USA

Startschuss für „Pink Viagra“

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Berlin -

Das Sexualstimulans Flibanserin kann in den USA auf den Markt kommen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat das Präparat, das auch unter der Bezeichnung „Pink Viagra“ bekannt ist und den Handelsnamen Addyi tragen soll, am Dienstag zugelassen. Der Wirkstoff wurde von Boehringer Ingelheim entwickelt, wird von Sprout Pharmaceuticals vertrieben und soll Frauen mit Libidostörungen helfen. Ab Mitte Oktober soll das Präparat verfügbar sein.

Boehringer hatte den Wirkstoff ursprünglich als Antidepressivum entwickelt. Die luststeigernde Wirkung wurde erst später bekannt. Flibanserin blockiert postsynaptische 5-HT-1A und -2A-Rezeptoren und soll zur nicht-hormonellen Behandlung von sexueller Unlust bei prämenopausalen Frauen eingesetzt werden. Während Viagra und Co. bei Männern ein körperliches Problem anpacken, beeinflusst Flibanserin im Gehirn die Botenstoffe Dopamin und Serotonin und soll die Libido anregen. Die Pille muss jeden Abend eingenommen werden – ob Sex geplant ist oder nicht.

2010 scheiterte Boehringer allerdings mit einem Zulassungsantrag zur Behandlung von „Hypoactive Sexual Desire Disorder“ (HSDD) bei der FDA. Das Arzneimittel sei nicht effektiv genug, um die Risiken bei der Einnahme zu rechtfertigen. Vier Monate später warf der deutsche Konzern das Handtuch und verkaufte die Rechte schließlich 2012 an die Eigentümer von Sprout, Cindy und Robert Whitehead.

Wenige Monate später wurde ein weiterer Zulassungsantrag abschlägig beschieden: Flibanserin zeige nur mäßigen Nutzen bei der Verbesserung der sexuellen Zufriedenheit der Patientinnen, hieß es von der FDA. Daraufhin gab es heftige Kontroversen zwischen Frauenrechtsgruppen. Die einen warfen der FDA Sexismus vor, weil sie Viagra zugelassen habe, nicht aber Flibanserin. Andere behaupteten, das Unternehmen missbrauche die Aktivistinnen, um ein noch nicht als sicher bewiesenes Präparat durchzudrücken.

Im Juni empfahl ein Expertenausschuss der FDA überraschend die Zulassung. HSDD sei eine ernste Störung, die bei den betroffenen Frauen zu Identitäts- und Beziehungsproblemen führen könne. Bislang gebe es keine anerkannten Therapien. „Die heutige Zulassung gewährt Frauen, die unter sexueller Unlust leiden, eine überprüfte Therapiemöglichkeit“, sagte FDA-Forschungsdirektorin Dr. Janet Woodcock. „Die FDA ist um den Schutz und die Förderung der Gesundheit von Frauen bemüht, und wir fühlen uns verpflichtet, die Entwicklung sicherer und effektiver Präparate zu unterstützen.“

Die Effizienz ist jedoch genau der Streitpunkt. Nach Untersuchungen, die auch die FDA veröffentlicht hat, kam es bei Frauen mit dem Wirkstoff zu einem halben bis einem Mal Sex mehr pro Monat als bei Frauen mit Placebo. Das ist ein geringer Wert – allerdings dennoch einer, der für viele Paare einen großen Unterschied machen kann.

Frigidität oder sexuelle Gefühlskälte ist ein Problem für Millionen Frauen: Sie haben keine Lust auf Sex und empfinden keinen Spaß am Geschlechtsverkehr. Die Störung der Libido ist eine Belastung für viele Beziehungen, die oft psychotherapeutisch behandelt wird. Nach Angaben von Medizinern ist in Deutschland etwa jede dritte Frau betroffen. Ob und wann das Präparat nach Deutschland kommt, ist noch ungewiss. Mediziner gehen zudem davon aus, dass die Tablette nur 10 Prozent der Betroffenen hilft – was allerdings Millionen sein können.

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