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Unbekannte klauen ganze Apotheke

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Berlin -

Einbrüche in Apotheken gehören zum traurigen Alltag, sofern das Wort nachts überhaupt angezeigt ist. Diebstahl von Kunden und Kollegen ist dagegen wortwörtlich an der Tagesordnung. Aber dass gleich eine ganze Apotheke weggeschafft wird, hat Oberhauptkommissar Theo Tünsmeyer auch noch nicht erlebt.

Die Diebe kamen in der Nacht, mit schwerem Gerät. Und statt das Schaufenster einzuschlagen oder den Lieferanteneingang aufzubrechen, hoben sie gleich die Apotheke mit einem Kran aus der Häuserzeile, verluden sie auf einen Schwertransporter und verschwanden damit über alle Berge. „Ich dachte, das wäre eine Marketingaktion“, sagt Anwohner Herbert S., der das Ganze vom Fenster aus verfolgt hat. Seine Frau Gudrun glaubte an „ein Kunstgroßprojekt, von diesem, diesem Christoph, der auch den Reichstag bemalt hat“.

War es aber nicht. Sondern ein dreister Diebstahl. „Es ist alles weg“, stöhnt Inhaber Klaus U. Die Polizei tappt noch im Dunkeln, wer hinter dem Verbrechen stecken könnte. Der Apotheker hat einen Verdacht: „Das war bestimmt der Großhändler. Der Außendienstler war die Woche da und als ich ihm erklärt habe, ich hätte schließlich auch keinen garantierten Gewinn, ist er beleidigt abgezogen. Das ist jetzt wohl die Quittung. So kannte ich Retouren noch nicht.“

Doch so leicht will es sich Polizist Tünsmeyer nicht machen. Er will auch einen politischen Anschlag nicht ausschließen, gerade in Zeiten der Koalitionsbildung. Was da zuletzt aus der SPD wieder zum Thema Apotheken und Rx-Versandverbot zu hören gewesen war, macht den erfahrenen Polizisten zumindest misstrauisch. Die Honorargutachter von 2hm haben dagegen ein Alibi: Die konnten glaubhaft versichern, dass sie sich nach Abgabe ihres Werkes so wenig für Apotheken interessieren wie davor.

Bleiben die üblichen Verdächtigen: Karl Lauterbach, der sogar von Iberogast schwere Nebenwirkungen bekommt. Oder Gerd Glaeske, dem man nachsagt, er sammele Apotheken wie ein Jäger Trophäen. Oder waren es doch die Kassen, weil sie mit dem Schiedsspruch zur Hilfstaxe (Klage ist eingereicht) maximal 300 Zyto-Apotheken einkassieren können?

Aber vielleicht war es auch kein Professor, keine Kasse und auch nicht die Politik. Vielleicht war es die Belegschaft, die endlich mal ohne Chef ihr Glück versuchen wollten. Schließlich schmeißen sie den Laden gefühlt sowieso alleine … Man sollte mal bei ihnen zu Hause nachsehen, ob sie nicht im Garten eine Apotheke vergraben haben oder im Nachtschränkchen verstecken. Die Schwarzmarktpreise für Apotheken sind Experten zufolge immer noch hoch, weil hier noch immer mit dem Umsatz als maßgeblicher Größe gerechnet wird.

Wie es um die Umsätze der EU-Versandapotheke in diesen Tagen bestellt ist, darüber lässt sich nur rätseln. Welche Packungen werden wann ausgeliefert? Wer reicht die Rezepte ein? Am Donnerstagabend jedenfalls waren sämtliche Domains nicht mehr zu erreichen. Möglicherweise hat sich die Aufsichtsbehörde zum Handeln berufen gefühlt, nachdem ihr von verzweifelten (Ex-)Mitarbeitern tausende Beschwerdemails zugeleitet worden waren. Die offizielle Lesart ist „Wartung“ der Website, aber aus dem DIMDI-Register ist die Versandapotheke schon verschwunden.

140.000 Euro verschwunden waren bei einem Apotheker aus Bayern. Und als er – kurz vor Weihnachten – wusste warum, fiel ihm alles aus dem Gesicht. Zwei PTA, langjährige und im Betrieb ausgebildete Angestellte, hatten ihn systematisch betrogen, nur um für den Lover der einen Wachstumshormone zu besorgen. Hier gibt es zumindest ein paar Tipps von Kollegen, wie man sich vor Mitarbeiterdiebstahl schützen kann.

