Kommentar

Eine Boykott-Erklärung

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Die Grünen-Spitzenpolitikerin Renate Künast hat die Vattenfall-Kunden aufgefordert, den Energiekonzern zu boykottieren und zu einem Ökostromanbieter zu wechseln. Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Ulrich Kelber, riet den Stromkunden, auf diese Weise Druck zu machen. Alarmstufe Rot in Bonn? Das Kartellamt wird hart durchgreifen, Bußgelder in Millionenhöhe? Weder noch: Einzelne Aussagen von Politikern zählen beim Kartellamt nicht.

Vielleicht hätten auch manche Apotheker und deren Verbände mehr Glück gehabt, wenn das Kartellamt ihre Aussagen als bedeutungslos abgetan hätte - wie das offenbar bei Politikern geschieht. Die fabulieren schließlich im Wahlkampffieber. Das wird schon niemand zu ernst nehmen. Komisch, im Apothekerverfahren hieß es noch, nicht der Boykott sei entscheidend, sondern das „Auffordern“. Aber der wirtschaftliche Zusammenhang ist ein anderer: Renate Künast ist kein Interessensverband. Bei wirtschaftlichem Eigeninteresse darf man nicht auffordern.

Allerdings gilt auch dieser Grundsatz nicht immer: Beispiel Milchbauern. Die wollten mehr Geld für ihre Milch und haben zum Boykott der Molkereien aufgerufen. Der Lieferstopp wurde vom Verband organisiert und durchgezogen. Das Kartellamt erkannte auf Boykott - und verzichtete auf Bußgeldforderungen. Aber wehe die Milchbauern machen das nochmal. Kartellrecht ist kompliziert. Wenn die Apotheker gemeinsam bessere Konditionen erpresst hätten, wären sie womöglich verschont geblieben.

Der Begriff Boykott geht übrigens auf den britischen Gutsverwalter Charles Cunningham Boycott zurück, der es sich Ende des 19. Jahrhunderts kräftig mit seinen Pächtern verscherzte. Als Reaktion auf seine andauernden Schikanen verweigerten die neu organisierten Bauern ihren Pachtzins. Alle Verträge wurden gekündigt und alle Kontakte zu Boycott abgebrochen. Was hätte dazu wohl das Kartellamt gesagt?

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