Schleswig-Holstein

Wegen Ärztemangel: Sozialstation gründet MVZ

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Berlin -

Junge Ärzte auf das Land zu locken, ist schwierig. Viele scheuen das Risiko Selbstständigkeit, wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Eine Möglichkeit Arztwunsch und Versorgung auf dem Land zu kombinieren liegt in Medizinischen Versorgungszentren.

Was tun, wenn der Landarzt in Ruhestand gehen will und der Arztsitz in eine größere Stadt verloren gehen könnte? Dass diese Frage nicht nur theoretisch ist, haben vor einiger Zeit die Menschen im Amt Hürup erlebt. Ein Arzt aus einer Amtsgemeinde wollte in den Ruhestand gehen und seinen Sitz verkaufen. „Und dieser Arztsitz drohte tatsächlich nach Flensburg zu verschwinden, in eine größere Gemeinschaftspraxis“, sagt der Vorsitzende der Pflegeeinrichtung Sozialstation in Hürup, Volker Schümann.

Das Beispiel zeigt die großen Herausforderungen, vor der die medizinische Versorgung in Deutschland gerade in ländlichen Regionen steht. Demografischer Wandel und eine oft schwierige Nachfolgesuche für klassische Landarztpraxen tragen dazu bei: „Denn junge Ärztinnen und Ärzte bevorzugen oft eine Beschäftigung als Angestellte/r, die ihnen eine größere Flexibilität und einfacher eine Teilzeittätigkeit ermöglicht – und damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, erklärt das schleswig-holsteinische Sozialministerium.

Aber was tun, wenn weder Praxis noch ein Arbeitgeber vorhanden ist, der eine Arztpraxis mit Angestellten betreibt? Im Amt Hürup ist die Sozialstation aktiv geworden und hat ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gegründet, um die lokale Gesundheitsversorgung zu sichern. „Für uns als Pflegeeinrichtung, als Sozialstation, ist es wichtig, Ärzte vor Ort zu haben“, sagt Geschäftsführerin Maren Matthiesen. Und zwar solche, die auch mal schnell einen Hausbesuch machen können, das Pflegepersonal und die zu Pflegenden kennen. Die Sozialstation ist ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder alle kommunalen und Kirchengemeinden im Amt sind.

„Wir alle fühlen uns für die Region verantwortlich“, sagt Schümann. Seit Juli sind die drei ehemals selbstständigen Mediziner im Amt Angestellte des MVZ. Sie praktizieren aber weiterhin in ihren alten Praxisräumen in den Dörfern Husby und Freienwill. Die Ärzte finden das Modell gut: Sie seien alle um die 60 Jahre, da sei das Ziel Praxisübergabe virulenter geworden, sagt Schümann.

Mediziner Peter Otzen hat mehr als 30 Jahre lang mit wechselnden Partnern die Gemeinschaftspraxis in Husby betrieben, bevor sie im MVZ aufging. Er findet es schön, dass Husby Arztsitz bleibt. Und für ihn persönlich hat es den Vorteil, dass er seinen Arztsitz bereits verkauft hat und die letzten Jahre seines Berufslebens als Angestellter tätig sein kann, wie er sagt.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sind MVZ „eine attraktive Form der Berufsausübung, zumal eine Tätigkeit dort häufig auch mit flexibleren Arbeitszeiten verbunden ist“. Sie seien als Leistungserbringer in der vertragsärztlichen Versorgung inzwischen etabliert und würden nicht nur von angehenden Ärzten als interessanter Arbeitgeber genannt, schreibt das Ministerium auf seinen Internetseiten.

Bundesweit gab es nach Erhebungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Ende 2018 insgesamt 3173 MVZ. Zum Stichtag im Jahr zuvor waren es 2821. In Schleswig-Holstein sind es Mitte September dieses Jahres nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung 86. Die Träger sind überwiegend Kliniken oder Vertragsärzte – im Bund und Schleswig-Holstein.

Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums übernimmt die Sozialstation mit der Trägerschaft eine bundesweite Vorreiterrolle. Schleswig-Holstein fördert dieses innovative Projekt – das auch die Verzahnung von ärztlicher Versorgung und Pflege voranbringen soll – aus dem Versorgungssicherungsfonds mit knapp 460.000 Euro. Ein entsprechender Förderbescheid wird am Mittwochnachmittag in Hürup übergeben.

Die Sozialstation sieht das MVZ gut gerüstet für die Zukunft: Bereits im kommenden Jahr will es einen sogenannten Weiterbildungsassistenten anstellen. Und wenn dann die drei Ärzte des Amtes Hürup das Rentenalter erreichen, kann das MVZ nachfolgenden Ärzten auch Teilzeitstellen anbieten. Dadurch erhöhe sich die Chance auf eine unproblematische Nachbesetzung der frei werdenden Vertragsarztsitze, hoffen Schüman und Matthiesen.

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