Kontrazeptiva

Thromboserisiko unbekannt – Verordnungen nehmen zu

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Berlin -

Dass kombinierte hormonale Kontrazeptiva das Thromboserisiko erhöhen können, ist bekannt. Nachdem vor etwa drei Jahren das europäische Risikobewertungsverfahren abgeschlossen wurde, wollte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nun wissen, wie sich das Verordnungsverhalten der Ärzte geändert hat. Auffällig ist, dass Präparate, deren Risiko bislang unbekannt ist, verstärkt verschrieben werden.

In die Untersuchung wurden Verordnungen zu Lasten der Krankenkassen für junge Frauen zwischen 10 Jahren und dem vollendeten 20. Lebensjahr einbezogen. Ältere Frauen wurden nicht berücksichtigt, da die Pille nur noch in Ausnahmefällen erstattungsfähig ist. Privatrezepte wurden ebenfalls nicht berücksichtigt.

Zwischen 14 und 19 Jahren ist die Pille mit 53 Prozent das am häufigsten eingesetzte Verhütungsmitteln. Von den etwa 71 Millionen Kassenpatienten fallen rund 3 Millionen Versicherte in die berücksichtigte Altersgruppe, von denen erhielten etwa 1,1 Millionen Frauen zwischen 10 und 20 Jahren kombinierte hormonale Kontrazeptiva als Tablette, transdermales Pflaster oder vaginales Freisetzungssystem.

Das Thromboserisiko ist von der Wirkstoffkombination abhängig. Dazu gibt es eine Klassifizierung in Risikogruppen. Die geringste Gefahr besteht bei Kontrazeptiva der Risikoklasse I mit den Progestagenen: Norethisteron, Levonorgestrel oder Norgestimat. Hier erleiden etwa fünf bis sieben Anwenderinnen von 10.000 ein thromboembolisches Ereignis. Zur Risikoklasse II zählen vaginal anzuwendende Präparate mit Etonogestrel oder Norelgestromin. Etwa sechs bis zwölf von 10.000 Verwenderinnen können eine Thrombose bekommen.

Das größte Risiko gilt für die Kombinationen mit Drospirenon, Desogestrel oder Gestoden – Klasse III. Etwa in neun bis zwölf Fällen von 10.000 erleiden die Anwenderinnen ein thromoembolisches Ereignis. Unbekannt ist das Risiko der Präparate mit Chlormadinon, Dienogest oder Nomegestrol. Für die Klasse X liegen bislang keine entsprechenden Daten vor – Studienergebnisse stehen noch aus. Für Chlormadinon wird ein Ergebnis für Juli 2018 und für Dienogest noch in diesem Monat erwartet.

Positiv zu bewerten ist ein kontinuierlicher Rückgang der Verordnungen der Präparate der Risikoklasse III um etwa 53 Prozent. Bezogen auf die Gesamtverordnungen sank ihr Anteil von 26 auf 12 Prozent. Das Volumen aller Verordnungen blieb mit einem Zuwachs von 4 Prozent weitestgehend stabil. Arzneimittel der Risikoklasse I verzeichneten einen Zuwachs von 12 Prozent, somit entfielen statt bislang etwa 32 Prozent nun 34,3 Prozent der Gesamtverordnungen auf kombinierte Kontrazeptiva mit dem geringsten Thromboserisiko. Vaginal anzuwendende Systeme der Risikoklasse II machen lediglich 2,5 Prozent aller Verordnungen aus.

Auffällig ist der Anstieg der Rezepte mit Arzneimitteln, die der Klasse mit einem noch unbekannten Risiko zugeordnet werden. Sie verzeichnen ein Plus von 37 Prozent. Mit etwa 52 statt bislang rund 40 Prozent machen sie nun mehr als die Hälfte aller Verordnungen aus. Positiv bewertet das BfArM den Rückgang von etwa 3,5 Prozent der Verschreibungen in der sogenannten Nachbeobachtungsphase, also der Zeit, in der eine neue Anschlussverordnung ausgestellt werden müsste.

Die Kombination Dienogest/Ethinylestradiol, beispielsweise in Valette und Maxim enthalten, verzeichnete eine Steigerung um 80 Prozent, somit liegt ihr Anteil bei etwa 35 Prozent der Verordnungen. Vor allem bei Frauen im Alter von 16 und 17 Jahren bekamen die Kombination verstärkt verordnet – ein Plus von 77 Prozent.

Das BfArM hatte in der Vergangenheit einige Maßnahmen zur Risikominimierung unternommen. Unter anderem wurden Rote-Hand-Briefe an die gynäkologischen Praxen und Hausärzte verschickt. Informationskarten für die Patienten und Checklisten wurden für die Verordnung bereitgestellt. Die Experten empfehlen jungen Frauen und Erstanwenderinnen, Pillen der Risikoklasse I zu verordnen.

Für Präparate der Risikoklasse X „kann keine Empfehlung ausgesprochen werden, solange noch keine weiteren Daten zur eindeutigen Klassifizierung des Thromboserisikos der zur Risikoklasse X gehörenden Wirkstoffe vorliegen“.

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