Pharmahandelskonzerne

Phoenix hat geheime Verehrer

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Berlin -

Zum Jahresbeginn stehen für viele Apotheker entscheidende Gespräche an: die Konditionenverhandlungen mit dem Großhandel. Phoenix ist häufig Vorturner der Branche. Und 2016 könnten die Gespräche mit den Vertrieblern aus Mannheim besonders spannend werden. Denn dem Vernehmen nach gibt es einen Interessenten, der den letzten verbliebenen europäischen Pharmahändler übernehmen würde – wenn der seinen Marktanteil in Deutschland noch ein bisschen erhöht.

Auf dem deutschen Heimatmarkt ist Phoenix an der Spitze, der Marktanteil liegt bei etwas über 28 Prozent. In Folge des AMNOG und der Offensive der Noweda war Phoenix zwischenzeitlich auf 25 Prozent abgestürzt, hatte sich aber wieder zurück gekämpft – was fast ausschließlich über bessere Konditionen für die Apotheker möglich ist.

Laut Konzernchef Oliver Windholz lag Phoenix im vergangenen Jahr sogar über dem Wert von vor der Krise. 28 Prozent wolle man nachhaltig halten, kündigte Windholz im Frühjahr an – immerhin war der Konzern vor 25 Jahren weit über einem Drittel gestartet. Und diese Zahl belebt anscheinend andernorts die Fantasie: Sollten die Mannheimer ihren Marktanteil wieder auf mehr als 30 Prozent hieven können, gäbe es dem Vernehmen nach einen Interessenten.

Auf den ersten Blick erscheint eine Übernahme logisch, nachdem sich Walgreens mit Alliance Boots zusammengetan hat und McKesson mit Celesio. Der Pharmahandel konsolidiert sich global. Die handelnden Akteure sehen das als geradezu zwangsläufige Reaktion auf die immer größeren Einheiten auf Herstellerseite mit jährlich neuen milliardenschweren Übernahmen. Man will „big to big“ verhandeln. McKesson hat nach der Celesio-Übernahme gegenüber Herstellern beim Skonto schon einmal die Muskeln spielen lassen. Und Walgreens Boots Alliance (WBA) hat – gemeinsam mit dem US-Großhändler AmerisourceBergen (ASB) – Kickback-Vereinbarungen mit der Industrie schon länger für sich entdeckt.

Gegen diese Player ist Phoenix mit knapp 23 Milliarden Euro Gesamtumsatz schon fast ein Leichtgewicht. Das muss nicht grundsätzlich ein Problem sein, zumal die Synergieeffekte aus den Übernahmen durchaus hinterfragt werden. Das kann sich allerdings ändern, wenn die schmerzhaften Lernprozesse bei den US-Konzernen abgeschlossen sind.

Und es gibt auf der anderen Seite des Atlantiks noch andere große Player, die sich für den deutschen und gesamteuropäischen Pharmahandelsmarkt interessieren könnten. Geradezu aufzudrängen scheint sich die Fusion mit Cardinal Health. Der Konzern mit Hauptsitz in Dublin, Ohio, ist nach der ersten Globalisierungsrunde – als einziger der Big Three neben McKesson und ASB – in den USA ohne transatlantisches Bündnis geblieben, genauso wie Phoenix in Europa.

Auch die nötige finanzielle Manövriermasse kann vorausgesetzt werden: Cardinal ist etwa fünfmal so schwer wie Phoenix und hat zu Hause seine Hausaufgaben gemacht. 2013 jagte der Konzern dem Konkurrenten McKesson die Megakette CVS als Großkunden ab.

Doch bislang hat Phoenix kein Interesse an Gesprächen mit Cardinal gezeigt. „Wir brauchen keine globale Partnerschaft“, sagte Windholz' Vorgänger Reimund Pohl schon 2013. Mit der Präsenz in 23 Ländern sei Phoenix der einzige paneuropäische Pharmahändler, der eine Flächendeckung erreiche. „Wir fühlen uns in Europa so stark aufgestellt wie kein anderer“, so Pohl. Das war eine Reaktion auf die beiden großen Übernahmen in der Branche.

