Pharmahersteller

Brexit: Chaos auf Bestellung

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Amsterdam -

Am 29. März 2019 gehört Großbritannien nicht mehr zur Europäischen Union (EU). Das ist aber auch so ziemlich das Einzige, was im Zusammenhang mit dem Brexit feststeht. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) warnt vor chaotischen Zuständen im Arzneimittelmarkt – für ganz Europa.

„Ground Zero“ nach dem Brexit, so BAH-Geschäftsführer Dr. Elmar Kroth, wird die Grenze zwischen Irland und Großbritannien sein. Wie hier kontrolliert werden soll, sei vollkommen offen. Schon die Frage, wo die LKW solange parken sollen, sei ein „logistischer Albtraum“. Ein Lebensmittelkonzern habe vorgerechnet, dass eine Wartezeit von 15 Minuten alleine ihn mehr als 1,2 Millionen Pfund kosten werde.

Klingt weit weg, doch auch die Pharmaindustrie könnte betroffen sein. Denn viele Rohstoffe kämen über britische Häfen nach Europa. „Natürlich kann man sagen, dann fahren die eben nach Antwerpen statt Liverpool. Aber in der Praxis ist das eben nicht so einfach.“ Genauso gravierend seien die Folgen für die Lieferung von klinischen Prüfmustern, die laut Kroth heute überwiegend in Großbritannien freigegeben werden.

Noch schlimmer ist aber der regulatorische Bereich betroffen. So wird die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zum Stichtag voraussichtlich noch nicht komplett am neuen Standort in Amsterdam betriebsbereit sein. „Anders als bei der Bewerbung versprochen, werden die neuen Büros nicht rechtzeitig bezogen werden können“, so Kroth. Dazu komme die Migration der Daten – von London in die Cloud und dann ins neue IT-System.

Doch es kommt noch härter: Bei 3000 dezentralen Zulassungen – insgesamt 6000 Arzneimittel – ist Großbritannien derzeit Referenzstaat. Hier muss eine andere Behörde die Verwaltung der Akten übernehmen, um über Änderungsanträge entscheiden zu können. Zieht man jene Fälle ab, in denen das Produkt nur auf einem einzigen weiteren Markt verfügbar ist – wo die Zuständigkeit also eigentlich außer Frage steht –, müssen bei 2300 Verfahren die Zuständigkeiten geklärt werden. 90 Prozent stehen noch aus.

Der BAH begrüßt, dass die Koordinierungsgruppe der Zulassungsbehörden (CMDh) jetzt eine Prioritätenliste erarbeiten will, um Lieferengpässe und Versorgungsabrisse zu verhindern. Auch dass Verfahren, die am Stichtag noch nicht abgeschlossen sind, zurück auf Null gesetzt werden, findet man in Bonn richtig. Denn noch immer kommen neue Fälle hinzu, in denen amerikanische oder asiatische Unternehmen europäische Zulassungen via Großbritannien beantragen.

Besonders bitter ist der Verlust des Mitgliedstaats jenseits der Zulassungen auch im Bereich von klinischen Standards, bei Inspektionen von Produktionsstandorten und bei der Pharmakovigilanz. Bei letzterem habe man erst im vergangenen Herbst europaweite Standards eingeführt, nun scheide ausgerechnet das in dem Bereich führende Land aus. Derzeit würden 70 Prozent aller EU-Fördergelder im Bereich der Epidemiologie an britische Universitäten und Forschungseinrichtungen vergeben, so Kroth. „Warum wohl? Weil hier die besten Köpfe sind.“

BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Weiser fordert beide Seiten – Großbritannien und Europa – auf, bei der Trennung mit Augenmaß vorzugehen und Übergangsfristen zu vereinbaren. Dies gelte umso mehr, als nun auch bei der Nutzenbewertung europaweite Standards eingeführt werden sollen. Auch hier fehlt die Erfahrung, die Großbritannien mit dem NICE gemacht hat. Der im Januar vorgelegte Entwurf der Kommission geht laut Weiser in die richtige Richtung, auch wenn die Hersteller unbedingt verhindern wollen, dass die Brüsseler Behörde alle Macht an sich nimmt.

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