus Großhandelshöchstzuschlag einen Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro und 16 Cent für den Notdienstfonds erheben und so einen einheitlichen Abgabepreis garantieren. Der Gesetzgeber verwende hier den Imperativ „zu erheben sind“. Die Apotheken hätten damit keinen preislichen Spielraum, die Formulierung „darf“ bei der Großhandelsmarge weiche davon deutlich ab, so der BGH.

Die Wettbewerbszentrale hatte dagegen auf Entstehungsgeschichte und Begründung der Gesetzesänderung hingewiesen. Den BGH-Richtern sind die Unterlagen bekannt: Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum AMNOG habe der neu einzuführende preisunabhängige Bestandteil nicht rabattfähig sein sollen. Der Festzuschlag habe demnach sicherstellen sollen, dass der Großhandel eine „angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken“ sicherstellen könne. Nur der rabattfähige prozentuale Zuschlag habe dem Großhandel einen gewissen Spielraum bei der Preisgestaltung gegenüber den Apotheken einräumen sollen.

Auch in der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz sei ein entsprechender Wille erkennbar: Mit dem Gesetz war 2011 klargestellt worden, dass die Vorschriften zur Höhe der Großhandelszuschläge und zum Rabattverbot auch für Hersteller im Direktgeschäft gelten. „Das Gewähren von Rabatten auf den fixen Großhandelszuschlag ist […] demnach unzulässig“, heißt es. Gleich zweimal wird klargestellt, dass Rabatte auf den fixen Großhandelszuschlag von 70 Cent unzulässig sind.

„Die Verfasser des Gesetzentwurfs haben das Ziel verfolgt, dem Großhandel eine für seine Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestvergütung zu sichern“, heißt es im BGH-Urteil. Da der Auftrag, eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln sicherzustellen, „unabhängig vom Preis zu erfüllen ist, sollte der Großhandel nach dem Willen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten im Gegenzug eine Vergütung erhalten, die ausreichend ist“.

Der gesetzgeberische Wille sei aber im Wortlaut des entsprechenden Paragrafen „nicht zum Ausdruck gekommen, obwohl der Verordnungsgeber von der gesetzgeberischen Vorgabe […] nicht abgewichen ist“. Fazit: „Die Vorschrift […] legt nach ihrem Wortlaut und der Systematik der Verordnung lediglich einen Höchstpreis fest.“

Für die Auslegung einer Vorschrift ist laut BGH nur der „objektive Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist“. Nicht entscheidend sei die „subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe“. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift komme daher nur insofern eine Bedeutung zu, als sie „die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können“.

Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei Preisvorschriften um Berufsausübungsregelung handele, die die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit einschränken. „Derartige Regelungen müssen aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit das verbotene Handeln unzweideutig beschreiben. Es ist den von einer ihrem Wortlaut nach klaren Berufsausübungsregelung Betroffenen nicht zuzumuten, den Umfang der sie treffenden Pflichten aus Gesetzgebungsmaterialien zu ermitteln.“

Eine Notwendigkeit, die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen, sahen die Richter nicht. Denn anders als im Fall der Rx-Boni von DocMorris handele es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt ohne grenzüberschreitenden Bezug. Es gehe auch nicht um die Frage, ob einheitliche Apothekenabgabepreise in Deutschland mit der unionsrechtlich garantierten Waren- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar seien.

Der BGH hat zudem bestätigt, dass die Klage der Wettbewerbszentrale nicht rechtmissbräuchlich war, nur weil die anderen Großhändler Mitglieder in dem Wettbewerbsverband sind. Auch gegen die Bestimmtheit der gestellten Anträge gebe es keine Bedenken. Weil die Sache aus Sicht des BGH „entscheidungsreif“ war, wurde das Urteil des LG Aschaffenburg wieder hergestellt und die Klage damit abgewiesen.

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