Estland

e-Rezept lockt Versandapotheken

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Berlin -

Personalausweis statt Rezept: In Estland werden Arzneimittel seit Januar 2010 nicht mehr auf Papier, sondern überwiegend auf elektronischem Weg verordnet. Alle Informationen zur Pharmakotherapie landen in der Patientenakte auf einem Server des staatlichen Krankenversicherungfonds; nur Patienten, Ärzte und Apotheker haben Zugriff auf die Daten. Jetzt drängen Interessengruppen, allen voran die Apothekenketten, den Versandhandel zuzulassen, um das Potential des „Digiretsepts“ voll auszuschöpfen.

Das Prinzip ist einfach: Wer in Estland ein Arzneimittel verschrieben bekommt, legt in der Apotheke nur noch seinen Personalausweis vor. Der Arzt hat zuvor die Verordnung inklusive Anwendungsdauer und Einnahmehinweisen auf den Server geladen; die Abgabe wird ebenfalls in der Patientenakte dokumentiert. So können Arzt und Apotheker genau verfolgen, welche Präparate abgegeben wurden beziehungsweise wann sie aufgebraucht sein werden. Auch der Patient kann via Internet seine Akte einsehen.

Wichtigste Instrumente für das Arbeiten mit dem e-Rezept sind IT und ID: Alle Mitarbeiter in Apotheken und Arztpraxen müssen sich mittels Personalausweis in das System einloggen; wer die Chipkarte vergessen hat, kann gleich wieder nach Hause gehen. Auch wenn die Leitung zum Server zusammenbricht, was laut einer Umfrage bei zwei Drittel der Apotheken ein- bis zweimal im Monat passiert, wird es schwierig.

Vor allem in den ersten Monaten hatte es einige Schwierigkeiten mit der Technik gegeben. Mittlerweile läuft das System; mehr als 80 Prozent aller Rezepte werden auf elektronischem Weg ausgestellt. In Estland ist man stolz auf das Projekt und sieht sich als Pionier in Sachen e-health in Europa. Seit den 1990er Jahren hatte das Thema die höchsten Regierungskreise umgetrieben; bereits 1997 wurden die ersten Mittel für die Einführung bereitgestellt.

Entsprechend bemüht sind die estnischen Behörden, den Komfort für alle Beteiligten herauszustellen: Chroniker, die ein neues Rezept für ihre Medikamente brauchen, müssten etwa nur noch beim Arzt anrufen und könnten sich die Medikamente dann auch gleich von Dritten in der Apotheke abholen lassen - unter Angabe der Ausweisnummer des Empfängers und Vorlage des eigenen Ausweises.

Aus Sicht der Behörden heißt das: weniger Papierarbeit, mehr Zeit für den Patienten, zuverlässigere Gesundheitsstatistiken, bessere Überwachung der Compliance. Studien, inwiefern sich die Versorgung tatsächlich verbessert hat, gibt es bislang zwar nicht. Dafür aber Pläne, wie das Potential voll ausgeschöpft werden kann: Noch in diesem Herbst will die Regierung den Versandhandel mit Arzneimitteln zulassen. „Wir denken, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für einen solchen Schritt gekommen ist“, sagt eine Sprecherin.

Auch die estnischen Kettenbetreiber sind sehr daran interessiert, künftig Päckchen an Patienten zu schicken. Da es in Estland eine Bedarfsplanung für Apotheken gibt, sind die bestehenden Filialen zwar einerseits gut vor neuer Konkurrenz geschützt. Andererseits ist der Markt fast komplett aufgeteilt: 434 der 478 estnischen Apotheken gehören zu einer der vier großen Ketten.

Mit Einführung des Versandhandels könnten sich die Marktanteile verschieben. Dann müssten sich die Ärzte in Estland vermutlich auch auf den Besuch von Vertretern der Versandapotheken einrichten. Und die Patienten vielleicht auf weniger Apotheken.

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