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Nach Treppensturz: Apotheker muss schließen

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Berlin -

Die St. Maternus-Apotheke in Ürzig schließt zum Ende des Monats für immer. Der Apotheker leidet nach einem Treppensturz an einem Schädel-Hirn-Trauma. Ein halbes Jahr haben Vertretungsapotheker das Unternehmen über Wasser gehalten – nun ist Schluss.

Die Genesung des Apothekers Martin Schulz-Fincke schreitet langsam voran, bis spätestens zum Ende des Jahres will er wieder fit sein. Trotzdem zieht er gemeinsam mit Ehefrau Heike Schulz-Fincke, die in Alf ebenfalls eine Apotheke betreibt, jetzt die Notbremse. „Mein Mann kann die Apotheke derzeit nicht alleine führen“, sagt Schulz-Fincke. „Wir haben einen angestellten Approbierten gesucht, aber niemanden gefunden.“ Es gab nur einen Interessenten: „Er kam leider nicht zum vereinbarten Vorstellungsgespräch.“

Dass kein Nachfolger gefunden wurde, liegt zum einen an der Kurzfristigkeit des Vorhabens, zum anderen aus Sicht der Apothekerin an der Einstellung gerade junger Kollegen: „Die wollen heute alle ihre Life-Work-Balance und neben der Apotheke sollen gleich der Pub, das Kino und das Theater sein.“ Das ist auf dem Land natürlich illusorisch. „Es ist sehr schön hier, Ürzig ist ein staatlich anerkannter Ferienort.“ Weitere Vorteile des Landlebens sieht sie ebenfalls: „Man bezahlt hier 500 Euro Miete für ein ganzes Haus, dafür bekommt man in der Stadt vielleicht ein möbliertes Zimmer. Es ist eine ganz andere Lebensqualität hier. Außerdem verdient man mehr an der Apotheke als in einer Stadt-Apotheke.“

Nachdem klar war, dass die Genesung nach dem Unfall fast ein Jahr in Anspruch nehmen würde, entschieden die beiden Apotheker: Gesundheit geht vor – das Schicksal der St. Maternus-Apotheke ist damit nach mehr als 100 Jahren besiegelt. Dabei handelt es sich um eine Dorf-Apotheke, die gut läuft: „Es ist keine kleine Klitsche, sie ernährt ihren Betreiber sehr gut. Es ist ein gut geführter Betrieb“, sagt die Apothekerin. Ürzig hat zwar nur rund 900 Einwohner, aber das Einzugsgebiet ist groß. Und im Ort gibt es eine Doppel-Ärztepraxis – gute Voraussetzungen also.

Der Apotheker ist 63 Jahre alt, vor dem Unfall dachte er noch nicht an Rente. „In so einer Situation sieht man das Leben plötzlich unter ganz anderen Gesichtspunkten“, erklärt Schulz-Fincke, „was vorher vielleicht wichtig war, ist es nun nicht mehr. Irgendwann in den vergangenen Wochen haben wir gesagt, dass es jetzt einfach gut ist.“ Das Haus, in dem sich die Apotheke befindet, gehört dem Ehepaar. Es besteht aus dem Ladengeschäft und zwei Wohnungen. „Auch ein anderes Gewerbe wäre hier denkbar.“ Sollte sich wider Erwarten doch noch ein Interessent finden, ist die Apothekerin einer kurzfristigen Verkaufslösung gegenüber nicht abgeneigt: „Bis zum 31. März um 12 Uhr kann noch eine Entscheidung fallen.“ Last minute, es geschehen ja manchmal kleine Wunder.

Die Apothekerin ist voll des Lobes für den Personalvermittler Flying Pharmacist: „Sie haben vom Tag des Unfalls bis heute Hervorragendes geleistet“, sagt sie, „alles hat toll funktioniert, ich musste nur die Buchhaltung der Apotheke machen.“ In Alf, einem ebenfalls kleinen Wein- und Urlaubsort an der Mosel, betreibt sie die Adler-Apotheke. „Ich bin 61 Jahre alt und plane noch nicht aufzuhören“, sagt sie, „unsere Tochter ist 22 und studiert Pharmazie. Ich will ihr die Möglichkeit geben, zu entscheiden, ob sie die Apotheke eines Tages übernehmen möchte oder nicht.“

Bedarf wäre jedenfalls vorhanden. „In den vergangenen zehn Jahren haben im Umkreis fünf Apotheken geschlossen, die meines Mannes ist die sechste“, erzählt Schulz-Fincke. Dennoch sei die Versorgung der Bevölkerung nicht gefährdet: „Das ist keine Situation, in der wir sagen: Oh, Gott. Wir haben den Botendienst sehr ausgeweitet, er ist agiler als ein Botendienst in der Stadt. Die Menschen hier sind es gewöhnt, dass sie in der Apotheke anrufen, wenn sie zu krank sind, um selbst zu kommen. Dann wird eben geliefert, wir sind den ganzen Tag unterwegs. Viele Ältere wohnen allein, ihre Kinder leben in der Stadt. Rheinland-Pfalz ist eben ein Bundesland mit viel ländlichem Gebiet, die Botendienste der Apotheken funktionieren hier sehr gut.“ Künftig wird ihr Radius eben noch ein bisschen größer: „Niemand wird ohne Versorgung sein.“

Das größere Problem sei das Ärztesterben in der Gegend: „Viele waren oder sind im Rentenalter, geben ihre Praxen auf, weil sie keine Nachfolger finden. Früher oder später macht dann auch die Apotheke zu.“ Die fünf Mitarbeiterinnen der St. Maternus-Apotheke in Ürzig sind versorgt: „Zwei sind 64 Jahre alt und haben beschlossen, mit Ende der Apotheke in Rente zu gehen. Die anderen drei werden künftig in meiner Apotheke in Alf arbeiten.“

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