Repetitorium Diabetes

Kortison: Gefahr für den Blutzucker

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Berlin -

Eine hartnäckige Entzündung oder eine chronische Krankheit: Sehr viele Menschen müssen – kurz- oder längerfristig – Präparate mit Glukokortikoiden einnehmen. Bei Diabetikern muss dabei besonders aufgepasst werden: Als Gegenspieler des Insulins kann Kortison zu schwerwiegenden Entgleisungen des Stoffwechsels führen. Der Blutzuckerspiegel muss daher engmaschig kontrolliert werden. Auch Risikopatienten ohne manifesten Diabetes können betroffen sein.

Fall: Eine langjährige Stammkundin kommt mit einem Rezept über Prednisolon 10 mg in die Apotheke. Sie ist Typ-2-Diabetikerin und erhält seit Langem Metformin 1000 mg. Die Kundin ist eine lebenslustige, deutlich übergewichtige Frau, die heute allerdings gedrückter Stimmung ist. Auf Nachfrage berichtet sie, dass der Hausarzt ihr die Kortisontabletten wegen ihrer Gelenkschmerzen verschrieben habe. Diese beeinträchtigten sie schon seit Längerem, in den letzten Tagen sei es so schlimm geworden, dass sie zum Arzt gegangen sei. Auf die Frage, ob sie mit der Diabetes-Medikation gut zurechtkomme, antwortet die Kundin, dass sie insgesamt wenig Probleme habe. Der Blutzuckerspiegel sei ab und zu leicht erhöht, aber die Metformin-Tabletten vertrage sie gut und hoffe, nicht so schnell Insulin spritzen zu müssen.

Analyse: Die Einnahme von Glukokortikoiden muss bei Diabetikern mit einer genauen Kontrolle des Blutzuckers verbunden werden. Wenn die Patienten über einen längeren Zeitpunkt Kortison-Präparate einnehmen müssen, kommt es immer zu Schwankungen des Blutzuckerspiegels. Das ist gut nachvollziehbar, denn Glukokortikoide sind ein Gegenspieler des Insulins und haben je nach Stärke der Dosis diabetogene Effekte: Kortikoide vermindern die Insulinsensitivität des Gewebes, regen die Glukoneogenese an und reduzieren die Glukoseverwertung. Dieser Effekt ist bei den verschiedenen Glukokortikoiden unterschiedlich ausgeprägt; bei Prednisolon scheint diese Wirkung am stärksten zu sein. Ein Einsatz von systemischen Glukokortikoiden birgt also immer die Gefahr, dass der Blutzuckerspiegel nicht ausreichend unter Kontrolle ist.

Auch bei Menschen ohne Diabetes können Probleme auftreten. Neben den gut bekannten Nebenwirkungen des Cushing-Syndroms entwickelt sich bei 10 bis 40 Prozent der Patienten unter einer Langzeittherapie eine spezielle Form des sogenannten Typ-3-Diabetes, der „Kortison-induzierte Diabetes mellitus“. Dabei ist das Risiko umso größer, je höher die Dosis und je länger die Therapiedauer sind. Besonders gefährdet sind Patienten, die adipös sind, eine familiäre Vorbelastung oder einen Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1C) über 5,7 Prozent haben. Die Krankheit kann nach Absetzen der Kortisongabe von allein wieder verschwinden. Oft stellt sich unter längerer Dauer einer Kortison-Behandlung wieder eine normale Glukosetoleranz ein.

Kommunikation: Die Kundin sollte zunächst befragt werden, wie lange die Kortisontherapie vorgesehen ist und ob der Arzt plant, den Blutzucker engmaschig zu kontrollieren. Sofern eine mehrwöchige Therapie angedacht ist, kann man der Patientin anbieten, die Blutzuckermessungen gemeinsam durchzuführen und zu analysieren. Ein Tagebuch zur Dokumentation kann dabei eine wertvolle Hilfe und ein gern angenommenes Angebot sein. In jedem Fall sollte die Kundin darauf vorbereitet werden, dass Schwankungen des Blutzuckerspiegels vor allem zu Beginn der Behandlung möglich sind.

Um dem entgegenzuwirken, kann die Kundin auch ohne Medikation etwas tun. Der Patientin kann auch in der Apotheke noch einmal deutlich gemacht werden, dass eine gesunde Ernährung und Bewegung beim Typ-2-Diabetes eine deutliche Verbesserung der Stoffwechsellage hervorrufen kann. Sofern in der Apotheke selbst eine Ernährungsberatung angeboten wird, kann dies eine wertvolle Hilfe für die Patientin sein.

Therapie: Je nach Ergebnis der Blutzuckermessungen muss möglicherweise die Metformin-Dosis erhöht werden, um wieder physiologische Werte zu erreichen. Alternativ kann dem Arzt auch der Umstieg auf ein anderes Kortison-Präparat vorgeschlagen werden, welches weniger Einfluss auf die Blutglucose hat. Sollte sich trotzdem kein zufriedenstellender Blutzuckerspiegel einstellen, kann gegebenenfalls auf das Spritzen von Insulin umgestiegen werden.

Topisch angewandte Steroide beeinflussen die Blutglukose in der Regel übrigens nicht. Bei der Inhalation von Glukokortikoiden, zum Beispiel bei Asthma oder chronisch-obstruktiver Bronchitis (COPD), sollte jedoch der Blutzucker kontrolliert werden. Nach den Ergebnissen einer kanadischen Studie liegt das Risiko bei 34 Prozent, durch die Inhalation Diabetes zu entwickeln.

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