Medizinalhanf

„Krankenkassen sind Saboteure“

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Berlin -

Die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) im März 2017 war für viele Patienten wie Licht im Tunnel. Sie hatten Hoffnung auf eine neue Therapiealternative, auf Verbesserung ihres Gesundheitszustands und auf ein besseres Leben. Schließlich sollten auch die Kosten per Gesetz übernommen werden. Doch die Euphorie kippte schnell um. Die eingeschränkte Lieferfähigkeit der Hersteller und die Willkür der Krankenkassen führte schnell zu schlechter Laune. So in etwa beschreibt Cannabis-Patient Maximilian Plenert die Folgen der Legalisierung zu medizinischen Zwecken und die daraus folgenden Misere für die Betroffenen.

„Ich stehe schlechter da als vorher“, moniert Plenert, der seit 2014 medizinisches Cannabis zur Linderung seiner Beschwerden legal einsetzt. Der 35-Jährige leidet an ADHS und ist seit September 2013 auf Methylphenidat eingestellt. „Medikinet hat die Probleme durch mein ADHS im sozialen, familiären, persönlichen und beruflichen Bereich erträglich gemacht.“

Doch es gibt eine Kehrseite, denn das ständige „unter Strom stehen“ zehrt mittelfristig an der Kondition. Zudem lassen ihn Lücken in der Wirkung im Tagesverlauf „regelmäßig in Löcher fallen“. Begleitet wird seine Therapie von Nebenwirkungen wie vermehrtem Schwitzen, reduziertem Appetit behiehungsweise Appetitschwankungen und Heißhungerattacken, Schlafproblemen, Unruhe, Nervösität sowie Reizbarkeit.

Er schwört auf die positive Effekte, die ihm der Hanf gibt. „Cannabis beruhigt mich, ohne müde zu machen.“ Für seine Therapie greift er auf die mittelstarken Sorte Bedica des niederländischen Herstellers Bedrocan zurück, das in in granulierter Form vorliegt. Der Gehalt an Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol (THC) liegt bei diesen Blüten bei etwa 14 Prozent, an Cannabidiol (CBD) maximal 1 Prozent.

Doch optimal versorgt ist Plenert schon lange nicht mehr. Damals, als er noch eine Ausnahmegenehmigung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte, war alles viel einfacher. Weder gab es Therapiepausen, noch war die Kostenübernahme ein Problem. „Optimal versorgt wäre ich mit 60 Gramm pro Monat“, sagt er. Das sei auch die Menge, die er vor der Gesetzesänderung ohne Schwierigkeiten bekommen hätte. Aber ohne Kostenübernahme könne er sich die Behandlung nicht leisten.

„Für mich hat sich die Lage verschlechtert“, so Plenert, Angestellter beim Medienunternehmen Sens Media. Als Gründe nennt er die Verdopplung der Preise sowie die Willkür mancher Krankenkassen. „Die Umsetzung des Gesetzes seitens der Kassen kann man nur Sabotage nennen“, wirft er ein. Denn dies sei nicht im Interesse des Gesetzgebers. „Die Kasse darf nur in begründeten Fällen ablehnen.“

Doch im Alltag sehe das ganz anders aus: Patienten wird die Therapie mit der Begründung einer „fehlenden schwerwiegenden Erkrankung“ verwehrt, obwohl dies nicht rechtmäßig sei. Auf seinem Blog „Besser leben mit Cannabis“ hat er deshalb eine Mustervorlage für die Klage beim Sozialgericht geteilt, um möglichst viele Betroffene einen Anreiz zu geben, auch zu klagen. Dass sich in Deutschland überhaupt etwas bewegt hat beim Thema Cannabis, sei allein auf die Klagen von Patienten zurückzuführen.

Hintergrund ist, dass sein Antrag auf Übernahme der Therapiekosten abgelehnt wurde, da seine Gesundheitsstörung als nicht schwerwiegend eingestuft werde. „Welche Erkrankungen als schwerwiegende Erkrankung zu bewerten sind, wird weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung näher ausgeführt“, heißt es weiterhin in seiner Anklageschrift. Er kritisiert darin, dass der Begriff „schwerwiegend“ im Sinne von § 13 der Arzneimittelrichtlinie ausgelegt werden würde, denn dies widerspreche dem Willen des Gesetzgebers.

„Jede Uminterpretation in Richtung ‚schwerwiegend‘ = ‚lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung [...]‘ führt das Gesetz ad absurdum, weil der Bundestag dann hätte kein Gesetz erlassen müssen, das den SGB V § 2 Abs. 1a noch ein zweites im Bezug auf Cannabis beschreibt.“ Der Gesetzgeber habe mit der Novellierung des BtMG mehrere Ziele verfolgt: Zum einen solle der Eigenanbau verhindert werden, zum anderen sollte eine Therapie mit Cannabis generell ermöglicht werden.

Doch die Kassen legen in Form ihrer Umsetzung den Patienten Steine in den Weg. Der Kampf mit ihnen sei eine „leidvolle Erfahrung“ für Cannabis-Patienten, mit denen er sich bei selbst organisierten Patientenstammtischen regelmäßig austauscht, auch klärt er Politiker zur Geschichte des „Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetzes“ auf. „Das neue Gesetz ist mehr Rückschritt als Fortschritt“, so Plenert.

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