Keine Rabattverträge, keine Exporte

Lieferengpässe: Linke will Direktgeschäft abschaffen

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Berlin -

Aufgrund der nicht abreißenden Meldungen über Lieferengpässe diskutiert die Große Koalition über Maßnahmen im Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG). Morgen findet dazu eine Anhörung im Gesundheitsausschuss statt. Die Linksfraktion hat jetzt dazu ebenfalls ein Positionspapier vorgelegt und fordert darin unter anderem eine Bevorratungspflicht bei Herstellern, die Abschaffung der Rabattverträge und eine Exportkontrolle.

Der Maßnahmenkatalog der Linksfraktion umfasst neun Punkte: Im Rahmen der EU-rechtlichen Möglichkeiten werden die Hersteller auf konkrete Vorkehrungen verpflichtet, eine „angemessene und kontinuierliche Belieferung in Deutschland“ zu gewährleisten. Im Fall von Engpässen sollen die Hersteller nicht nur Bußgelder zahlen müssen. Es sollen auch Zwangslizenzen vergeben werden können. Bei Mehrkosten sollen Patienten Regressansprüche geltend machen können.

Die Linksfraktion will die Hersteller zudem zur Bevorratung mit essentiellen und engpassbedrohten Arzneimitteln verpflichten. Analog zur französischen Regelung sind Lagerreserven für eine Versorgung über zwei bis vier Monate denkbar. Für die Hersteller soll eine Meldepflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingeführt werden. Lieferengpässe sind demnach den Krankenhausapotheken, den Landesapothekerkammern sowie den Landesärztekammern bekannt zu machen. Für denkbar hält die Linksfraktion eine Implementierung in die Praxis-, Klinik- und Apothekensoftware.

„Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern werden abgeschafft“, laute die vierte Forderung im Positionspapier. Zur Regulierung der Arzneimittelpreise bei Generika sei stattdessen das Festbetragssystem zu schärfen. Die Absenkung der Festbeträge solle so erfolgen, dass die Zahl der Hersteller, die die Arzneimittel zu diesem Preis anbieten, noch eine hohe Versorgungsicherheit gewährleistet. Ist ein Arzneimittel nicht lieferbar, soll die Apotheke erweiterte Befugnisse für den Arzneimittelaustausch erhalten.

Arzneimittelexporte durch Großhändler inklusive Apotheken mit Großhandelserlaubnis will die Linksfraktion überwachen lassen. Diese müssen dem BfArM elektronisch angezeigt werden. „Der Export von Arzneimitteln durch Großhandel und Apotheken mit Großhandelserlaubnis im Falle drohender oder bestehender Engpässe wird untersagt, falls er nicht auf eine Einzelverordnung hin erfolgt“, so das Papier.

Der Verbleib von Arzneimitteln, die von den Herstellern in den deutschen Handel gebracht werden, müsse für die Überwachungsbehörden nachvollziehbar sein. Dafür soll die Lieferkette vom Hersteller über den vollversorgenden Großhandel zur Apotheke oder zum Krankenhaus gestärkt werden. Einführen will die Linksfraktion dazu eine elektronische Anzeigepflicht, falls zusätzliche Handelsstufen wie Zwischenhandel oder Arzneimittelvermittler beteiligt sind. Der Direktvertrieb vom Hersteller an die Apotheke soll auf begründete Einzelfälle begrenzt werden. Umgehend beendet werden soll die Förderung des Parallel- und Reimports von Arzneimitteln: „Die Förderklausel ist so mitverantwortlich für Versorgungsengpässe in anderen Staaten und seine Streichung ist eine Frage der Solidarität.“

Auf EU-Ebene soll sich die Bundesregierung für ein konzertiertes Vorgehen bei der Feststellung und Bekämpfung drohender oder bestehender Lieferengpässe einsetzen. Aufgebaut werden müsse ein EU-weites Meldesystem für Lieferengpässe. Zudem sollten Maßnahmen beraten werden, wie die Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion in der EU gefördert werden können.

„Jahrelang ignorierte die Bundesregierung Lieferengpässe bei Arzneimitteln und sträubte sich beharrlich, den Arzneimittelhersteller verpflichtende Auflagen zu machen. Die nun zum FKG beigelegten Änderungsanträge sind völlig unzureichend. Die Linke fordert zur Bekämpfung von Lieferengpässen als einzige Fraktion konkrete Sanktionen für die Industrie, abgeleitet auch aus dem bereits heute im Arzneimittelrecht gesetzlich festgelegten Sicherstellungsauftrag sowie die völlige Abschaffung der Rabattverträge“, so Sylvia Gabelmann, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Linksfraktion.

