Nachtdienstgedanken

Abnehmen im Notdienst

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Berlin -

Die Temperaturen steigen und der Frühling ist zum Greifen nah: Auch Sarah Sonntag möchte nun etwas gegen den Winterspeck tun und versucht es mit Intervallfasten. Eine für den Notdienst ungeeignete Methode, wie sich herausstellt.

Es ist Sonntagabend, kurz vor 21 Uhr: Sarah stellt sich ihre letzte Mahlzeit des Tages zurecht, Joghurt mit verschiedenem Obst. „Ist das alles?“, fragt Max erstaunt. „Jepp, heute Nacht werden keine Kekse genascht oder Pizza bestellt“, antwortet sie überzeugt. Max kann dem Schlankheitswahn so gar nichts abgewinnen. „Ihr macht euch alle nur verrückt“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Naja, du als Fantaschale hast wohl kaum Probleme mit deiner Figur“, argumentiert Sarah. „Stimmt, ich habe immer eine schmale Taille und breite Schultern.“ Als Sarah den Joghurt genüsslich verspeist hat, lehnt sie sich zufrieden zurück. Kurz darauf geht die Klingel.

Vor der Klappe steht eine junge Frau. „Ich möchte gerne Abführtee kaufen und geben sie mir bitte auch noch etwas, das schnell wirkt, mit.“ Sarah hakt nach und möchte wissen, ob sie öfter Probleme mit der Verdauung habe. „Jaja, ich kenne das schon. Geben sie mir bitte einfach, was ich haben möchte.“ Die junge Frau ist dürr, nahezu ausgemergelt: Schnell ist Sarah klar, dass sie versucht, auf diese Weise Kilos zu verlieren. Alle Aufklärungsversuche scheinen zwecklos zu sein.

„Geben sie es mir jetzt oder nicht? Das ist genau der Grund warum ich sonst im Internet bestelle, da werden wenigstens keine blöden Fragen gestellt“, raunzt die Kundin. Sarah ist schockiert über soviel Ignoranz und Unverständnis. Sie gibt ihr die Abführmittel schließlich mit. „Warum hast du das getan?“, fragt Max vorwurfsvoll. „Sie wäre sonst zur nächsten Notdienstapotheke gefahren und hätte es sich ohnehin besorgt.“ Leider sind viele Kunden mit solchen Problemen resistent gegen Beratungen. Dafür ist die anonyme Bestellung im Internet natürlich ideal: schnell, einfach, ohne unangenehme Fragen.

Die Klingel steht an diesem Abend nicht still. Als nach Mitternacht etwas Ruhe einkehrt, lässt sich Sarah aufs Sofa sacken. „Na Sarah, ein paar Kekse zur Nervenstärkung?“, grinst Max hämisch. Doch Sarah bleibt eisern. „Wie viele Stunden noch bis zur nächsten Mahlzeit?“, hakt Max nach. „Nur noch zwölf“, antwortet Sarah zähneknirschend. „Das schaff ich schon.“ Zum Glück lockt Ablenkung und der nächste Kunde steht hilfesuchend vor der Klappe.

„Entschuldigung, hätten sie vielleicht eine Packung Taschentücher für mich?“, schmatzt es Sarah entgegen. Der junge Mann gegenüber beißt genüsslich in seinen Döner und hält ihr dann die verkleckerten Hände entgegen. Sarah kann es nicht fassen. Dennoch läuft ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie geht zur Schublade und holt die Taschentücher. Während sie unterwegs ist, hat sich der Duft von Knoblauch und Zwiebeln schon in der gesamten Offizin verteilt. Als sie die Klappe schließt, stampft sie mürrisch ins Büro. „Schokolade?“, fragt Max. Sarah verdreht die Augen und schnauft laut.

Der Notdienst stellt sich als denkbar schlechte Zeit für das Intervallfasten heraus. „Normalerweise esse ich meinen Joghurt und gehe dann wenig später schlafen“, erklärt Sarah. Dass ihr das Fasten in dieser Nacht so große Probleme bereiten würde, hatte sie nicht erwartet. Doch die Konzentration und der Schlafmangel verlangen ihr einiges ab. Die 16 Stunden Fastenpause kommen ihr vor wie eine Ewigkeit und jede Stunde wird zur Qual. Statt Kaffee mit Milch und Zucker gibt es in dieser Nacht nur ungesüßten Tee und Wasser. „Nur noch neun Stunden“, seufzt Sarah, bevor sie erschöpft auf dem Sofa einnickt.

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