Opposition beklagt zu spätes Handeln

Kölner Gesundheitsamt verteidigt Vorgehen nach Todesfällen

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Berlin -

Am Dienstag kam es zu einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Kölner Rathaus. Thema war das Handeln des Gesundheitsamtes nach den Todesfällen durch ein verunreinigtes Glukosegemisch aus der Heilig-Geist-Apotheke. Gesundheitsdezernent Harald Rau verteidigte die Maßnahmen des Amtes. Nicht einverstanden zeigte er sich hingegen mit der Entscheidung des NRW-Gesundheitsministeriums, alle drei Apotheken des betroffenen Apothekers Till Fuxius zu schließen.

Vor dem Ausschuss sagte Rau: „Wir sind weiterhin sehr sicher in unserer Abwägung, dass wir verhältnismäßig, angemessen und in richtiger Einschätzung der Gefahrenlage reagiert haben.“ Die Opposition im Stadtrat hatte die Sondersitzung des Gesundheitsausschusses beantragt. Die Politiker sind der Meinung, dass die Stadt nicht schnell und effizient genug gehandelt hätte.

Mehrere Ratsmitglieder merkten kritisch an, dass eine offizielle Warnung an die Bevölkerung erst am Montag herausgegeben wurde. Die Todesfälle waren dem Gesundheitsamt jedoch schon am Freitag bekannt. „Wir hatten bis Montagnachmittag keinen Hinweis darauf, dass mit dieser Glukose etwas nicht stimmt“, begründete Rau das mehrtägige Zögern des Amtes. Eine erste Prüfung habe keine Auffälligkeiten bei der Glukose gezeigt.

Ein rechtsmedizinisches Gutachten am Montag habe dann ergeben, dass ein toxischer Stoff in die Glukosemischung gelangt war. „Erst mit dieser Erkenntnis konnten wir eingreifen“, so Rau. Die Sondersitzung im Kölner Rathaus wird nicht die einzige zu den Todesfällen in Köln bleiben. Am Mittwochnachmittag kommt der Gesundheitsausschuss des NRW-Landtages zusammen. Hier wird Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklären müssen, warum die Apotheken erst drei Tage nach Bekanntwerden der Todesfälle geschlossen wurden.

Rau hingegen bleibt bei seiner Meinung, dass die Schließung aller drei von Fuxius geführten Apotheken überzogen war: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es ausreicht, dem Apotheker das Herstellen oder Abfüllen von Medikamenten zu untersagen.“ Da Versorgungsengpässe drohten, erlaubte das NRW-Gesundheitsministerium den Apotheken jedoch zumindest, Pflegeheime weiter zu beliefern.

Das Ministerium begründete den Schritt mit der nötigen „Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“ und den bestehenden Versorgungsverträgen mit den Pflegeheimen. Diese ließen sich nicht ohne weiteres auf andere Apotheken übertragen. Die Arzneimittel werden fortan von einem Unternehmen, das diese im Lohnauftrag patientenindividuell verblistert, in die Apotheke geliefert. Dort werden sie umverpackt und an die jeweiligen Pflegeheime ausgeliefert.

Dieses Vorgehen werde unter strengen behördlichen Auflagen durchgeführt, hieß es vom NRW-Gesundheitsministerium. Durch das Vier-Augen-Prinzip, engmaschige stichenprobenhafte Kontrollen und umfassende Dokumentationspflichten soll die Sicherheit der Heimbewohner garantiert werden.

Unterdessen regt sich Kritik gegen das Verfahren, Glukoselösungen als standardmäßigen Test auf Schwangerschaftsdiabetes zu verwenden. „Das Umfüllen des Glukosepulvers ist ein mehrfach fehleranfälliger Prozess“, sagte Heinke Adamczewski, Vorstandsmitglied der „Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Schwangerschaft“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft, im Interview mit Spiegel Online. „Selbst, wenn man lange und gründlich rührt, kann ein Bodensatz im Gefäß zurückbleiben.“

Derartige Fehlerquellen würden die Testergebnisse verfälschen und zu falschen Diagnosen führen. An einen Todesfall wie den in Köln habe sich die Arbeitsgemeinschaft dabei noch gar nicht vorstellen können. Als Alternative zum Glukosetest schlug Adamczewski einen industriell hergestellten Fertigsirup vor. Dieser sei zwar für die Krankenkassen teurer als die Glukosemischung. Es sei aber an der Zeit, dass die Kassen, die „seit Jahren die Warnungen und Bedenken der Fachgesellschaften in den Wind geschlagen haben“, für die Schwangeren einstehen. Die Sicherheit werdender Mütter und ihrer Kinder müsse der Gesellschaft diese vier Euro mehr wert sein, so Adamczewski.

Eine junge Mutter und ihr ungeborenes Kind waren nach der Einnahme eines Glukosegemischs aus der Heilig-Geist-Apotheke in Köln gestorben. Die Mordkommission der Kölner Staatsanwaltschaft kann derzeit weder ein Versehen noch Vorsatz ausschließen.

Nachdem die Heilig-Geist-Apotheke zunächst geöffnet blieb und dem Inhaber Fuxius nur untersagt wurde, selbst hergestellte Arzneien zu vertreiben, wurde der Betrieb am Donnerstag geschlossen. Auch die Contzen-Apotheke und die Apotheke am Bilderstöckchen, die ebenfalls von Fuxius geführt werden, mussten ihren Betrieb einstellen. Die Maßnahme des NRW-Gesundheitsministeriums ist umstritten.

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