Frankfurt-Tragödie

Fake-News-Attacke auf Spahn

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat bereits mehrfach mit Äußerungen in Interviews und in sozialen Netzwerken Zorn auf sich gezogen. So schien wohl ein Tweet des CDU-Politikers vielen, die es glauben wollten, als Beleg für seine vermeintliche Kaltschnäuzigkeit: Darin hatte er den Tod eines achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof in Zusammenhang mit der von ihm geforderten Masern-Impfpflicht gebracht. Doch Spahn stellt sich dem entgegen: Denn der Tweet ist eine Fälschung und eine besonders perfide noch dazu.

Jens Spahn mag es kontrovers. Dass er für Statements angefeindet wird, ist der streitbare Politprofi gewöhnt. Doch normalerweise hat er diese Äußerungen zumindest getätigt. Momentan hingegen muss sich der 39-Jährige gegen eine vermeintliche Botschaft wehren, die er gar nicht selbst verfasst hat. Wie viele seiner Kollegen ist er offenbar Opfer eine gezielten Fake-News-Attacke geworden.

Die Tat von Frankfurt – bei der ein Mann ein achtjähriges Kind vor einen Zug gestoßen hat – zeige einmal mehr, dass die öffentliche Wahrnehmung in Bezug auf die Kriminalität von „Nichtdeutschen“ sehr angespannt sei, heißt es da. Und weiter: „Dabei sollte man aber ganz nüchtern betrachtet einmal feststellen, dass wesentlich mehr Kinder 2019 an Masern verstorben sind, als bei Unfällen mit Zügen.“ Deshalb finde er es „wichtig und richtig, dass wir im Bundesministerium für Gesundheit das Gesetz zur Impfpflicht gegen Masern auf den Weg gebracht haben“.

Und direkt danach legt der Minister vermeintlich nochmal nach: „So traurig dieser Unfall auch sein mag, lasst uns dabei nicht vergessen, das Kinder an Krankheiten sterben, die man verhindern kann.“ Auch solle man zum jetzigen Zeitpunkt noch keine voreiligen Schlüsse über den Hergang ziehen. „Meine Gedanken sind bei den Flüchtlingen, die jetzt wieder Tag für Tag abwertende Blicke von Einheimischen kassieren und um die an Bahnhöfen ein großer Bogen gemacht wird.“

Der Post ging in sozialen Medien auf einschlägigen Seiten wie dem „Deutschen Depeschenreiter“ herum und provozierte die üblichen Kommentare. Auch AfD-Politiker sprangen bereits darauf an: Die bayerische AfD-Politikerin Ina Buchmann verlangte von Spahn, er solle „wegen dieser unfassbaren Äußerung sofort zurücktreten“. Sollte sie wirklich geglaubt haben, der Post sei echt, hätte sie allerdings zweimal nachdenken sollen, bevor sie auf das vermeintliche Spahn-Statement reagiert.

Denn mit nur wenig Denkarbeit lässt sich der Post als das enttarnen, was er ist: eine Fälschung. Zum einen ist er mit rund 700 Zeichen ohnehin viel zu lang für einen Tweet, Twitter hat eine Zeichenbeschränkung von 280 Zeichen. Ein Blick auf den frei zugänglichen Twitter-Account Spahns bezeugt überdies, dass er am 29. Juli – dem Tag des Tweets – nichts veröffentlicht wurde. Es wäre auch schwer vorstellbar, dass der Tweet eines Bundesministers zu dem Thema zwei Tage unentdeckt bleibt. Auch an zahlreichen technischen Details kann man ohne Fachwissen erkennen, dass der Post mindestens dubios ist. So ist der Fließtext pixelig und beim Datum, dem 29. Juli, wurde offensichtlich auch etwas nachgeholfen. Ein Original gab es schließlich mangels Posts an diesem Tag nicht. Ganz abgesehen von der inhaltlichen Ebene: Erstens entspricht die Ausdrucksweise nicht gerade der eines Ministers, zweitens ist Jens Spahn auch bisher nicht dadurch aufgefallen, sich dermaßen emotional für die Belange Geflüchteter einzusetzen.

Mittlerweile hat er sich aber auch selbst über den dreisten Fake entrüstet gezeigt. Es handele sich um eine Fotomontage mit einem gefälschten Zitat von ihm, teilte er über Twitter mit. „Der entsetzliche Tod eines Kindes wird so für Stimmungsmache und Fake Nerws genutzt“, schreibt er auf dem Kurznachrichtendienst. „Das ist besonders perfide und plump.“

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