Doch es gibt auf der anderen Seite des Atlantiks einen weiteren Konzernchef, der mehr als nur ein geheimer Verehrer von Phoenix ist: Stefano Pessina. Der Italiener hatte schon 2009 öffentlich Interesse an Phoenix bekundet. Das könnte zwar seinerzeit noch ein Bluff gewesen sein. Mittlerweile wäre der Italiener aber zumindest theoretisch in der Lage, über ASB ohne kartellrechtliche Probleme zum Zuge zu kommen.

Denn beim US-Großhändler ist WBA als Eigentümer von 5 Prozent der Aktien fest an Bord – bis zu 25 Prozent kann der Kettenkonzern laut Partnerschaftsvereinbarung einsammeln. Damit sind beide Konzerne formal voneinander unabhängig – und Pessina könnte als Meister der Allianzen doch noch zum „König der Arzneimittel“ aufsteigen.

Neben diesen beiden möglichen Interessenten aus der Branche kämen womöglich auch ganz andere Kreise in Betracht. Mit dem Generikariesen Teva soll Phoenix vor einigen Jahren gesprochen haben. Und auch Finanzinvestoren könnten eine Chance wittern, den europäischen Markt für einen strategischen Investor „aufzubereiten“.

Ob Phoenix grundsätzlich zu Gesprächen bereit wäre, steht auf einem anderen Blatt. Der deutsche Branchenprimus steht aktuell wieder gut da. Insgesamt hat die Branche auch im vergangenen Jahr Boden gut gemacht. Aus Perspektive von Inhaber Ludwig Merckle gibt es keinen offensichtlichen Grund, sich von Phoenix zu trennen, zumal das Familienunternehmen mit seiner Diversifikation in Europa ein spannendes Projekt bleibt. Mit „Phoenix One“ hat der Konzern gerade erst ein ganzheitliches Dienstleistungsangebot vorgestellt, das Herstellern den Eintritt in die kleineren Märkte ermöglichen soll – bis hin zum Endkunden.

Unverkäuflich ist der Großhändler aber nicht, wie sich 2009 zeigte. Weil Firmengründer Adolf Merckle plötzlich in Finanznot zu sein schien, kürzten die Banken im Dezember 2008 die Kreditlinien um 350 Millionen Euro. Dem Konzern drohte Anfang 2009 die Zahlungsunfähigkeit – Phoenix wurde in das Stillhalteabkommen mit den Merckle-Gläubigerbanken einbezogen.

Da stand Phoenix kurz vor dem Verkauf – ausgerechnet an McKesson. Die Gespräche mit dem US-Großhändler sollen damals sehr weit fortgeschritten gewesen sein. Doch dann konnte die Merckle-Gruppe den Generikahersteller Ratiopharm zu einem guten Preis an Teva verkaufen. Zusammen mit der Kapitalerhöhung bei HeidelbergCement war der Befreiungsschlag gelungen. Der Phoenix-Deal platzte. Es hätte Beobachtern von damals zufolge aber leicht auch ganz anders kommen können.

Seitdem ist die Botschaft aus Mannheim klar: Phoenix wird gehalten. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Merckle seither auf der Suche nach einem Käufer gewesen wäre. Der Preis für den Großhändler müsste wohl schon extrem gut sein, damit auf überhaupt Gesprächsbereitschaft entsteht.

Dass der Großhändler aber aktuell offenbar viel daran setzt, den eigenen Marktanteil zu erhöhen, befeuert zumindest die Spekulationen im Markt. Phoenix scheint gewillt, höhere Umsätze mit Rabatten auch gut zu bezahlen. Während die Branche im vergangenen Jahr kollektiv auf die Bremse getreten hat, könnte jetzt der nächste Angriff auf Marktanteile folgen. Und dann könnte in Mannheim ein Telefon klingeln.

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