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Spahn sucht ersten Gegner

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Berlin -

Er ist gekommen, um zu streiten. Der neue Chef im Bundesgesundheitsministerium, Jens Spahn, will kein internes Abnicken und keinen Schmusekurs nach außen. Wer ihn überzeugen will, muss mit ihm schon in den Ring steigen. Und das ist wörtlich zu verstehen. Statt informelle Hintergrundgespräche bietet Spahn seinen Gesprächspartnern 6x2 Minuten Vollkontakt-Sparring. Freiwillige vor!

Als Philipp Rösler 2009 ins BMG einzog, wurde sehr viel über sein Feldbett geschrieben, auf dem er die erste Zeit in seinem Büro übernachtet haben soll. Die Pritsche braucht Spahn nicht: Er lebt schon lange in Berlin. Und eine Pritsche reicht ihm nicht: Spahn hat in der Berliner Kalkscheune, gleich neben dem BMG, eine Fläche dauerhaft gemietet und dort einen Boxring aufbauen lassen. Hier – und nur hier – werden Lobbyisten mit ihren Wünschen empfangen. „Und am morgen kriegen die auf die Fresse“, heißt es aus dem Umfeld des neuen Ministers.

Jeder darf gewarnt sein. Spahn ist seit 2002 im Bundestag und auch in der Branche kampferprobt. Gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion war er schon, jetzt kehrt er als Minister zurück. Bei Boxern würde man sagen, eine andere Gewichtsklasse. Obwohl das Gesundheitsministerium bei der Verteilung der Kabinettsposten nicht unbedingt erste Wahl ist, ist Spahn voller Elan. Und natürlich ist er froh, überhaupt einen Platz an Merkels Kabinettstisch zu haben, bei seiner Vergangenheit.

Jetzt sucht er seinen ersten Herausforderer im BMG. Jede Lobbygruppe darf ihren besten Kämpfern schicken und dann geht es ab in den Ring. Beim ersten Test-Sparring ging der Gegner nach 34 Sekunden k.o. Spahn geht nach eigenen Angaben bis zu viermal in der Woche ins Fitnessstudio.

Die Ärzte wünschen sich schon ihr altes Schlachtross Andreas Köhler zurück. Die Großhändler dagegen hätten es – gerade nach dem Freibrief des Bundeskartellamts – lieber bei informellen Geheimtreffen belassen. Und auch die Apotheker werden es vermutlich nicht ganz einfach haben: Friedemann Schmidt lobte zwar den „streitbaren Geist“ von Spahn, sich selbst sieht er aber nicht als Streit-, sondern als Schöngeist – und wenn er mal austeilt, dann eher unabsichtlich.

So haben die Apotheker als erstes ihre Forderung nach einem Rx-Versandverbot an den Nagel gehängt. „Gleichpreisigkeit“ sei das Ziel, so DAV-Fighter Fritz Becker. Denn wer weiß, wie Spahn reagiert, wenn er auf so einem Maut-Projekt festgenagelt wird. Dr. Georg Kippels MdB freut sich schon einmal, dass nun innerhalb der Union nach Alternativen gesucht werden kann. Nur dass in Berlin parallel der 1€-Bagatellbonus erlaubt wird, passt nicht so recht ins Bild. Oder ist das auch Gleichpreisigkeit?

Für den Schlagabtausch im BMG sucht die ABDA nun nach geeigneten Kandidaten. Weil Stefan Raab seinen Job als TV-Fighter an den Haken gehängt hat, wurde testweise Mario Barth engagiert. Der Comedian ließ seinen Kollegen Guido Cantz einmal vorfühlen, wie es um den Wahnsinn im Offizin-Alltag bestellt ist. Leiterpflicht, Behördenwahnsinn, das Übliche. Gedreht wurde in der Markt-Apotheke von Mario Spieker in Köln. Wichtig war den Fernsehmachern, dass keine Fachbegriffe und Fremdwörter verwendet wurden. Man wollte offensichtlich das Sofa-Publikum nicht verschrecken. Wenn die Retax hören und kein Taxi sehen, wandern sie am Ende noch zu Netflix ab.

Work-Life-Balance ist ein großes Wort, die meisten überlegen zaghaft, ob sie stimmt und ob man nachjustieren sollte. Anders Apothekerin Ann-Katrin Kossendey-Koch. Sie leistet ihren freiwilligen Beitrag zum Apothekensterben und schließt ohne große Vorankündigung zum 29. März, um sich neuen Aufgaben zu widmen. Die sind auch schön, denn Kind Nr. 4 ist unterwegs.

Nach 54 Jahren in der Offizin geht Brigitte Lünemann nun in den Ruhestand und plädiert für mehr Mut. Gern hätte sie ihre gut laufende Lamberti-Apotheke in Münster verkauft, gern an jüngere Kollegen. Doch bei denen hat sie eine zunehmende Angst vor der damit verbundenen Verantwortung festgestellt. „Wenn bei Work-Life-Balance nur noch das ‚Life‘ übrig bleibt, wird es für unseren Berufsstand zunehmend schwierig.“

Nicht nur im Glamour-Bereich, auch in Apotheken ist sexuelle Belästigung ein Thema. Aufdringliche Blicke, unerwünschte Berührungen – und die Angst, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Nur wenige Arbeitnehmer wissen, dass der Arbeitgeber laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) alle Angestellten vor sexueller Belästigung schützen muss, weshalb wir hier daran erinnern.

50 Jahre PTA-Beruf, da lohnt sich ein Blick ins Archiv. Eine Jod-Lösung mischt heute kein Mensch mehr an. Vor 20 Jahren allerdings gehörte es zum Apotheken-Alltag. Auch über die Kunden-Kartei von damals würden sich die Kollegen im Jahr 2018 scheckig lachen. Und während man in den 1990er-Jahren für Hustentees noch das große Latinum brauchte, erledigen das heute devot die Teebeutel.

Als die junge Apothekerin Ursula Hertewich ihren Eltern mitteilte, dass sie ins Kloster wolle, war das Entsetzen groß: „Es war sehr schwer für sie.“ Mittlerweile verstehen sie ihre Tochter, die sich vor fünf Jahren für immer verpflichtete und ins Kloster Arensberg zog. Sie arbeitet in der Seelsorge, auch Pharmazeuten kommen ins Kloster, um ihren Rat zu hören. Sie bringen dann die hektische Welt von draußen in Hertewichs freiwillig gewählte Welt, die von Armut, Keuschheit und Gehorsam bestimmt ist.

Einige Berliner Apotheker werden derzeit vom großen Bibbern erfasst und das liegt nicht am unerfreulichen Wetterbericht. Sie befürchten, dass demnächst Ermittler in der Offizin stehen könnten. Im Prozess gegen die Rezeptfälscherbande um den Berliner Pharmazeuten Klaus H. könnten dutzende Apotheken betroffen sein, denn er hat in seinem Geständnis schwere Vorwürfe gegen eine ganze Reihe von Kollegen erhoben – sie sollen eingeweiht gewesen sein. Nach dem unschönen Motto: Wenn mein Kopf rollt, reiße ich noch ein paar andere mit ins Verderben.

Wir freuen uns auf die VISION.A in der nächsten Woche! Einer der Referenten ist Ralf Dümmel, bekannt als Investor aus der TV-Show „Die Höhle der Löwen“. Er weiß, wie man Produkte erfolgreich in den Markt bringt und wird der Branche auch die Leviten lesen. Ob er auch über die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) spricht?

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