ACAlert

Selbst die Apotheke wird grün

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Berlin -

Der Höhenflug der Grünen macht auch vor den Apotheken nicht halt. Erstmals liegt die Ökopartei in einer APOSCOPE-Umfrage vor der Union und wäre mit 27,5 Prozent stärkste Fraktion. Bei den Inhabern sind CDU/CSU noch vorn, aber auf dem absteigenden Ast. SPD und FDP kämpfen in der Offizin um die Existenz. In der Umfrage der Reihe ACAlert im Auftrag von ACA Müller ADAG Pharma ging es außerdem um Spahns Zukunft, Nahles‘ Abgang und die Frage nach den zentralen politischen Themen für die Apotheker.

Unter allen Befragten erreichen die Grünen 27,5 Prozent der Stimmen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Noch vor zwei Jahren lagen sie regelmäßig unter 10 Prozent – gerade bei Inhabern war die Ökopartei seit der Celesio-Affäre lange Zeit nicht gut gelitten. Doch das hat sich komplett gedreht: Heute würden 17,1 Prozent der Inhaber die Grünen wählen und 23,8 Prozent der PTA. Einen Spitzenwert erreicht die Partei interessanterweise im Lager der angestellten Apotheker mit 37,5 Prozent.

Die Union, traditionell Liebling der Pharmazeuten, muss dagegen Federn lassen: Mit 22,7 Prozent in der Apotheke landen CDU/CSU sogar unter den ohnehin schon schwindsüchtigen bundesweiten Werten. Nur bei den Inhabern und Filialleitern wäre die Union mit 30 beziehungsweise 35,3 Prozent noch vor den Grünen. Aber auch das kommt einen dramatischen Absturz gleich, denn unter Apothekenleitern hatte die Union in den vergangenen Jahren regelmäßig die absolute Mehrheit.

Ebenfalls bemerkenswert: Außer Union und Grünen schafft es keine Partei auch nur auf einen zweistelligen Wert und nur Die Linke würde es mit 8 Prozent (Inhaber: 10 Prozent) als dritte Fraktion überhaupt über die 5-Prozent-Hürde schaffen. SPD mit 4,5 Prozent und AfD mit 3,6 Prozent spielen dagegen keine Rolle, bei den Inhabern kommen die Sozialdemokraten sogar nur auf 1,4 Prozent der Stimmen. Die einstige „Apothekerpartei“ FDP hat sich von ihrer Regierungsbeteiligung zwischen 2013 und 2017 nie mehr erholt und fährt in der Apotheke nur noch 1,9 Prozent (Inhaber: 2,9 Prozent) der Stimmen ein. Bei der Umfrage haben allerdings auch 14,7 Prozent angegeben, noch unentschlossen zu sein, weitere 12,1 Prozent wollten sich zu der Frage nicht äußern.

Aus den Vorlieben für die Parteien ergeben sich fast logisch die Präferenzen für die Regierungsbündnisse: Eine schwarz-grüne Koalition könnte sich jeder dritte Teilnehmer vorstellen, Rot-Rot-Grün (12,5 Prozent) liegt in der Gunst etwas vor einer Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten (10,9 Prozent). Unter den Inhabern ist dieses Verhältnis allerdings umgekehrt (8,8/17,1). Die Große Koalition (9,6 Prozent) ist abgehalftert, in Jamaika (9,3 Prozent) fehlt der Glaube.

Spannend ist die Frage, wann neu gewählt wird: Die Teilnehmer der Umfrage sind eher pessimistisch, dass die Große Koalition bis 2021 hält. Sollte sie – was die Mehrheit erwartet – vorzeitig zerbrechen, gibt es eine klare Präferenz: 63 Prozent wünschen sich Neuwahlen, nur 37 Prozent eine Minderheitsregierung der Union mit wechselnden Mehrheiten im Bundestag. Bei den Inhabern stehen diese beiden Optionen fast gleich hoch im Kurs (54:46).

Friday for Future und der Wahlerfolg der Grünen bei der Europawahl – Umweltpolitik scheint derzeit das zentrale politische Thema zu sein. Dieser Trend lässt sich auch in der Apotheke beobachten. Umwelt- und Klimapolitik liegen bei der Frage der wichtigsten Themen ganz vorn, erst danach interessieren sich die Teilnehmer für Arbeit/Soziales, Innere Sicherheit oder Steuern/Abgaben. Politische Fragen nach Wohlstand und Migration liegen am unteren Ende der Prioritätenskala.

Gefragt wurde auch zu den Personaldebatten der Koalitionspartner: Den Rücktritt von Andrea Nahles (SPD) als Parteichefin findet eine klare Mehrheit konsequent und richtig. Aber bei der Frage, wer auf sie folgen soll, sind die Apotheker ebenso ratlos wie die Sozialdemokraten selbst. Unter den allgemein kursierenden Namen schneidet der Ex-Vorsitzende Sigmar Gabriel noch am besten ab, aber auch er kommt nur auf einen Wert von 16,6 Prozent. Katarina Barley (12,5 Prozent), Olaf Scholz (9,9 Prozent) und Kevin Kühnert (8 Prozent) landen dahinter. Die meisten (36 Prozent) wünschen sich eine Doppelspitze. Offen bleibt, ob das eine grundsätzliche Entscheidung ist oder die Teilnehmer konkrete Vorstellungen zur Besetzung haben.

Noch größer ist die Ungewissheit in Bezug auf die CDU-Spitze. Volle 44 Prozent wissen nicht, wen sie für die Union als Kanzlerkandidaten aufstellen würden. Unter den vorgegebenen Kandidaten liegt Friedrich Merz mit 27 Prozent allerdings deutlich vor CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (11 Prozent) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (10 Prozent). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wünschen sich nur 5,4 Prozent als Kanzlerkandidaten. Klarer ist das Bild in der Teilgruppe der befragten Inhaber: Merz liegt hier mit 40 Prozent klar vorne, Spahn will fast niemand (2,9 Prozent).

70 Prozent der Inhaber würden sich zudem wünschen, dass Spahn einen anderen Posten in der Regierung übernehmen würde. Im Verteidigungsministerium (57 Prozent) würden ihn die Apothekenleiter lieber sehen als im Wirtschaftsministerium (16 Prozent). Und als Kanzler? 0,0 Prozent.

Dagegen könnten sich 62 Prozent einen grünen Bundeskanzler vorstellen. Ohnehin sind die Zeiten der großen Volksparteien aus der Sicht von 60 Prozent der Befragten vorbei. Und sogar 79 Prozent sagen, dass die SPD die wieder eine Volkspartei sein wird. Dagegen erwartet eine deutliche Mehrheit von 72 Prozent, dass YouTuber wie Rezo („Die Zerstörung der CDU“) das politische Geschehen zunehmend beeinflussen werden.

An der Umfrage für den ACAlert am 5. und 6. Juni 2019 via APOSCOPE nahmen 313 verifizierte Apothekerinnen, Apotheker und PTA teil. ACAlert ist eine Initiative der ACA Müller ADAG Pharma AG.

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