Nutzenbewertung

Alkindi: Ärger um G-BA-Entscheidung

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Berlin -

Alkindi (Hydrocortison, Diurnal) ist seit 15. Mai als neue Darreichungsform für die Ersatztherapie bei Niereninsuffizienz auf dem Markt. In der vergangenen Woche hat das PUMA-Arzneimittel (Paediatric Use Marketing Authorisation) durch die Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) einen herben Rückschlag erhalten.

„Der negative Ausgang der Nutzenbewertung von Alkindi ist eine große Enttäuschung für jeden Hersteller pädiatrischer Arzneimittel und verhindert möglicherweise die Entwicklung von weiteren, speziell für Kinder erprobten Medikamenten“, sagt Dr. Markus Rudolph, Geschäftsführer Infectopharm. Der Hersteller hat sich auf pädiatrische Arzneimittel spezialisiert und vor kurzem für Slenyto (Melatonin) die Zulassung für das sechste PUMA-Arzneimittel in der EU erhalten.

Dabei bietet Alkindi erstmals eine patientenindividuelle Dosierung in Form eines Fertigarzneimittels. Das Präparat ist zu 0,5 mg, 1 mg, 2 mg und 5 mg in der Packungsgröße à 50 Stück als Granulat zur Entnahme aus Kapseln auf dem Markt. Indiziert ist das Arzneimittel zur Erhaltungstherapie bei Niereninsuffizienz bei Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen. Das Arzneimittel ist für die Behandlung von Geburt an bis 18 Jahren möglich.

Der G-BA konnte dem Arzneimittel jedoch keinen Zusatznutzen zusprechen. Das Gremium bemängelte die beiden vorgelegten „nicht vergleichenden Studien Infacort 003 und 004“, die keine Abwägung des Nutzens und des Schadens von Alkindi im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (Hydrocortison) erlauben. Auch die mündliche Anhörung hatte die Experten nicht überzeugt. Dass die derzeitige Versorgungssituation unzureichend ist, wurde nicht anerkannt. Apotheken stellen die Arzneimittel entsprechend der individuellen Dosierung selbst her. Jedoch sind Dosierungsschwankungen sowohl in Richtung Über- als auch Unterdosierung möglich, denn in der Apotheke ist keine Prüfung auf den Gehalt vorgesehen. Apotheker prüfen lediglich die Gleichförmigkeit der Masse. Industriell hergestellte Arzneimittel wie Alkindi unterliegen jedoch den Regeln der Regelungen zur Good Manufacturing Practice (GMP).

„Es bleibt unverständlich, weshalb der unerfüllte medizinische Bedarf für eine genaue Dosierung mit Hilfe eines Fertigarzneimittels nicht gewürdigt wird. Leidtragende sind in diesem Fall die Kinder mit Niereninsuffizienz“, kommentiert Rudolph, der auch der Vorsitzende der Initiative Arzneimittel für Kinder (IKAM) ist. Alkindi ist eine patentierte, orale, sofort freisetzende pädiatrische Formulierung von Hydrocortison-Granulat, die eine altersgerechte Dosierung bei Kindern ermöglicht. Die empfohlene Ersatzdosis liegt bei 8 bis 10 mg/m2 pro Tag für Patienten mit reiner Niereninsuffizienz. Die Gabe kann auf drei bis vier Einzelgaben verteilt werden.

Die Hülle der Hartkapsel darf nicht geschluckt werden. Das Granulat kann dann direkt auf die Zunge gestreut oder mit einem Löffel in den Mund gegeben werden. Im Anschluss sollten die Patienten etwas trinken. Geeignet sind Wasser, Milch, Muttermilch oder Flaschennahrung. Das Granulat kann jedoch auch auf kalte beziehungsweise auf Zimmertemperatur gebrachte Speisen wie Joghurt oder Fruchtpüree gestreut werden. Die weiche Speise muss innerhalb fünf Minuten verabreicht werden und darf nicht für eine spätere Gabe aufbewahrt werden.

Dass für den G-BA gegenüber der vorgegebenen Vergleichstherapie kein Zusatznutzen erkennbar ist und ein Evidenztransfer nicht möglich, kritisiert auch Professor Dr. Jörg Breitkreutz, Direktor des Instituts für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Mitglied des Expertenbeirats der IKAM. „Die Entscheidung des G-BA, dem zugelassenen PUMA-Arzneimittel Alkindi keinen Zusatznutzen zuzubilligen, halte ich für skandalös. […] Die neue Darreichungsform mit Granulat zur Entleerung aus einer Kapselhülle, die kindgerechte Dosierung und die geschmacksmaskierte Arzneizubereitung weichen erheblich von den bisherigen Marktprodukten ab und machen damit den Wirkstoff Hydrocortison für kleine Kinder erst zugänglich und die Therapie sicherer.“

„Wenn das Beispiel Alkindi bei den Entscheidungen des G-BA Schule macht, könnte die Bundesrepublik Deutschland bei innovativen Kinderarzneimitteln mit PUMA-Charakter in Zukunft leer ausgehen. Der G-BA untergräbt als Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen eine für die Bundesrepublik juristisch bindende EU-Verordnung, indem es ein neu und speziell für Kinder entwickeltes Arzneimittel unwirtschaftlich werden lässt,“ mahnt Dr. Andreas Franken, Geschäftsführer der IKAM.

„Der G-BA hat hier die Chance verpasst, eine Versorgungslücke bei einer potenziell tödlichen Erkrankung zu schließen. Dieser Beschluss ist ein Schlag gegen die Entwicklung pädiatrischer Arzneimittel. Er hat uns sowohl enttäuscht als auch überrascht“, meldet der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH).

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