Totalausfall bei BASF

Ibuprofen: Jetzt droht der Mega-Engpass

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Berlin -

Die Engpässe bei Ibuprofen halten die Apotheken auf Trab – und es wird womöglich noch viel schlimmer. Denn im BASF-Werk in Bishop im US-Bundesstaat Texas wurde die Produktion des Wirkstoffs vorerst komplett eingestellt. Damit fällt einer der wichtigsten Lieferanten aus, während die anderen Anbieter bereits am Anschlag produzieren.

Dabei hatte der Chemiekonzern im vergangenen Jahr beschlossen, die Kapazitäten in Bishop zu erweitern, um die wachsende Nachfrage nach Ibuprofen bedienen zu können. Im ersten Quartal sollte die erweiterte Anlage in Texas die Produktion aufnehmen. Stattdessen wurde das Werk jetzt erst einmal ganz heruntergefahren, weil es technische Probleme gibt. Die Kunden wurden Anfang Juni informiert.

Der Totalausfall wird möglicherweise drei Monate dauern. Anfang Juli soll es hierzu nochmal präzisere Informationen geben. In welcher Größenordnung sich der Ausfall auf den deutschen Markt auswirkt, ist bislang nicht bekannt. In Ludwigshafen selbst kann die Produktionslücke nicht geschlossen werden, weil die hier geplante erste World-Scale-Produktionsanlage für Ibuprofen in Europa erst 2021 den Betrieb aufnehmen wird.

BASF war schon im vergangenen August von Produktionsausfällen betroffen, deren Folgen hierzulande während der Grippesaison 2017/18 zu spüren waren. Grund dafür war der Hurricane „Harvey”, der zu Stromausfällen und in deren Folge dann zu den Produktionsausfällen führte. Das Werk ist mit einer Kapazität von 5000 Tonnen pro Jahr einer der führenden Produzenten von Ibuprofen weltweit. Rund ein Sechstel des globalen Bedarfs kommt aus Bishop.

Nur sechs Fabriken stellen Ibuprofen für den gesamten Weltmarkt her: Hubei Granules-Biocause und Shandong Xinhua aus China, Solara und IOLPC aus Indien sowie BASF und SI Group aus den USA. Die Marktanteile sind annähernd gleich verteilt, was für eine Auslastung der gesamten Kapazitäten spricht. Jeder der sechs Fabriken produziert zwischen 10 und 20 Prozent des gesamten Weltmarkts.

Auch bei anderen Wirkstofflieferanten soll es derzeit Probleme geben; die Ursachen sind ganz verschieden. Die ersten Generikahersteller suchen bereits händeringend nach Zwischenhändlern oder Brokern, die ihnen noch eine Charge – egal welcher Größe – vermitteln können. Bei Granules heißt es, dass die gesamten Kapazitäten bis zum Jahresende blockiert sind. Frühestens bei der Fachmesse CPhI im Herbst nehmen auch andere Lieferanten wieder Aufträge an.

Tatsächlich zeichnen sich die Lieferprobleme bei Ibuprofen bereits seit Längerem ab. Weltweit wächst die Nachfrage, Folge ist eine Verknappung: Alleine von 2012 bis 2014 stieg der Bedarf laut Analysten von 30.000 auf 33.000 Tonnen des aktiven Wirkstoffs (Active Pharmaceutical Ingredient, API). Die in den Jahren zuvor ausgebauten Kapazitäten von 31.000 Tonnen waren damit schon mehr als ausgereizt.

2017 hätten knapp 37.000 Tonnen verarbeitet werden können, rund 6000 Tonnen mehr als produziert werden konnten. In diesem Jahr werden es Schätzungen zufolge 38.000, im kommenden Jahr 40.000 Tonnen sein. Selbst wenn zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden, fehlen dann 4000 beziehungsweise 5000 Tonnen. Die Folge sind nicht nur Engpässe, sondern auch massive Preissteigerungen von 20 bis 40 Prozent pro Jahr.

Gutachter warnten die US-Regierung bereits 2010 vor einer allzu großen Abhängigkeit insbesondere von chinesischen Ibuprofen-Produzenten. Damals kamen 60 Prozent des importierten Wirkstoffs aus China, der Rest aus Indien. Heute wird nach Expertenschätzung ein Drittel der weltweiten Produktion in die USA verkauft.

Der Wirkstoff hat andere Substanzen wie Acetylsalicylsäure und Paracetamol abgelöst und wird zunehmend auch in Kombipräparaten und auch atopischen Mitteln wie Schmerzgelen verarbeitet. In Deutschland wurden 2017 unter den nicht verschreibungspflichtigen Substanzen laut Iqvia 51 Millionen Packungen mit Ibuprofen verkauft, womit die Hersteller einen Umsatz von 320 Millionen Euro Umsatz erzielten. Insgesamt hat sich der Absatz in den vergangenen Jahren fast verdoppelt.

Trotz der Ausfälle und Engpässe steht der eigentliche Rohstoff für Ibuprofen in rauen Mengen zur Verfügung. Gewonnen wird der Stoff nämlich aus Rohöl (Naphtha). In den Steamcrackern, von denen BASF auch noch Anlagen in Ludwigshafen, Antwerpen und Nanjing in China betreibt, wird das Rohöl thermisch „zerlegt”. Unter den Erdölderivaten sind es dann Toluol und Propengas, die zur Herstellung von Ibuprofen benötigt werden. In der pharmazeutischen Industrie werden mittlerweile etwa neun von zehn Tabletten aus Erdölderivaten hergestellt.

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