Die Gesundheitspolitiker von Union und SPD haben zum FKG bereits Änderungsanträge mit fünf Vorschlägen vorgelegt. Apotheker sollen künftig Rabattarzneimittel nach 24-stündiger Lieferunfähigkeit gegen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen können. Die Vertragspartner des Rahmenvertrags hätten eine bedarfsgerechte Versorgung mit rabattierten Arzneimitteln sicherzustellen, heißt es in der Begründung zur erweiterten Austauschbarkeit: „Das derzeitige Verfahren zur Abgabe rabattierter und preisgünstiger Arzneimittel kann zu einer erheblichen Belastung der Apotheken führen.“ Der Zeitaufwand, der mit der wiederholten Verfügbarkeitsabfrage durch die Apotheken beim Großhandel verbunden sei, könne auch eine verzögerte Versorgung der Patienten zur Folge haben.

„Nach Ablauf von 24 Stunden werden deshalb die Apotheken berechtigt, ein anderes wirkstoffgleiches, auch nicht rabattiertes Arzneimittel abzugeben. Das abzugebende Arzneimittel darf nicht teurer sein als das verordnete Arzneimittel“, heißt es weiter. Weitere Einzelheiten zur Abgabe und Abrechnung seien zwischen Krankenkassen und DAV festzulegen – es kommt also auf die genaue Formulierung im Rahmenvertrag an.

Bei Defekten eines Rabattarzneimittels darf die Apotheke zwar eine Sonder-PZN nutzen, die Abgaberangfolge wird aber nicht außer Kraft gesetzt. Sie muss so lange durchlaufen werden, bis ein abgabefähiges Arzneimittel ermittelt wurde. Für jeden einzelnen Rabattpartner sind je zwei Nichtverfügbarkeitsnachweise beim Großhandel einzuholen und zu dokumentieren. Dann darf die Apotheke eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise einen preisgünstigen Import abgeben; fehlen auch diese, darf das nächstpreisgünstige verfügbare Arzneimittel abgegeben werden. Jedoch dürfen die Präparate nie teurer als das verordnete sein.

Erweitert werden die Kompetenzen des BfArM. Der dort angesiedelte Jour Fixe zu Lieferengpässen soll zu einem Beirat ausgebaut werden. Regelmäßig erörtern in Bonn Vertreter der Herstellerverbände, des Großhandels, der Ärzte- und Apothekerschaft sowie Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sowie von BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sowie der für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Landesbehörden Maßnahmen, um versorgungsrelevante Lieferengpässe zu vermeiden oder deren Auswirkungen abzumildern. „Dieses Gremium wird nunmehr als Beirat im Arzneimittelgesetz geregelt und erhält den gesetzlichen Auftrag einer Beobachtung und Bewertung der Versorgungslage“, so der Änderungsantrag.

Hierzu gehöre insbesondere die Bewertung der Versorgungsrelevanz eines Lieferengpasses unter Berücksichtigung möglicher bestehender Therapiealternativen. Für versorgungsrelevante Fragen sollten auch der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Beirat vertreten sein. Für die Bundesoberbehörden werde eine „Befugnisnorm“ geschaffen, um geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Hierbei berücksichtigen die Bundesoberbehörden die Bewertungen des Beirates: „Abhängig vom Einzelfall und von der Bedeutung des Engpasses für die Versorgung kommen hier unterschiedliche Maßnahmen in Betracht. So kann die Bundesoberbehörde zum Beispiel im Einzelfall zur Vermeidung versorgungsrelevanter Lieferengpässe Anordnungen zur Lagerhaltung treffen.“

Zudem wird der Großhandel wird verpflichtet, Daten zu den verfügbaren Beständen und der Absatzmenge des Arzneimittels an die Bundesoberbehörde zu liefern. Im Zusammenhang mit einem drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpass werde dem BfArM damit ein umfassender Überblick über Restbestände von Arzneimitteln ermöglicht. „Dieser Überblick ist erforderlich, um die Versorgungslage einzuschätzen und um über geeignete Maßnahmen zur Abwendung drohender oder Abmilderung bestehender versorgungsrelevanter Lieferengpässe zu entscheiden“, heißt es weiter in der Begründung.

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