Niederlande

Alliance: Zwei Wochen Chaos

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Berlin -

Softwarefehler mit großen Folgen: Der niederländische Ableger des Pharmagroßhändlers Alliance Healthcare konnte Medikamentenbestellungen über zwei Wochen hinweg nur verzögert oder gar nicht bearbeiten. Betroffen waren 200 Apotheken im ganzen Land. Sie mussten ihre Kunden in andere Apotheken schicken oder um Tage vertrösten.

„Ende Mai haben wir ein Upgrade unserer Automatisierungssysteme vorgenommen“, erläutert ein Sprecher. „In diesem Zuge haben wir eine Reihe von Anpassungen in unserer Liefersoftware vorgenommen. Vor der Implementierung haben wir die Systeme gründlich getestet, die Fehler tauchten dann im Live-Betrieb auf. Die Bestellungen konnten erst mit zeitlicher Verzögerung im System verarbeitet werden, auch die Lieferungen gingen mit Verzögerung raus.“

Etwa 10 Prozent aller Apotheken in den Niederlanden waren von den Ausfällen betroffen. Eine Apotheke in Amsterdam berichtete dem niederländischen Nachrichtensender BNR Nieuwsradio von chaotischen Zuständen über Wochen hinweg. Eine Apotheke in Apeldoorn meldete, ihre Kunden hätten zum Teil mehr als eine Stunde warten müssen, bis sie bedient werden konnten. Die meisten Apotheken verfügten nicht über große Vorräte. Da die Nachlieferungen ausblieben, seien viele Arzneimittel nicht mehr verfügbar gewesen. Manche Apotheken hätten bei anderen Großhändlern bestellt oder sich Medikamente bei befreundeten Kollegen besorgt, um ihre Kunden im Notfall schnell zu versorgen. Aber es sei auch vorgekommen, dass eine Hilfe gar nicht möglich gewesen sei.

Nicht zum ersten Mal habe es Probleme mit der Medikamentenversorgung gegeben, sagte Dianda Feldman, Vorsitzende der niederländischen Patientenvereinigung, dem Radiosender. „Die Apotheken binden sich in der Regel nur an einen Großhändler, das ist für sie das einfachste. Wir raten ihnen, auch mit anderen Großhändlern Verträge abzuschließen, damit es zu so einem Engpass gar nicht erst kommt. Oder mit ein Notfallnetzwerk mit anderen Kollegen oder Lieferanten aus der Region aufzubauen. Nur so bekommt der Patient sein Medikament, sobald er es braucht.“

Zwei Wochen brauchte die IT-Abteilung von Alliance, um die Probleme wieder in den Griff zu kriegen. „Mittlerweile haben wir beinahe wieder den Servicelevel erreicht, den unsere Apotheken von uns gewohnt sind“, sagt der Sprecher. „Wir können uns nur herzlich bei unseren Kunden entschuldigen. Das war auch für uns eine äußerst unangenehme Situation.“

Wie der deutsche gehört auch der niederländische Zweig von Alliance Healthcare zu Walgreens Boots Alliance (WBA). In den Niederlanden betreibt der Konzern selbst etwa 60 Boots-Apotheken. Unter der Marke Alphega finden sich 130 selbstständige Apotheken wieder. Bis zur Umbenennung firmierten die Kettenapotheken unter den Namen „De Vier Vijzels“, die Kooperation unter der Marke Kring. Boots war um die Jahrtausendwende mit einem ersten Ausflug in die Niederlande gescheitert.

Knapp 600 der insgesamt 2000 Apotheken im Land gehören zu Brocacef – als Filiale oder Franchisenehmer. Das Gemeinschaftsunternehmen von Phoenix und Celesio hatte vor einem Jahr das Geschäft des Konkurrenten Mediq übernommen.

In den Niederlanden gibt es seitdem faktisch nur noch drei wesentliche Anbieter im Pharmahandel. Dritter Anbieter neben den Großkonzernen ist die Genossenschaft Mosadex, die nach eigenen Angaben auf einen Marktanteil von einem Viertel kommt. 650 Apotheken machen demnach bei der hauseigenen Kooperation mit.

Insgesamt sind von den rund 1800 niederländischen Apotheken rund 700 in Kettenbesitz. Das Mehrbesitzverbot war in den Niederlanden bereits 1987 gefallen; gleichzeitig hatte die Regierung der vermeintlich willkürlichen Niederlassungspolitik der Königlichen Pharmazeutischen Gesellschaft (KNMP) einen Riegel vorgeschoben.

Seit 1992 können außerdem Krankenversicherer individuelle Verträge mit Apotheken abschließen; seit 1999 können auch Nichtpharmazeuten Apotheken betreiben.

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