„Es gibt keine No-Gos“

Apotheken-Architekt: Apotheken müssen manipulieren

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Berlin -

Jörn Bathke baut seit mehr als 20 Jahren Apotheken, mehr als 400 sind es bereits im gesamten Bundesgebiet. Im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC redet er über die Halbwertszeit von Apothekeneinrichtungen und das richtige Verhalten von Inhabern, die sich eine Offizin bauen lassen.

ADHOC: Was war die wichtigste innenarchitektonische Neuerung der vergangenen 20 Jahre?
BATHKE: Für mich sind das die Materialien. Auf diesem Markt gab es sehr starke Veränderungen. Ich habe mich immer gegen die Verwendung von Kunststoffen gewehrt, aber mittlerweile kann man das kaum noch unterscheiden. Man steht vor Oberflächen und denkt: „Das ist ja bis in die Poren hinein echt.“ Da sind wir wieder beim Thema: Glaubwürdigkeit und Authentizität.

ADHOC: Kann man nicht auch genau das ironisch brechen?
BATHKE: Bei den Materialien ist das schwieriger. Das kann schnell zu einem Verlust dieser Glaubwürdigkeit führen. Innenarchitekten sind ja auch Manipulatoren und vor allem sind sie Bühnenbildner. Wir versuchen, den Kunden zu manipulieren, davon zu überzeugen, dass er in einem Raum aus echten Materialien aus der Region ist. Und wenn diese Geschichte glaubwürdig ist, dann ist er überzeugt und kauft das Nahrungsergänzungsmittel eben für den doppelten Preis – aber vielleicht ist es gar nicht echt. Man kann mit der Ironie nämlich auch viel kaputtmachen: Wenn die Leute denken, das wäre echtes Holz, dann dagegen klopfen und merken, dass es hohl ist. Wenn wir Architekten unsere Glaubwürdigkeit verlieren, ist das zwar nicht so schlimm wie bei euch Journalisten. Aber wir müssen trotzdem unbedingt dafür Sorge tragen, dass die Leute „gläubig“ bleiben. Wenn die Leute den Raum betreten und nicht glauben, was sie da sehen, haben wir verloren.

ADHOC: Man muss also darauf achten, dass es konsistent ist und nicht echte Materialien für den Laien nicht erkennbar sind…
BATHKE: … und darüber hinaus gibt es noch eine ökonomische Verantwortung, welche Materialien ich verwende.

ADHOC: Läuft man manchmal Gefahr, von der Ironie in den Kitsch abzurutschen?
BATHKE: Nein, Ironie schützt vor Kitsch. Pathos ist Kitsch.

ADHOC: Aber gerade heutzutage ist Ironie doch so sehr zum Selbstzweck geworden, dass sie selbst auch kitschig sein kann.
BATHKE: Klar, da muss man natürlich aufpassen. Wenn man übertreibt, wird es nach zwei Jahren peinlich.

ADHOC: Hat schon mal ein Apotheker zu Ihnen gesagt: „Ich fand das vor zehn Jahren ganz toll, aber jetzt ist es mir zu viel“?
BATHKE: Das habe ich sogar schon selbst mit Apotheken gemacht, die ich gebaut habe. Aber meist habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Kunden, oft auch freundschaftlich. Da kann das schon mal vorkommen.

ADHOC: Mussten Sie schon einmal einen Apotheker mit Nachdruck von einer Idee abbringen?
BATHKE: Auf jeden Fall! Das kommt zwar selten vor, aber manchmal sind Inhaber auch irregeleitet, oft von außen. Die sind dann jemandem aufgesessen und wollen in einer kleinen Dorfapotheke riesige Flachbildschirme bauen, was völliger Unfug ist. Das sind oft welche, die aus der Stadt kommen und meinen, sie hätten schon alles gesehen. Dann wollen die der Oma auf dem Land ihre riesigen Bildschirme vorstellen. Das funktioniert aber nicht.

ADHOC: Konnten Sie einen Apotheker schonmal partout nicht von einer Idee überzeugen?
BATHKE: Ja, und dann trennen wir uns wieder voneinander. Wir kriegen auch nicht jeden Auftrag und das ist auch gut so. Wir brauchen schließlich ein Vertrauensverhältnis zueinander und wenn wir das nicht haben, muss der Inhaber das mit einem anderen machen.

