Betriebsprüfung

25.000 offene Posten: 1,5 Jahre Ärger

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Berlin -

Betriebsprüfungen sind keine angenehme Angelegenheit. Besonders unerfreulich ist der beträchtliche Aufwand einer Prüfung, die bis zu zehn Jahre rückwirkend erfolgen kann. Derzeit sind viele Apotheker davon betroffen. Das kostet Nerven und Zeit: „Ich habe mich anderthalb Jahre damit herum geärgert“, berichtet ein Kollege, der aus Furcht vor dem Fiskus anonym bleiben will. 25.000 offene Posten in seiner Warenwirtschaft hatte der Betriebsprüfer bemängelt.

„Bei der Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2013 wurde mir nach Auslesen der Kasse vom Finanzamt eine Exceltabelle mit 25.000 Datensätzen und einer Endsumme von über 70.000 Euro präsentiert“, so der Apotheker. Diese Datensätze beinhalteten beispielsweise sämtliche Stornobuchungen der letzten fünf Jahre, also alle Dateien, die ein Minus enthielten.

Weil jeder Vorgang im Warenwirtschaftssystem eine Nummer erhält, sieht das für die Betriebsprüfer so aus, als seien Waren und Geld geflossen. Eine Vorgangsnummer entsteht auch, wenn eine Retoure an den Großhandel geschickt wird. Wird die Retoure vom Großhandel gutgeschrieben und gegengebucht, entsteht eine Nachfolgenummer, so dass der Vorgang insgesamt mit 0 endet. Wenn keine Nachfolgenummer entsteht, bleibt der Vorgang im Minus. Das alles führte zu Nachfragen des Fiskus.

Etwa die Hälfte der Prüfpositionen habe er selbst zu verantworten, räumt der Apotheker selbstkritisch ein. Das hängt unter anderem zusammen mit Sonderaktionen in seiner Apotheke. In der Software steht der Listenpreis, gekauft wurde zum Sonderpreis. „Aber die Bons für die 10 Prozent-Aktionen fehlten. Hätte ich die alle aufbewahrt, hätten sich über die Jahre massenhaft Aktenordner gefüllt“, so der Apotheker. „Wo hätte ich die lagern sollen?“ Aber bei anderen Buchungen, bei denen Geld an den Kunden ausgezahlt wurde, beispielsweise bei Befreiung oder bei Umtausch, hatte er noch einige Belege.

„Außerdem gab es massenhaft Stornos bei Rezeptänderungen, wo keine Bons erzeugt werden, auch bei Nachtax – also Tausenden von Abläufen, die wir gar nicht dokumentieren konnten“, so der Apotheker. Das Finanzamt verlangte daraufhin einen höheren fünfstellige Betrag als Nachzahlung. Etwa die Hälfte der 25.000 Positionen aus der Xls-Datei mit den Nachfragen der Betriebsprüfer konnte der Apotheker selbst aufklären.

Für den Rest hätte er seinen Softwareanbieter zu Hilfe rufen müssen. „Eine entsprechende Prüfung und Begründung durch mein Softwarehaus hätte mindestens 5000 Euro gekostet“, sagt er. Am Ende ist es für den Apotheker glimpflich ausgegangen: Bei der Schlussbesprechung konnte sein Steuerberater mit seinem Verhandlungsgeschick die Nachzahlung auf einen vierstelligen Betrag drücken.

Der Apotheker sieht nach seinen Erfahrungen die Softwarehäuser in der Pflicht: Die müssten die Software so gestalten, dass alle Vorgänge ohne größere Umstände für die Betriebsprüfung dokumentiert werden könnten. Ein Vertreter habe ihm bestätigt, dass die Apotheke die in Rede stehenden internen Programmabläufe, bei denen beispielsweise Stornos erzeugt werden, derzeit gar nicht dokumentieren könne. „Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Da meine Buchhaltung absolut korrekt war, habe ich meiner Meinung nach die Steuernachzahlung eigentlich nur meinem Softwarehaus zu verdanken.“

Jetzt will er sein Softwarehaus fragen, welche Stornobuchungen das System nicht dokumentieren kann und wie es gedenkt, zukünftig mit diesem für die Apotheke gravierenden und vor allem teuren Problem umzugehen. „Für alles andere heben wir seit Juni alle Bons auf. Bei mindestens 500 Bons im Monat braucht man da viel Platz.“

Ein anderer Apotheker plagte sich sechs Monate mit der Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 herum. Zusätzlich gab es eine Sonderprüfung für die Jahre 2010 bis 2012. Auch bei ihm gab es Probleme. Ein Beispiel: Statt der verordneten 6er-Packung der Antibabypille hatte er mehrfach zwei 3er-Packungen gestückelt. Der Buchungsvorgang in der Software erregte die Aufmerksamkeit des Betriebsprüfers, weil für die 6er-Packung „Erlös Null“ ausgewiesen wurden.

Weil der Apotheker wegen des benachbarten Frauenarztes viele solcher Rezepte hatte, gab es mehrere tausend Nachfragen des Betriebsprüfers. Über das Kassen-Login und das Auslesen der Kassenzeile habe er aber jeden einzelnen Fall aufklären können: „Das kostete mich Abende“, so der Apotheker. „Echt schwierig“ sei auch die Beweisführung bei Rezepturen gewesen: Dafür würden sogenannte Platzhalter mit einer Abholnummer gebucht. „Man kann aber in der Software nicht sehen, wie sich die Platzhalter weiterentwickeln, wenn es zum Beispiel eine Nachlieferung gibt“, so der Apotheker, „dann läuft die Vorgangsnummer ins Nichts.“

Den Softwarehäusern will der Apotheker aber nicht die Schuld am Dilemma zuweisen: „Sie wussten ja nicht, dass der Fiskus jetzt so genau prüfen kann.“ Extrem schwierig seien auch Retouren an den Großhandel. Dann wisse man doch manchmal erst viele Monate später, was damit geschehe. „Das in der Software nachzuvollziehen, ist ein Problem.“ Diesem Apotheker hat sein Softwarehaus unentgeltlich geholfen, alle Buchungsvorgänge aufzuklären.

„Ich habe jede einzelne Position nachgewiesen und von Anfang an immer jeden Tag penibel das Kassenbuch geführt“, erzählt der Apotheker. Viele Kollegen wüssten aber nicht, wie sie mit den Dingen umgehen müssten und gerieten so unbewusst ins Visier der Betriebsprüfer. Wer beispielsweise im System ein Arzneimittel suche und anschließend auf Storno drücke, veranlasse einen Vorgang, der zu Nachfragen des Fiskus führe: „Viele wissen das nicht.“ Daher falle es schwer, zu erklären, dass das kein echter Storno sei.

Auf einen Deal mit dem Finanzamt hat sich dieser Apotheker nicht eingelassen: „Ich habe eine Schätzung abgelehnt. Ich habe das durchgezogen und bin am Ende ohne Nachforderung raus gekommen.“ Er könne nur allen Kollegen raten, exakt die Anweisungen der Softwarehäuser zur Bedienung der Systeme zu studieren und sich exakt daran zu halten. So habe er alle 20.000 Prüfpositionen seines Betriebsprüfers aufklären können.

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