BMG-Datenaffäre

Ermittlungen zu schwarzen Kassen bei der ABDA

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Berlin -

Bei der Staatsanwaltschaft Berlin hat es – offenbar im Zusammenhang mit der Datenaffäre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – ein Verfahren gegen Verantwortliche der ABDA wegen des vermeintlichen „Führens schwarzer Kassen“ gegeben. Das hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der heutigen Verhandlung preisgegeben. Dieses Verfahren wurde aber eingestellt. Die Ermittler haben offenbar versucht, diesen Umstand aus der Akte herauszuhalten. Sie wussten laut Verteidigung von Beginn an, dass auch das Verfahren wegen vermeintlichen Datendiebstahls auf tönernen Füßen steht.

Mit der Morgenpost habe er vier weitere Leitz-Ordner vom Landeskriminalamt (LKA) erhalten, berichtete der Staatsanwalt zu Beginn des 19. Verhandlungstages. Immer noch sind nicht alle Akten im Prozess zusammengetragen. In den neuen Dokumenten gibt es eine Vorgangsnummer, die nicht direkt zum Verfahren gegen den ehemaligen IT-Mitarbeiter des BMG und den heutigen Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, Thomas Bellartz, passt. Laut dem Staatsanwalt hatte das Verfahren „das Führen schwarzer Kassen bei der ABDA zum Gegenstand“.

Er habe die Akte – wiederum mehrere Leitzordner – angefordert, könne aber noch keine Details liefern, so der Staatsanwalt. Der Richter fragte nach, ob es Durchsuchungen in diesem Zusammenhang gegeben habe. Dies konnte der Staatsanwalt noch nicht bestätigen. Das Verfahren sei allerdings schon vor längerer Zeit eingestellt worden – kein Tatverdacht.

Auch Bellartz Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner von der Kanzlei Krause & Kollegen hatte in den Akten Hinweise zu diesem weiteren Ermittlungsverfahren gefunden. Er rügte, dass dieses bislang nicht Eingang in das Verfahren gefunden habe. Zumindest die aus dem Umfeld der ABDA befragten Zeugen hätten im Rahmen ihrer Vernehmung darauf hingewiesen und entsprechend belehrt werden müssen, so Wegner. Der ehemalige ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf und Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz waren sogar konkret auf schwarze Kassen angesprochen worden. Beide hatten dies klar verneint.

Die Ermittler hatten offenbar versucht, das Verfahren gezielt aus der Akte heraus zu halten. Darin findet sich eine Vereinbarung zwischen einem LKA-Beamten und der Staatsanwältin im ABDA-Fall, dass die beiden Verfahren strikt getrennt werden sollen. Gleichzeitig sollte ein regelmäßiger Informationsaustausch stattfinden.

Da die Ermittlungen gegen die ABDA ohne Eröffnung einer Hauptverhandlung eingestellt wurden, ist davon auszugehen, dass die Polizei keine schwarzen Kassen bei der ABDA gefunden hat. Das wiederum würde Bellartz entlasten, der laut Anklage ja für Informationen aus dem BMG bezahlt haben soll.

Zu dem offenbar parallel gelaufenen Ermittlungsverfahren gegen die ABDA hatte auch der Chefermittler der Polizei in seiner Vernehmung eine entsprechende Andeutung gemacht. In der Verhandlung zum mutmaßlichen Datenklau wurde das bislang nicht thematisiert. Die ABDA war auch 2012 nicht durchsucht worden.

Immer noch fehlen Wegner zufolge Akten, worüber mittlerweile auch der Vorsitzende Richter seinen erheblichen Unmut zum Ausdruck gebracht habe. Wegner hat bereits mehrfach eine Aussetzung des Verfahrens beantragt. Das Gericht will gegebenenfalls beim nächsten Termin am Donnerstag darüber entscheiden.

Doch schon die bisherige Sichtung der nunmehr aufgetauchten E-Mails aus den Ermittlerkreisen hat für die Verteidigung Interessantes zum Vorschein gebracht. So hatte die Staatsanwaltschaft die Telefonüberwachung des zunächst anonymen Hinweisgebers untersagt – die Ermittler selbst hätten vermutet, dass der Informant eine Straftat nur vortäusche. Später stellte sich heraus, dass es sich um den neuen Lebensgefährten der Ex-Frau des Angeklagten H. gehandelt hat, die tatsächlich bei anderer Gelegenheit der Falschaussage überführt wurde. Zwischen BMG und den Ermittlern wurde offen über eine Bezahlung der Zeugin gesprochen.

Und auch sonst hat Wegner Zweifel am Vorgehen der Behörden. Dass sich Ermittler intern als „OiBE“, also „Offizier im besondere Einsatz“ und damit als Stasi-Mitarbeiter bezeichneten, ist aus Sicht der Verteidigung schlichtweg ein „Skandal“. „So sehen sich die ermittelnden Polizisten des LKA Berlin also selbst?“, fragte Wegner. Dagegen sei investigativer Journalismus eher wie ein Kindergeburtstag. Man solle dieses Verfahren jetzt besser schnell abschließen, damit die Berliner Polizei über ihr „eigenwilliges Traditionsbewusstsein“ nachdenken könne.

Das betrifft auch die Vernehmungen der beiden Angeklagten. Laut den Akten sollten beide bei der Befragung „das Komplettprogramm“ bekommen. Zu Bellartz heißt es in den Akten, dass der sich bestimmt nicht ohne Anwalt äußern werde. Bei H. hoffte der Ermittler darauf, dass er ihn „zu einem ‚Gespräch‘ motivieren kann…“. Der leitende Ermittler hatte schon in seiner Vernehmung angedeutet, dass ein Kollege bei der Festnahme von H. wohl etwas zu intensiv vorgegangen sei.

Ein Grund könnte gewesen sein, dass die Ermittler ihren Erkenntnissen selbst nicht trauten. Am 10. Oktober 2012 habe ein Polizist festgehalten, dass man aktuell keinen belastbaren Hinweis habe, dass überhaupt eine Straftat vorliege, so Wegner. Nur sechs Tage später beantragte das LKA bei der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungs- und Oberservationsbeschluss mit der Begründung, dass „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen, dass der Beschuldigte „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ begangen hat.

Im gesamten Verlauf des Verfahrens hätten die Ermittler ausweislich der bislang gesichteten Korrespondenz versucht, die erheblichen Lücken zu kaschieren: So wurde ein Zeuge des BMG, der im Prozess auch bereits ausgesagt hat, als „gut für uns“ bezeichnet. An anderer Stelle wird ein Sachverhalt als „nicht so gut für den Tatbestand” gewertet.

Das BMG wird intern kritisiert, „zu wenig” zu tun und „schleunigst” nacharbeiten zu müssen. Verhandlungen mit dem Ministerium werden als „sehr zäh” bezeichnet. „Willkommen im Behördendschungel”, schrieb ein Ermittler an einen anderen.

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