OTC-Ausnahmeliste

Otovowen: Oral und Ohr

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Berlin -

Um auf die OTC-Ausnahmeliste zu kommen, müssen Hersteller die Zweckmäßigkeit ihres Präparats nachweisen. Weber & Weber versucht auf gerichtlichem Wege, mit seinem homöopathischen Komplexmittel Otovowen dem Erstattungsausschluss zu entkommen. Was oral eingenommen wird, kann kein Otologikum sein, so die Argumentation.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte Otologika 2008 wegen Unwirtschaftlichkeit aus dem GKV-Leistungskatalog gestrichen. Mittel- und Innenohrentzündungen seien durch externe Applikation nicht behandelbar, da die entsprechenden Präparate nicht in die Paukenhöhle eindrängen, hieß es zur Begründung. Ausgenommen wurden Antibiotika und Kortikosteroide; 2011 kam Ciprofloxacin zur lokalen Anwendung bei chronisch eitriger Entzündung des Mittelohrs mit Trommelfelldefekt hinzu.

Angesichts der Begründung fühlte man sich bei Weber & Weber auf der sicheren Seite. Otovowen falle nicht unter den Verordnungsausschluss der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie, weil es als oral einzunehmendes Arzneimittel gar kein Otologikum darstelle. In der Roten Liste werde das Präparat seit Anfang 2013 auch nicht mehr in der Hauptgruppe „Otologika“, sondern in der Hauptgruppe „Antiphlogistika“ geführt.

Ohne Erfolg hatte der Hersteller bereits 2009 versucht, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Aussage verbieten zu lassen, der Verordnungsausschluss für Otologika beziehe sich auch auf oral zu applizierende Arzneimittel. Doch auch mit seiner Klage gegen den G-BA scheiterte das Unternehmen jetzt vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG).

Entscheidend für die rechtliche Einstufung seien nicht die Kategorien der Roten Liste, sondern die amtliche, vom Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebene ATC-Klassifikation. Hier sei Otovowen in die Gruppe S02DH20 eingegliedert: „S“ stehe dabei für Sinnesorgane, die Untergruppe „S02“ für Otologika allgemein und „S02DH“ für homöopathische und anthroposophische Otologika. „S02DH20“ schließlich weise das Arzneimittel der Gruppe der homöopathischen und anthroposophischen Otologika in Kombinationen zu.

Ohnehin sei unter einem Otologikum allgemein ein Arzneimittel zur Behandlung von Ohrenleiden zu verstehen – unabhängig von der Applikationsart. Spezifisch für eine „Zubereitung zur Anwendung am Ohr“ sei alleine der Fachbegriff Auricularium.

Hätte der G-BA bei seinem Beschluss nur lokal anzuwendende Präparate im Blick gehabt, hätte er dies aus Sicht eindeutig dokumentiert, so wie beispielsweise bei oralen Antidiabetika oder topischen Antirheumatika geschehen. Die systematische Auslegung der Anlage III zeige, dass der Verordnungsausschluss für Otologika Ohrenheilmittel aller Applikationsformen – und damit auch Otovowen – umfasse, weil er nicht ausdrücklich auf bestimmte Applikationsformen beschränkt sei, so die Richter.

Weber & Weber hatte hilfsweise versucht, den Beschluss als Ganzes zu kippen – ebenfalls ohne Erfolg: Dass die Unzweckmäßigkeit seit Inkrafttreten des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) „erwiesen“ sein muss, führt aus Sicht der Richter nicht dazu, dass alle älteren Beschlüsse nichtig werden. Dass der G-BA zusätzlich Ciprofloxacin aufgenommen habe, sei gerade keine Verschärfung und damit ebenfalls nicht als Anlass für eine Neubewertung zu verstehen.

Schlussendlich habe Weber & Weber versäumt, den therapeutischen Nutzen von Otovowen nachzuweisen. Die einzige vorgelegte Studie habe lediglich eine primär naturheilkundliche Strategie unter Einsatz von Otovowen mit einer konventionellen Therapie verglichen und sei methodisch mangelhaft.

In den Leitlinien zur akuten Mittelohrentzündung würden Otologika als Therapieoption durchweg nicht ausdrücklich empfohlen. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) stelle zwar die homöopathische Behandlung bei der unkompliziert verlaufenden Otiotis media als „den etablierten medikamentös-interventionellen Ansätzen ebenbürtig“ dar. „Hieraus kann indessen keine Schlussfolgerung auf die Zweckmäßigkeit von Otovowen gezogen werden, denn die von der DEGAM-Leitlinie zum Beleg zitierten Veröffentlichungen betreffen durchweg nicht Otovowen, sondern homöopathische Einzelmittel“, heißt es im Urteil.

Außerdem haben Hersteller von Homöopathika laut LSG keinen Anspruch darauf, geringere Anforderungen an den Nachweis der Zweckmäßigkeit eingeräumt zu bekommen. Zwar müsse der G-BA der therapeutischen Vielfalt Rechnung tragen; auch bei den besonderen Therapierichtungen seien aber das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie die Qualitätssicherung zu beachten.

„Eine Begünstigung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen mit der Folge, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, widerspräche den gesetzlichen Vorgaben“, so die Richter mit Verweis auf ähnliche Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu Monapax und Vertigoheel.

Otovowen enthält Aconitum napellus Dil. D6 0,075 ml, Capsicum annuum Dil. D4 0,075 ml, Chamomilla recutita Ø 0,225 ml, Echinacea purpurea Ø 0,75 ml, Hydrargyrum bicyanatum Dil. D6 0,075 ml, Hydrastis canadensis Dil. D4 0,075 ml, Iodum Dil. D4 0,075 ml, Natrium tetraboracicum Dil. D4 0,075 ml, Sambucus nigra Ø 0,225 ml sowie Sanguinaria canadensis Ø 0,075 ml. Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittel-Bildern ab. Dazu gehören laut Fachinformation Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung und Schnupfen. Weber & Weber hat bereits beim Bundessozialgericht Berufung eingelegt.

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