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Sitzapotheker sitzt in Apotheke fest

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Berlin -

Es klang nach einem verlockenden Angebot: Ein Notdienst am Wochenende, bezahlt auf Stundenbasis à 40 Euro und das in einer recht ruhigen Apotheke in einer kleineren Ortschaft. Doch das Ganze entpuppte sich als Falle: Der 34-jährige Apotheker Lukas S. sitzt seit Monaten in der Apotheke fest. Der Chef ist nie wiedergekommen.

Als er die Annonce gesehen hatte, glaubte Lukas noch, einen echten Schatz gehoben zu haben. Der Apotheker aus dem Nachbarort suchte eine „Sitzvertretung“ für den Notdienst. Eigentlich sei es eher eine „Liegevertretung“, hatte der Inhaber beim Kennenlerngespräch gewitzelt. Es komme nämlich nachts so gut wie nie jemand.

Das stimmte schon mal nicht. Im Notdienst wird dem Jungapotheker fast die Bude eingerannt. Keine Minute Schlaf, dafür Kunden, die Taschentücher kaufen oder dringend Tagescreme benötigen. Tagescreme – im Nachtdienst. Egal, Lukas ist hilfsbereit und geduldig, er denkt an die Finanzierung seines Sommerurlaubs und bleibt höflich. Und er wartet auf den Sonnenaufgang.

Als um halb neun Uhr morgens die Offizin voll steht, wundert sich Lukas, warum er nicht längst abgelöst wurde. Doch der Chef lässt sich nicht blicken. Die Handynummer ist tot, auch beim Apotheker zu Hause geht niemand ans Telefon. Also bleibt Lukas in der Apotheke und versorgt die Patienten, dafür ist er schließlich angetreten. Das Ganze ist jetzt drei Monate her. Lukas führt die Apotheke, so gut er kann, der Sitzapotheker kann seinen Platz nicht verlassen. Heute summte sein Smartphone, der Chef hat geschrieben! „Sorry, bin raus. Viel Erfolg!“

Keine Sorge, Lukas geht es gut. Es gibt ihn gar nicht. Und Sitzvertretung meint auch etwas anderes. Meistens übernehmen das auch ältere Kollegen, die zwar pharmazeutisch fit sind, aber mit der modernen Warenwirtschaft etwas auf Kriegsfuß stehen. Also werfen sie ihr Apothekersein in die Waagschale und vertreten den Inhaber durch bloße Präsenz. Kein Wunder, dass PTA, die den Laden in der Zeit schmeißen und dafür weniger Geld bekommen, das nicht nur super finden. Zumal es sogar Agenturen gibt, die Apotheker a.D. suchen und vermitteln. Die Alternative, erfahrenen PTA Vertretungsrechte einzuräumen, trifft aber ebenso auf Kritik. Ein schwieriges Thema.

Im Alltag gibt es hunderte Entscheidungen, die PTA am HV-Tisch selbst treffen. Zum Beispiel, welches Nasenspray sie dem Kunden mit der schweren Männergrippe empfehlen. Manche Inhaber machen hierzu Vorgaben, weil sie bestimmte Produkte mögen oder bestimmte Konditionen, aber in der Mehrzahl der Apotheken können die Angestellten sich frei entfalten. Ist ein Ergebnis der großen APOSCOPE-Erkältungsmarktstudie 2017/2018, die in der kommenden Woche erscheint.

Verschnupft ist auch Saarlands Kammerpräsident Manfred Saar. In einem wirklich humoristischen Beitrag bei PlusMinus zeigt er seinem staunenden Team im Rahmen der obligatorischen Leiterschulung, was eine Leiter ist, und was es beim Sprossengang unbedingt zu beachten gilt. Safety first!

Berufsbedingt auf Sicherheit bedacht ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Die geht nur mit Security in die Apotheke, was aber nichts mit dem Unmut der Apotheker zu tun hat. Dann schon eher mit irgendwelchen braunen Jägern, die sich Volk und Vaterland zurückholen wollen. Wobei ein Apotheker aus Dorfchemnitz meint, die AfD wäre eine ganz normale Partei. Vielleicht hätte er etwas anderes gesagt, wenn er selbst Security hätte. Kollegen in Frankfurt sind da schon weiter.

Hier können Sie sehen, wie die Kollegen das Wahlergebnis analysieren. Zwar glauben die meisten an Jamaika, versprechen sich aber andererseits nicht zu viel davon. Von der Regierungsfraktion in die Opposition gespült hat es Karl Lauterbach. Aber das wird ihm gar nichts ausmachen, denn sein Mandat überhaupt zu verteidigen, war eine große Wahlkampfleistung. Da hat es Jens Spahn (CDU) im Münsterland naturgemäß leichter. Aber auch er kann sich feiern, hat er doch als einer der wenigen in seiner Partei bei der Wahl an Stimmen zugelegt. Mal sehen, wo er nach der neuen Regierungsbildung sitzt.

Einen Stuhl am Kabinettstisch behalten wird vermutlich Hermann Gröhe (CDU). Er hat zwar in Neuss sein Direktmandat mit Stimmenverlust verteidigt, aber Nordrhein-Westfalen wird mindestens einen Platz im Kabinett Merkel IV beanspruchen. Die Apotheker werden die Daumen drücken, dass Gröhe ihnen erhalten bleibt und nicht Grüne oder FDP den neuen Gesundheitsminister stellen. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik.

Fest steht, dass zehn Ärzte im neuen Bundestag sitzen. Und eine Apothekerin: Sylvia Gabelmann für Die Linke. Sie findet, dass ihre Kollegen zu wenig Widerstand geleistet haben. Das ist doch ein schöner Appell zur neuen Legislaturperiode. Denn dass sich die Regierungsbildung aller Wahrscheinlichkeit hinziehen wird, gereicht DocMorris & Co. zum Vorteil. Shop-Apotheke und Europa Apotheek haben nicht ohne Grund zum zweiten Mal geheiratet.

Awinta trennt sich dagegen. Von der Nachtaxe. Denn mit Testrezepten kann man auch Unsinn anstellen und das will das Softwareaus aus steuerlichen Gesichtspunkten lieber ganz abstellen. Vielleicht ein bisschen übervorsichtig. Etwas untervorsichtig waren vielleicht die Parodont-Macher. Jedenfalls hat ein Apotheker die Firma abgemahnt, nachdem diese ihr Zahngel in der Höhle der Löwen beworben (und verkauft) hatte. Mal sehen, ob, wie und wann das Produkt in die Apotheke zurückkommt. Schönes Wochenende!

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