Kassenmanipulationsgesetz

Fiskus: Kassenkontrolle in 30 Minuten

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Berlin -

Die von den Finanzministern von Bund und Ländern geplanten verschärften Kassenkontrollen klingen auf dem Papier dramatisch – werden in der Praxis aber wohl nur wenige Apotheken treffen. Die neue „Kassen-Nachschau“ sollen wie bereits die heutige Außenprüfung der Finanzämter bei 2,4 Prozent der Unternehmen erfolgen, heißt es im jetzt vorliegenden Kabinettsentwurf des Gesetzes „zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“. Statistisch gesehen müsste demnach jede 40. Apotheke mit einer Kassennachschau rechnen.

Jahrelang haben die Finanzminister aus Bund und Ländern um die verschärften Kontrollen von elektronischen Registrierkassen gerungen. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mehrfach Verzögerungstaktik vorgeworfen.

Jetzt muss es plötzlich ganz schnell gehen: „Das Gesetz ist ausnahmsweise besonders eilbedürftig“, heißt es in der Vorlage für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Nur so könne Kassen-Manipulationen „zeitnah“ entgegengewirkt werden. Die verschärften Kontrollen sollen aber erst ab 2020 greifen, um den Firmen eine ausreichende Umstellungsfrist zu gewähren.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) geht für die Kassen-Nachschau von einer durchschnittlichen Dauer von 30 Minuten aus, heißt es im Kabinettsentwurf. Die Kassen-Nachschau werde anders als Außenprüfungen nicht angekündigt und könne „von unterschiedlicher Tiefe und Dauer“ sein. „Da allerdings nicht jedes Unternehmen kontrolliert wird, wurde das prozentuale Vorkommen an Außenprüfungen von 2,4 Prozent aller Unternehmen auf die Kassen-Nachschau übertragen. Daraus ergeben sich jährliche Personalkosten in Höhe von rund 343.000 Euro“, so der Entwurf.

Nach Schätzungen des BMF müssen insgesamt 2,1 Millionen elektronische Kassen auf das neue Anti-Manipulationssystem umgestellt werden. 700.000 Kassen könnten aufgerüstet werden, 1,4 Millionen ältere Kassen müssten ausgetauscht werden. Insgesamt veranschlagt das BMF für die Unternehmen Umstellungskosten von 470 Millionen Euro.

Schäubles Kassen-Gesetz sieht künftig bei „dringenden Gefahren“ auch Durchsuchungen von Privatwohnungen von Steuerpflichtigen vor. Dazu soll das Grundrecht auf „Unverletzlichkeit der Wohnung“ eingeschränkt werden. Außerdem müssen Apotheker und alle anderen Kaufleute auf Verlangen ihrer Kunden bei jedem Kauf demnächst einen Beleg aushändigen. Damit kommt Schäuble den Forderungen der SPD entgegen.

Demnächst sollen Finanzbeamte auch in Apotheken unangemeldet Kassenprüfungen, Testkäufe und Observierungen vornehmen können. Zudem werden die Kassensysteme lückenlos überwacht. Wer manipuliert, muss mit 25.000 Euro Strafe rechnen – zusätzlich zu den etwaigen Steuernachzahlungen.

Schäubles Gesetzentwurf verzichtet allerdings auf die von der SPD geforderte Einführung einer Registrierkassen- und Belegausgabepflicht für alle Betriebe. Manipulationssichere elektronische Kassen müssen nur Betriebe installieren, die bereits elektronische Aufzeichnungssysteme einsetzen. Stattdessen setzt das BMF auf schärfere Kontrollen.

Mit unangekündigten Kassen-Nachschauen soll für Steuerbetrüger das Entdeckungsrisiko steigen. Sofern ein Anlass zu Beanstandungen der Kassenaufzeichnungen, -buchungen oder der technischen Sicherheitseinrichtung besteht, kann der Finanzbeamte ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung übergehen. Die neue Kassen-Nachschau ist das zentrale Kontrollinstrument in Schäubles Plan.

Laut Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger wurde eine zentrale Änderung am Gesetzesentwurf vorgenommen, ohne die die Apotheken massive Probleme bekommen hätten: Im alten Entwurf sei offen gewesen, ob das Sicherungsmodul Teil des Warenwirtschaftssystems sein würde oder nicht. Dagegen seien die Softwarehäuser Sturm gelaufen.

„Wir haben das BMF im Vorfeld ganz konkret darauf hingewiesen, dass ein solches Gesetz bei den Apotheken nicht funktionieren kann, weil der automatische Wegfall des Zertifikats bei Änderung einer Verarbeitungslogik bei Apotheken monatlich eintreten würde“, so Bellinger. Ab Februar 2019 hätte die komplette Arzneimittelversorgung nach seiner Befürchtung stillgestanden, weil mit dem Wegfall des Zertifikats die Nutzung der Software zwingend bußgeldbewährt verboten wäre. „Das Perfide: Das wäre nicht durch Bescheid erfolgt, sondern automatisch durch Einspeisen eines neuen Verarbeitungsmodul“, so Bellinger.

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