Arzneimittelausgaben

Linke fordern Preisbremse

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Berlin -

Die Ausgaben für Arzneimittel müssen nach Ansicht der Linksfraktion wirksamer begrenzt werden. Die Preise für Medikamente seien in den vergangenen Jahren explodiert. Dies zeige, dass die AMNOG-Reform von Union und FDP aus dem Jahr 2010 den Anstieg der Kosten nicht erkennbar habe abschwächen können, heißt es in einem Antrag der Fraktion. Verantwortlich dafür macht die Arzneimittelexpertin der Linksfraktion Kathrin Vogler neue, innovative Arzneimittel etwa zur Behandlung von Hepatitis C.

Die Linksfraktion führt an, dass die Ausgaben der Krankenkassen für Fertigarzneimittel seit Inkrafttreten des AMNOG von 29 auf 36,3 Milliarden Euro gestiegen seien. „Den Löwenanteil des Anstiegs verursachen die neuen, patentgeschützten Arzneimittel – also gerade diejenigen, deren Preise durch das AMNOG gesenkt werden sollten“, so der Antrag.

Hier sei der Umsatz von 12,3 auf 15,9 Milliarden Euro gestiegen. Das entspreche einem Anstieg von 29,3 Prozent in nur vier Jahren. Die Linksfraktion beruft sich auf den Arzneiverordnungsreport 2017. Allein für Krebsmedikamente seien die GKV-Ausgaben von 2011 bis 2016 um 41 Prozent angewachsen: „Für immer mehr Präparate verlangen die Pharmakonzerne für die Therapie pro Patientin oder Patient mehrere zehntausend Euro im Jahr, teilweise sogar weit über 100.000 Euro.“ Zwar hätten praktisch alle EU-Staaten mit steigenden Preisen für neue Arzneimittel zu kämpfen. „Doch das AMNOG vermochte es nicht, die Preise für neue Arzneimittel in Deutschland auch nur auf europäisches Durchschnittsniveau zu senken“, kritisiert die Linksfraktion.

Es kämen zudem teure Arzneimittel auf den Markt, die nicht nur keinen therapeutischen Mehrwert besäßen, sondern sogar schlechter wirkten oder weniger verträglich sein könnten als bewährte Mittel. So habe der Hersteller Pfizer für das Brustkrebsmittel Ibrance nach Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) keinen Zusatznutzen im Vergleich zur Standardtherapie belegen können. Allerdings seien schwere Nebenwirkungen erheblich häufiger aufgetreten. „Wir haben insgesamt keine positiven Ergebnisse gefunden, sondern nur negative”, zitiert die Linksfraktion in ihrem Antrag Dr. Thomas Kaiser vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG).

Trotzdem müssen die Krankenkassen in Deutschland im ersten Vermarktungsjahr den vom Hersteller frei festgelegten Preis zahlen: Eine Packung Ibrance mit 21 Tabletten koste 5429,89 Euro, eine Jahrestherapie circa 66.000 Euro. „Trotz der fragwürdigen Auswirkungen hat der Konzern bis zum Sommer 2017 allein mit dem neuen Präparat weltweit etwa 853 Millionen US-Dollar Umsatz erzielt“, so die Linksfraktion.

Nicht nur zum Patientennutzen, auch zu den Ausgaben für Forschung und Entwicklung und den vom Hersteller festgelegten Listenpreisen für patentgeschützte Arzneimittel gebe es keinen erkennbaren Zusammenhang. Der Deutsche Ärztetag habe 2016 in einer Entschließung gefordert, die „derzeit freie, ausschließlich am Markt orientierte Preisfestlegung für Arzneimittel im ersten Jahr nach der Markteinführung durch den pharmazeutischen Unternehmer“ abzuschaffen.

Neben der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung leide auch die Behandlungsqualität unter den extremen Arzneimittelpreisen. Verschiedene europäische Staaten seien dazu übergegangen, teure Medikamente besonderen Behandlungsfällen vorzubehalten. Auch in Deutschland werde immer wieder berichtet, dass Ärzte bei teuren Arzneimitteln aus Angst vor Regressen zurückhaltend verordnen. Diese „stille Rationierung“ bedeute eine schlechtere Versorgungsqualität, die auch auf die Preisgestaltung zurückzuführen sei.

Die Linke fordert nun konkret, dass bei neuen Medikamenten der ab dem zweiten Vermarktungsjahr fällig werdende Rabatt rückwirkend schon im ersten Jahr gilt. Zudem müsse sichergestellt werden, dass die gesetzliche Vorgabe, den therapeutischen Zusatznutzen zur Grundlage für den Erstattungspreis zu machen, nachprüfbar eingehalten werde. Auch die Kosten für Forschung und Entwicklung müssten bei den Preisverhandlungen überprüfbar berücksichtigt werden. Schließlich sollte die von Union und SPD 2014 abgeschaffte Nutzenbewertung von Medikamenten aus dem Bestandsmarkt wieder aufgenommen werden. Auf europäischer Ebene sollte ein Nutzenvergleich zur Standardtherapie Bestandteil der Arzneimittelzulassung werden.

Im Zeitraum Januar bis August 2017 erhöhten sich die GKV-Arzneimittelausgaben nach Angaben des Deutschen Apothekerverbands (DAV) um 3,1 Prozent, während die Zahl der Rezepte um 1 Prozent zurückgegangen ist. Im August gaben die Kassen für Arzneimittel 2,9 Milliarden Euro aus. Im gesamten Zeitraum Januar bis August 23,1 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 3,1 Prozent. Damit liegt der Ausgabenanstieg immer noch im zwischen Kassen und Ärzte vereinbarten Korridor von 3,3 Prozent.

Zuletzt hatte die Techniker Krankenkasse (TK) vor einem Kostenschub durch neue Arzneimittel gewarnt. Bereits 2015 hätten sich die durchschnittlichen Preise für neue Arzneimittel verdoppelt. Im letzten Jahr sei der durchschnittliche Preis pro Packung noch einmal um etwa 1000 Euro auf rund 2500 Euro gestiegen, und die Umsätze der neuen Arzneimittel im Jahr nach der Markteinführung hätten sich fast verfünffacht. Im aktuellen TK-Innovationsreport kann die teuerste Therapie sogar Kosten von bis zu 1,2 Millionen Euro pro Patient verursachen.

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) prangert die amerikanische Pharmafirma Gilead an: Mehr als jeder zweite Euro der medikamentösen Therapie von Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit einer HIV-Erkrankung antfalle auf Gilead. Das Robert Koch-Institut schätze, dass über 65.000 HIV-Infizierte eine antiretrovirale Therapie in Deutschland bekämen. Insgesamt habe die GKV 2016 laut WIdO rund 945 Millionen Euro für die Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten ausgegeben. Die Preise für HIV-Arzneimittel hätten sich in den letzten 30 Jahren versiebenfacht.

„Spitzenreiter ist die amerikanische Firma Gilead, die in Deutschland zum größten Anbieter für Medikamente gegen HIV-Erkrankungen geworden ist. Mit pharmatypischen Schachzügen hält sie den aufkommenden Preiswettbewerb von Generika-Konkurrenten klein und ihren Gewinn hoch“, so Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. Dazu kommt: „Neue, patentgeschützte Produkte von Gilead konnten ihre Überlegenheit gegenüber den bewährten Mitteln bisher nicht belegen, vielmehr können ihre Nebenwirkungen den Patienten sogar zusätzlich schaden.“

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