Aber noch einmal zurück zum Großhandel. Das unschöne Wort Handelsspannenausgleich macht mal wieder die Runde. Aktuell ist Phoenix damit im Lande unterwegs. Aber der Branchenprimus damit in guter, also nicht so guter, Gesellschaft. Diesmal waren tatsächlich andere schneller. Egal, alle kommen ans Ziel.

Iberogast schlägt Bayer gerade auf den Magen. Das pflanzliche Mittel steht wie kein anderes Produkt für die sanfte Seite des Pharma-, Chemie- und Agrarkonzerns. Doch eine der neun Zutaten ist zuviel – finden jedenfalls Kordula Schulz-Asche und Karl Lauterbach. Die Grünen-Politikerin hatte sich bei der Bundesregierung erkundigt, warum das Mittel in der Schweiz Warnhinweise bekommt und in Deutschland nicht. Sie findet es einen „Skandal“, dass der Konzern bis zum Ausgang des Gerichtsverfahrens weiter munter werben darf, ohne auf das Risiko für Leberschäden hinzuweisen. Der SPD-Mann sprang schnell auf den Zug: „Nehmt die Patienten ernst!”, twitterte es quer durch seinen Heimatort Leverkusen.

Die Apotheker grübeln nicht nur, woher der plötzliche pharmazeutische Sachverstand bei den beiden Politikern kommt, sondern auch darüber, was sie ihren Kunden dann eigentlich bei Magenbeschwerden noch empfehlen sollen? Erst MCP über Nacht weg, demnächst die pflanzliche Alternative? Wie schnell die Optionen ausgehen können, zeigt sich gerade bei Ibuprofen: Mitten in der Grippesaison hat sich der Mangel bei den Fiebersäften zu einem flächendeckenden Lieferengpass bei sämtlichen Generikaherstellern ausgewachsen. Meinungen dazu, Herr Lauterbach, Frau Schulz-Asche?

Mangelware ist bereits seit einiger Zeit Vesikur. Um Exporte zu verhindern, liefert der Hersteller Astellas das Urologikum nur noch direkt, an Großhändler mit Sonderdepot und seit Neuestem über Pharma Mall. Die Erfolgsmeldung über den jüngsten Neuzugang war für Apotheker Carsten Moser der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er empfinde es als Hohn, „dass Sie diesen Rückschritt in der Patientenversorgung – in einer Situation der ständigen Nichtverfügbarkeit Ihrer Produkte – jetzt auch noch als ‚freudiges Ereignis‘ verkaufen möchten“, schrieb er in einem Wutbrief an Astellas und sprach damit vielen Kollegen aus der Seele.

Aus der Seele gesprochen hat seinen Kollegen auch Wolfgang Wittig, Inhaber der Bären-Apotheke in Ratingen. Ihm und seiner PTA war aufgefallen, dass eine Rezeptur für ein Baby viel zu hoch dosiert war. Auf Facebook ließ er seinen Gedanken freien Lauf, warum diese Arbeit den Kassen nur 6,52 Euro wert ist und warum in der Presse allzu oft zu lesen ist, dass es „doch viel besser und günstiger für die Allgemeinheit wäre, wenn Patienten ihre Rezepte in einer Versandapotheke in Holland einlösen würden ...“ Innerhalb weniger Stunden wurde das Beitrag tausendfach geteilt und geliked.

Damit fällt Wittig in das obere Drittel der Kollegen, die laut Professor Dr. Gerd Glaeske eine gute Beratung bieten. 40 Prozent seien „auf der Kippe“ und das restliche Drittel mache „ziemlich viel Mist“, so der Pharmazeut und Gesundheitsökonom unter Berufung auf „Daten“, deren Herkunft er nicht näher erläuterte. „Die könnten ihre Apotheke auch zulassen.“ Dann wäre den Menschen besser geholfen als immer nur „Säcke voll Arzneimittel in Grippezeiten zu verkaufen“.

Denn das, soviel ist sicher, kann auch Edeka. Die Supermarktkette hat Plätze an der Kasse freigeräumt für ihre Eigenmarken an Erkältungsmitteln. Eine Beratung erwartet niemand, wie auch ein Blick auf den Webshop Edeka24 zeigt: Beim Edeka-Hustensirup wurde unter „ähnliche Artikel“ das „Naturals Pute & Huhn Nassfutter für Hunde“ angeboten. Na dann: Gute Besserung!

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