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Shop-Apotheke: Warten auf den Gerichtsvollzieher

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Berlin -

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam – manchmal sogar im sogenannten Eilverfahren. Bionorica hat vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth eine einstweilige Verfügung gegen die Shop-Apotheke erwirkt. Doch die Zustellung in den Niederlanden lässt auf sich warten, noch hat es der Gerichtsvollzieher nicht bis nach Venlo geschafft.

Kurz vor Weihnachten hatte Bionorica gerichtlich einen Unterlassungsanspruch gegen die Shop-Apotheke durchgesetzt. Im Webshop des Versenders waren Sinupret forte und Solvohexal abgebildet. Daneben hieß es: „Die günstigere Alternative! Testen Sie selbst! 35 Prozent sparen bei Solvohexal“. Diese Werbemaßnahme empfand man in Neumarkt als groben Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln. Die Richterin sah es genauso.

Genutzt hat Bionorica der Titel bislang nichts. Denn der Binnenmarkt hat im Bereich der Rechtspflege offenbar noch keinen Einzug gehalten. Anders als bei einem Konflikt zwischen deutschen Parteien war eine direkte Zustellung in diesem Fall nicht möglich: Wenn der Gegner seinen Sitz im EU-Ausland hat, erfolgt die Zustellung über das Gericht. Der Prozessführer muss dazu einen entsprechenden Antrag stellen.

Der Hersteller machte Druck, immerhin drohte die Anzeige bei der Shop-Apotheke Umsätze zu kosten. Bionorica ließ die einstweilige Verfügung vom 22. Dezember durch eine beeidigte Übersetzerin ins Niederländische übertragen. Anderenfalls hätte die Shop-Apotheke die Annahme schlichtweg verweigern können.

Auch das Gericht in Nürnberg bearbeitete den Antrag zeitnah. Am 4. Januar wurde die Zustellung veranlasst. Doch mittlerweile sind drei Wochen vergangen, ohne dass die einstweilige Verfügung zugestellt wurde. Das liegt nicht daran, dass sich der Gerichtsvollzieher zu Fuß auf den Weg nach Holland gemacht hätte, sondern am Verfahren: Innerhalb der EU werden solche Titel auf dem Wege der Amtshilfe zugestellt. Das Gericht in Nürnberg hat also einen Gerichtsvollzieher in den Niederlanden beauftragt, den Titel nach Venlo zu bringen.

Einem Gerichtssprecher zufolge ist der lange Zeitraum nicht ungewöhnlich. Bei Bionorica wartet man dagegen ungeduldig auf Vollzugsmeldung, denn nach wie vor wird Solvohexal bei der Shop-Apotheke als „günstige Alternative“ beworben. Dass sich ein Eilverfahren über Monate hinzieht, ist eigentlich nicht Sinn und Zweck.

Zuletzt sei man auf Anfang März vertröstet worden, sagt Justiziar Dr. Rupert Weinzierl. Mindestens dahin müsse man also warten, bevor man über weitere Maßnahmen entscheiden könne. Bis jetzt habe man nur Zeit, Geld und Nerven investiert – aber immerhin verhindert, dass der Anspruch wegen Fristablaufs erlischt.

Dass ein solches Szenario möglich ist, zeigt der Streit der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) mit DocMorris. Die Versandapotheke mit Sitz in Heerlen hatte in den vergangenen Jahren Rx-Boni in unterschiedlicher Form gewährt, die vom Landgericht Köln und vom Oberlandesgericht Nordrhein-Westfalen wiederholt für unzulässig erklärt wurden.

Als DocMorris gegen die einstweiligen Verfügungen verstieß, beantragte die Kammer in mehreren Fällen erfolgreich Ordnungsgelder: je nach Einzelfall zwischen 100.000 Euro und der gesetzlichen Obergrenze von 250.000 Euro. Insgesamt kam ein Betrag von mehr als einer Million Euro zusammen.

Doch DocMorris weigerte sich, die rechtskräftig verhängten Ordnungsgelder an die Staatskasse zu entrichten. Vollstreckungsmaßnahmen wurden eingeleitet, doch die Pfändungsversuche blieben erfolglos. Bei Drittschuldnern sollten jeweils sechsstellige Beträge eingetrieben werden. Das gestaltete sich als überaus schwierig: Die Zur Rose-Tochter hat offenbar alle ihre Ansprüche hierzulande abgetreten, auch beim in Deutschland ansässigen Rechenzentrum König IT-Systeme, das für namhafte EU-Versender mit den Krankenkassen abrechnet, war nichts zu holen.

Insgesamt sechs Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hat das LG Köln nach eigenen Angaben unternommen. „Diese waren jedoch im Ergebnis erfolglos beziehungsweise es ist zwischenzeitlich Verjährung eingetreten“, teilt eine Sprecherin des Gerichts mit. Nach zwei Jahren lösen sich die Ansprüche in Luft auf. Ein weiterer Ordnungsgeldbeschluss über 250.000 verjährte im Oktober.

Die Apothekerkammer musste ungläubig zusehen, wie DocMorris Urteile ignorierte und die Zeche prellte. Zwar kann ein vor einem deutschen Gericht erstrittener Titel grundsätzlich vor einem deutschen Gericht vollstreckt werden. Doch wenn der Betroffene hierzulande keine Vermögenswerte hat, läuft der Beschluss ins Leere: Gegen Vermögen im Ausland kann nicht vollstreckt werden.

Das Ordnungsgeld hat zwar Strafcharakter, fällt aber unter die EU-Verordnung „über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“ (EuGVVO). Selbst in diesem Bereich tätige Experten rätseln in einem Rechtspflegeforum gemeinsam, wie der Staat in solchen Fällen an sein Geld kommt.

Kurz vor Eintritt der Verjährung von zwei Ordnungsgeldern gegen DocMorris hatte sich das Gericht an die AKNR gewandt und um Hilfe gebeten. Die Kammer darf in diesem Fall im Auftrag des Gerichts das Geld eintreiben – bevor dieses der Staatskasse zufließt. Doch die verbliebene Frist war zu kurz und die Verjährung trat ein.

Es gibt weitere rechtskräftig verhängte Ordnungsgelder, die sich auf einen sechsstelligen Betrag summieren. Hier besteht laut der Sprecherin des Landgerichts noch Hoffnung: „Hinsichtlich der verbliebenen vollstreckbaren Ordnungsgeldbeschlüssen gilt, dass diese grundsätzlich auch in den Niederlanden vollstreckt werden können. Hierzu ist zunächst die Anerkennung der Titel durch ein niederländisches Gericht erforderlich. Im Anschluss daran kann ein Vollstreckungsorgan in den Niederlanden (z.B. Gerichtsvollzieher) beauftragt werden.“

Der Gerichtsvollzieher in den Niederlanden hat bis jetzt aber offenbar keine Aktiva der Versandapotheke gefunden, die er pfänden konnte. Selbst die Internetseite wird mittlerweile von einer Firma aus dem Konzernverbund betrieben, DocMorris habe sich „pfändungssicher eingerichtet“, so ein Anwalt der Kammer.

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