Großhandelskonditionen

Gutachter streiten um Apothekenrabatte

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Berlin -

Der Großhandel ist gespalten und der Kampf um die Deutungshoheit des „Skonto-Paragrafen“ läuft auf Hochtouren. Schon im April könnten sich je nach Lesart des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) die Vorzeichen im Markt maßgeblich ändern – und damit die Konditionen der Apotheker. Der Phagro hat sich ein Rechtsgutachten schreiben lassen, hält das aber noch unter Verschluss. Auf der anderen Seite hat AEP sich mit einem Gutachten munitioniert, dass Skonti als eindeutig unabhängig von der Rabattfrage klassifiziert und sogar die 70-Cent-Sperre in Zweifel zieht.

Das TSVG ist beschlossen und tritt mit Ausnahmen am Tag Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Im Kern geht es in dem Gesetz nicht um Apothekenfragen. Der Gesetzgeber will aber in diesem Zuge auch klarstellen, dass die Großhändler aus dem fixen Teil ihrer Vergütung in Höhe von 70 Cent keine Rabatte an die Apotheken weitergeben dürfen. Für den Konditionenwettbewerb soll nur der variable Teil von 3,15 Prozent der Marge zur Verfügung stehen. Die Politik reagiert damit auf die vom Bundesgerichtshof (BGH) im ersten Skonto-Prozess angeregte Klarstellung.

Für den Phagro ist damit klar, dass auch Rabatte und Skonti zusammen nicht mehr als jene 3,15 Prozent betragen dürfen. Zu diesem Schluss kommt auch das Gutachten, dass der Großhandelsverband bei der Kanzlei Gleiss Lutz in Auftrag gegeben hat. Der Wortlaut des Gesetzes stützt demnach den Zweck des Festzuschlags: Der Großhandel soll eine ausreichende Vergütung bekommen, um die flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. In der neugefassten Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sei verbindlich bestimmt, dass der Festzuschlag „zu erheben ist“ – und nicht, wie in der bislang gültigen Fassung, „erhoben werden kann“.

Soweit zumindest der Inhalt des Gutachtens, wie es der Phagro selbst beschreibt. Denn wie die hier vereinten Großhändler ihre Position konkret juristisch unterfüttern, ist nicht bekannt. Das Gutachten wird vom Phagro noch unter Verschluss gehalten, dem Vernehmen nach will man es zunächst in Gesprächen mit der Politik einbringen.

Offenbar wurden noch nicht einmal die Mitgliedsfirmen bislang mit dem Gutachten versorgt. Umso spannender wird es sein wie Phoenix, Noweda, Gehe, Alliance Healthcare und die Privaten auf das Gesetz reagieren werden. Denn bei der strengen Auslegung, die mutmaßlich im Phagro-Gutachten formuliert wird, dürfte so manche Kondition nicht mehr zulässig sein.

AEP auf der anderen Seite ist aufgrund des schlichten Konditionenmodells auf die Gewährung von Skonti angewiesen. Zwar rümpft die Branche immer noch die Nase über den „Newcomer“, dessen Bilanzen auch nach fünf Jahren alles andere als rosig seien: In den letzten beiden veröffentlichten Bilanzen wurde jeweils ein Millionenverlust ausgewiesen, zuletzt für 2017 rund 3,7 Millionen Euro. Andererseits erschwert der Konkurrent mit dem Zentrallager den anderen Großhändlern die Kommunikation gegenüber den Apothekern. Denn wenn Skonti erlaubt und möglich sind, warum können dann nicht alle dabei bleiben?

Genau das behauptet AEP und hat seinerseits den Rechtsanwalt Bernhard Koch-Heintzeler mit einem Gutachten beauftragt. Ein Kernargument: Ein Rabatt ist eine Preiskonditionen, Skonto eine Zahlungskondition. In der überarbeiteten Begründung habe der Gesetzgeber genau das klargestellt und unterscheide nunmehr eindeutig zwischen Rabatt und Skonto. Damit sei klar, dass Skonti auch dann zulässig seien, wenn der Großhändler damit unter dem Strich weniger einnehme als den Herstellerabgabepreis zuzüglich 70 Cent. Koch-Heintzeler stellt in seinem Gutachten zudem die Frage in den Raum, ob eine Preisuntergrenze überhaupt verfassungskonform sein kann.

Angesichts der unterschiedlichen Gutachten wird der Markt entscheiden, wie er auf das TSVG reagiert. Sehr wahrscheinlich wird es dann einen neuen Skonto-Prozess geben, an dessen Ende der BGH entscheidet, wie der Paragraf zu verstehen ist. Im schlimmsten Fall erklärt er den Gesetzestext erneut für nicht eindeutig und fordert eine Nachbesserung – dann wäre der Gesetzgeber reichlich blamiert.

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