Bundestagswahl

Rx-Versandverbot: Union bröckelt

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Berlin -

Bislang schien die CDU/CSU relativ geschlossen hinter dem Rx-Versandverbot von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu stehen. Inzwischen mehren sich aber die Zweifel. Beim Bürgerabend zeichnete der CDU-Kandidat für den Berliner Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf, Klaus-Dieter Gröhler, ein anderes Bild: „Es gibt diese und jene Auffassungen in der Unionsfraktion. Wir sind nicht so furchtbar festgelegt.“ Er selbst habe sich eines Besseren belehren lassen und sei vom Rx-Versandverbot wieder abgerückt.

„Ich habe meine Sicht der Dinge noch nicht richtig fixiert“, sagte Gröhler zum Auftakt einer Diskussionsveranstaltung. Unter dem Motto „Welche Zukunft haben Apotheken?“ hatte er den Berliner Verbandschef Dr. Rainer Bienfait und DocMorris-Vorstand Max Müller eingeladen. Gröhler, der sich im Bundestag gewöhnlich um Haushalt und Verbraucherschutz kümmert, hatte in den letzten Wochen – wie viele Parlamentarier – mehr als 1000 Bürgerbriefe zur Diskussion um das Rx-Versandverbot erhalten, viele davon von DocMorris initiiert. Aber auch Apotheker hätten ihm ihre Existenzsorgen geschildert, so Gröhler.

„Jetzt haben sie die einmalige Chance, mir bei meiner Meinungsbildung zu helfen und mir dabei zuzusehen“, leitete Gröhler die Diskussion ein, „ich schwanke noch.“ Bis vor Kurzem sei er noch ein 100-prozentiger Anhänger der Position der Apothekerschaft gewesen. Nachdem er sich näher mit den Argumenten der Versandhändler beschäftigt habe, seien bei ihm Zweifel entstanden.

Gute zwei Stunden später war Gröhler ein Stück weiter ins Lager der Versandapotheken gerückt: „Meine Zweifel am Rx-Versandverbot haben sich bekräftigt und verfestigt“, sagte der CDU-Politiker. Auf die Frage, ob er damit vom gemeinsamen Wahlprogramm der Union abrücke, blieb Gröhler vage: „Das will ich so nicht sagen.“ Neben der Partei Die Linke haben nur CDU und CSU die Forderung nach einem Rx-Versandverbot ins Wahlprogramm geschrieben.

„Aber es gibt ja noch Koalitionsverhandlungen“, relativierte Gröhler die Festlegungen des Wahlprogramms. „Und die Fraktion muss das dann umsetzen. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“ Ein schnelles Rx-Versandverbot sei „für beide Seiten nicht hilfreich“, fasste Gröhler zum Ende der Diskussion zusammen. Man müsse auf andere Weise das Apothekensystem mit einem „Gesamtpaket“ stabilisieren. Gröhler: „Ein einfaches Verbot, dann ist gut, ist nicht der richtige Weg.“ Bundestagsabgeordnete seien nur ihrem Gewissen verpflichtet, antwortete Gröhler auf die Frage, wie er mit seiner abweichenden Position im kommenden Bundestag umgehen werde.

Gröhler kandidiert erneut im Wahlkreis Charlottenburg- Wilmersdorf. Vor vier Jahren gewann er das Direktmandat mit 37,1 zu 31,5 Prozent gegen den SPD-Kandidaten. Jetzt tritt dort gegen ihn der populäre Musikproduzent, Journalist und Autor Tim Renner an. Renner war von 2014 bis 2016 im Berliner Senat Staatssekretär für Kultur. Das Rennen könnte knapper ausgehen.

In der zweistündigen Diskussion tauschten Bienfait und Müller zunächst die hinlänglich bekannten Argumente aus. Bienfait betonte, dass der Rx-Versandhandel mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens „nichts zu tun“ habe: „Da ist nichts elektronisch, kein Internet.“ Alles laufe analog: Der Patient gehe zum Arzt, erhalte ein Papierrezept, schicke dieses anschließend mit der Post zur Versandapotheke und erhalte ein paar Tage später sein Arzneimittel vom Paketboten. Bis zum Urteil des EuGH habe es zwischen Versandhandel und Vor-Ort-Apotheken so gut wie keine Probleme gegeben, sagte Bienfait.

Müller unterstrich, dass CDU und CSU 2004 der Einführung des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ausdrücklich zugestimmt hätten. Nur weil die Apotheker gegen die Vereinbarung von DocMorris mit der Deutschen Parkinsonvereinigung (DPV) geklagt hätten, sei das EuGH-Urteil ergangen: „Dafür tragen sie die Verantwortung.“ Der Versandhandel stelle im Übrigen mit seinem Marktanteil von 1,3 Prozent für die Vor-Ort-Apotheken keine Bedrohung dar. Dies belegten alle vorliegenden Daten, so Müller: „Für einen Boni verlässt niemand seine Stammapotheke, wenn er mit ihr zufrieden ist.“ Die meisten Apotheken müssten schließen, weil sie keinen Nachfolger fänden.

Dann wurde es hitzig: Bienfait berichtete von einem Vorstandskollegen aus dem Berliner Apothekerverein, zu dem ein Patient gekommen sei mit einer Tüte voller Arzneimittel. Die habe er wegen der Boni im Versandhandel bestellt, benötige diese aber nicht und wolle sie in der Apotheke abgeben. „Unfassbar“, so Bienfait, „wir wollen keinen Wettbewerb über Boni haben.“

Das sei „Schlammschlachtniveau“, keilte Müller verbal zurück und ließ sich nicht lange bitten: Da könne er das Beispiel des Bottroper Apothekers bringen, der aus Habgier sterbenskranke Menschen mit seinen gepanschten Zytostatika „vergiftet“ habe. Er habe nicht nur mehr über die Kontroverse über den Rx-Versandhandel gelernt, versuchte Gröhler die Gemüter zu beruhigen: „Ich sehe, nicht nur in der Politik wird mit harten Bandagen gekämpft.“

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