ADHOC: Apropos Inhaber: Kommt es oft vor, dass Apotheker die Zügel nicht aus der Hand lassen können und zu sehr reinpfuschen?
BATHKE: Das kommt ständig vor. Genau genommen hoffen wir das sogar, denn je mehr er die Zügel in der Hand behält, desto mehr wissen wir auch, dass er die Verantwortung übernimmt. Er muss ja siegen im Kampf mit der Konkurrenz. Wenn er da komplett die Zügel in die Hand nimmt, kann das auch schiefgehen, denn dann kriegt er eventuell auch etwas, das gar nicht passt. Aber prinzipiell müssen wir vom Inhaber Druck kriegen. Wenn der Unternehmer nicht für das brennt, was er an seinem Ort machen will, hat er verloren! Das merken wir manchmal schon im Vornherein: Wenn das ein junger Kerl ist, der noch keine eigene Vorstellung hat und von irgendwelchen Maklern etwas eingeflüstert bekommen hat, rennt der oft in sein Verderben. Dem kannst du etwas noch so Schönes dahin bauen, aber wenn er nicht für das brennt, was er vertritt, wie will er dann überleben?

ADHOC: Haben sich die Typen von Apothekern, die Neugründungen angehen, in den letzten Jahrzehnten verändert?
BATHKE: Eher unauffällig. Das liegt aber an dem inhabergeführten Markt. Da dominieren nach wie vor die individuellen Menschen mit ihren eigenen Prägungen.

ADHOC: Wäre es nicht auch für Sie und Ihr Unternehmen fatal, wenn sich etwas ändern würde, also wenn es in Deutschland irgendwann Apothekenketten gäbe?
BATHKE: Absolut. Andererseits haben wir aber auch die Erfahrung gemacht, dass wir genauso viel bauen wie in den ersten Jahren, obwohl der Markt für Neu- und Umbauten nachgelassen hat. Wir haben viele Altkunden, die uns kennen und immer wieder mit uns bauen. Insofern denke und hoffe ich, dass selbst wenn nach der nächsten Regierungsbildung plötzlich Ketten erlaubt sein würden, es noch genug große Apotheker gäbe, die sich dann erst recht behaupten.

ADHOC: In den letzten Jahren konsolidiert sich der Markt ja eher, viele reden von einer Flurbereinigung…
BATHKE: … klar, die gibt es auf jeden Fall…

ADHOC: …. wegen der viele kleine Apotheken verschwinden und die durchschnittliche Apothekengröße immer weiter zunimmt. Ist das nicht für Sie von Vorteil?
BATHKE: Ja und nein. Größere Kunden, größere Umsätze – das stimmt schon. Auf der anderen Seite bringen die kleinen Apotheken zwar weniger ein, gehen dafür aber schneller.

ADHOC: Gibt es architektonische Konzepte, um mehr Kunden zu ziehen?
BATHKE: Es gibt da keine Konzepte, sondern das ist die entscheidende Aufgabe. Es gibt verschiedene Ideen, wie man das erreichen kann. Am wichtigsten ist, dass wir es schaffen, dass die Leute glücklich werden, dass sie lächeln. Das geht über viele Faktoren: Geruch, Licht, Farben, Atmosphäre im Allgemeinen.

ADHOC: Was sind da die gängigsten Schwächen, die Apotheken haben?
BATHKE: Ich denke, das sind tatsächlich meistens die Mitarbeiter. Wenn ich hereinkomme und mich die Mitarbeiter anlächeln, dann ist fast egal, wie die Apotheke ringsherum aussieht. Da habe ich als Architekt wahrscheinlich nur zehn Prozent Einflussmöglichkeit.

ADHOC: Und rein architektonisch? Gibt es denn keine No-Gos?
BATHKE: Nein, die gibt es nicht. Entscheidend ist immer der Kontext. Ich komme als Architekt zum Apotheker und muss mit ihm reden. Ich muss wissen, wo er wohnt, wie die Apotheke heißt, wie der Name entstanden ist, was er in ihr alles macht, was für Kunden er da hat – und dann kann man daraus eine Geschichte entwickeln. Es gibt natürlich Sachen, die ich nicht mag…

ADHOC: … zum Beispiel?
BATHKE: Ich mag keine Verspiegelungen, ich mag es nicht, wenn es zu transparent ist.

ADHOC: Warum?
BATHKE: Weil ich glaube, dass wir Identität brauchen. Und ich glaube, dass man dazu im architektonischen Bereich eine Majorität an Massivem braucht. Das signalisiert Stabilität und somit Vertrauen. Aber auch das kann in einem anderen Kontext schon wieder ganz anders aussehen. Wenn ich eine Apotheke habe, die in einem Kristallpalast steht, dann brauche ich dazu natürlich viel Glas und Kristall, sonst wirkt das deplatziert. Es ist immer der Kontext vor Ort, der entscheidend ist. Und da darf es gar keine No-Gos geben und auch keine Philosophie – beispielsweise, dass man prinzipiell nur Einzeltische statt eines klassischen HV-Tisches nimmt. Das ist Schwachsinn, weil es immer auf den Kontext ankommt, in dem man es macht. Oder Auffassungen, dass es einen Links- oder Rechtsdrall gäbe – Unfug! Die Menschen gehen dahin, wo andere Menschen stehen. Das alles funktioniert zu 90 Prozent über Menschlichkeit und 10 Prozent müssen wir dann noch machen.

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