Beipackzettel

Saar: „Ein zweiter Beipackzettel für Patienten“

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Berlin -

Der Bundesrat hat im März auf Druck von Saarlands Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) eine Initiative für patientenfreundlichere Beipackzettel gestartet. Diese soll jetzt auf EU-Ebene vorangetrieben werden. Weil das aber Jahre dauern kann, sucht die Gesundheitsministerin nach schnellen Zwischenlösungen. Sympathie hegt sie für einen Vorschlag von Manfred Saar, dem Präsidenten der Apothekerkammer Saarland: Eine verständliche Kurzanleitung für Patienten sollte den Beipackzettel ergänzen.

„Ich finde den Vorschlag von Kammerpräsident Saar gar nicht so schlecht“, sagte Bachmann beim „Gesundheitspolitischen Gespräch in der Saarländischen Landesvertretung“ in Berlin. Weil eine Kurzform des klassischen Beipackzettels aus gesetzlichen und haftungsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar sei, schlug Saar vor, „einen zweiten Beipackzettel für Patienten“ in die Arzneimittelpackung zu legen. Die Idee hat Saar übernommen von den Kurzanleitungen, die mittlerweile beim Kauf von Computern, Druckern und anderen technischen Gerätschaften beigelegt werden.

„Ein kurzer Zettel kann auch für die Hersteller kein Riesenaufwand sein“, so Saar in der Diskussion. Gerade ältere Patienten seien noch nicht so mit Smartphones und Internet vertraut, dass man andere elektronische Wege gehen könne. In den Apotheken gebe es aber „enorm viele Nachfragen“ von Patienten, die die Informationen der Beipackzettel nicht verstünden. Das sei eines der Hauptprobleme für die Therapietreue. Nach Untersuchungen brechen bis zu zwei Drittel der Patienten die Arzneimitteltherapie ab, weil sie die Informationen nicht verstehen oder sich vor den beschriebenen Nebenwirkungen fürchten.

Auf Skepsis bis Ablehnung stieß Saars Idee einer Kurzinformation allerdings bei der Industrie. Georg Lang von Pfizer schlug stattdessen eine elektronische Variante des Beipackzettels vor. „Ein zweiter Beipackzettel bedeutet zusätzlichen Aufwand und Kosten. Welchen Sinn macht es, diese Infos in die Packung zu packen. Lassen Sie uns über grundsätzlich neue Konzepte nachdenken.“ Beipackzettel sollten über einen QR-Code elektronische abrufbar sein. Patienten ohne Smartphone könnten dazu die Apotheke aufsuchen. Auch das neue Securpharm-System biete ab 2019 weitere Möglichkeiten des Zugriff auf elektronisch aufbereitete Informationen.

Lang sieht darin mehrere Vorteile: Die Apotheker könnten so in „neue Beratungssituationen“ kommen. Elektronisch aufbereitete Informationen böten mehr Gestaltungsmöglichkeiten für verständliche Grafiken, Bilder und Piktogramme. Unterstützung für seinen Vorschlag fand Lang in Dr. Klaus Menges vom Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). „Ich würde unbedingt den e-Beipackzettel unterstützen“, sagt der Pharment.bund-Beauftragte.

Allerdings unter einer Voraussetzung: Darin dürfe sich keine versteckte Werbung der Industrie verbergen. Über Begriff und Inhalt von Pharmawerbung gebe es bekanntlich großen Interpretationsspielraum. Menges sieht allerdings in erster Linie die Ärzte in der Pflicht, Patienten ausführlich über die notwendige Arzneimitteltherapie aufzuklären.

Aus der Praxis wisse er allerdings, dass dafür häufig die Zeit fehle „und es kein Honorar gibt“. Außerdem könnten sich die Patienten in der Apotheke ausführlich beraten lassen. Als Lückenbüßer für Versäumnisse der Ärzte einspringen, will aber Saarlands Kammerpräsident nicht. „Damit wären wir Apotheker überfordert, wenn wir noch mal alles im Detail erklären müssen.“

Als Kompromiss schlug Edwin Kohl, Chef des Arzneimittelimporteurs Kohlpharma, vor, eine Kurzinformation für Patienten in die Packung zu legen und den ausführlichen Beipackzettel als QR-Code zur Verfügung zu stellen oder in der Apotheke auszudrucken. Kohl beschrieb die Probleme aus Sicht des Herstellers. „Wenn sie die Schriftgröße von nur von acht Punkt auf neun Punkt erhöhen, benötigen sie 25 Prozent mehr Papier. Bei Schriftgröße zwölf Punkt wird der Beipackzettel doppelt so groß. Wir nehmen jetzt schon sehr dünnes Papier. Aber dann kriegen sie das Ding in keine Packung mehr.“

Für eine elektronische Lösung sprechen aus Sicht von Lang auch die Fortschritte der Medizin. Gerade in der Onkologie gebe es pharmakologische Entwicklungen, „die sind so kompliziert, die kriegen sie auf einem Beipackzettel nicht mehr abgebildet. Wie können wir das überhaupt den Patienten noch erklären.“

Bachmann fasste die Diskussion mit einem pragmatischen Bild zusammen: „Wenn sie den Beipackzettel mal raus haben, kriegen Sie ihn sowieso nicht mehr in die Packung.“ Bachmann will ihre Initiative für einen patientenfreundlichen Beipackzettel beim nächsten Treffen der EU-Gesundheitsminister vorantreiben, aber auch rasch eine Zwischenlösung finden. „Lassen Sie uns die rechtlichen und Haftungsfragen ausklammern und eine verständliche Kurzanleitung beilegen.“

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