Schwangerschaftsdiabetes

Diabetes Gesellschaft fordert Erstattung von Glukose-Fertiglösungen

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Berlin -

Um während der Schwangerschaft einen Diabetes nachweisen zu können, kommen häufig Glukose-Fertiglösungen zum Einsatz. Aus Kostengründen werden diese jedoch von einigen Krankenkassen nicht mehr erstattet. Ein folgenreicher Sparkurs, kritisiert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG): Denn die Selbstanmischung birgt Risiken.

Aus Kostengründen haben mittlerweile einige Krankenkassen beschlossen, die auf dem Markt befindlichen Fertiglösungen nicht mehr zu erstatten. „Stattdessen sollen Praxen die benötigte Glukose in Pulverform aus Apotheken beziehen und die Lösung für den oralen Glukosebelastungstest selbst zubereiten“, berichtet Professor Dr. med. Ute Schäfer-Graf, Sprecherin der DDG Arbeitsgruppe „Diabetes und Schwangerschaft“ aus Berlin. Bei der Anmischung des Pulvers in der Praxis kann es jedoch zu fatalen Problemen kommen: Ungenauigkeiten und Verunreinigungen können die Folge sein. Dadurch entstehen falsche Testergebnisse. Erst im September war es in einer Apotheke in Köln zu einer tödlichen Verunreinigung bei der Herstellung gekommen.

Bereits 2016 hatte die DDG eine Stellungnahme zu dem Thema abgegeben: Experten wiesen schon damals auf zahlreiche Risiken durch Selbstanmischung hin. Erschwerend komme hinzu, dass der Sparkurs der Kostenträger die dauerhafte Verfügbarkeit der Fertiglösungen bedrohe. Seit 2012 wird laut Mutterschaftsrichtlinien das Screening auf Schwangerschaftsdiabetes von den Krankenkassen erstattet. Durchgeführt wird es, indem die werdende Mutter im Zeitraum zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche eine Lösung mit 50 Gramm Glukose trinkt. Werden anschließend erhöhte Blutzuckerwerte gemessen, folgt ein erneuter Nüchtern-Test mit 75 Gramm Glukose.

„Zunächst ist es nicht einfach, die Tütchen mit der abgewogenen Menge Glukose-Monohydrat vollständig zu leeren und eventuell an den Plastikoberflächen haftendes Pulver in den Trinkbecher zu füllen“, erklärt Dr. med. Nikolaus Scheper, Vorsitzender des Bundesverbands niedergelassener Diabetologen e.V. (BVND). „Auch muss die zugegebene Flüssigkeit präzise abgemessen werden, um das Mischverhältnis nicht zu verfälschen.“ Zudem sei die Glukose schwer löslich und müsse einige Minuten gerührt werden, was bei mehreren gleichzeitigen Tests eine Herausforderung sei. „Trotz aller Mühen und optimaler Bedingungen verbleibt immer wieder ein Rest Glukose im Behältnis, der sich nicht auflöst und so zu einer falsch negativen Interpretation des Testes führen kann.“ Zudem stünden in kleineren Praxen häufig keine Räume zu Verfügung, die den Hygieneanforderungen entsprechen, was wiederum zu Verunreinigungen führen kann. Die DDG rät daher ausdrücklich vor der Selbstherstellung ab und fordert nun den GKV Spitzenverband auf, die Fertiglösung im Sinne der Gesundheit von Schwangeren und ihrer ungeborenen Kinder flächendeckend zu erstatten.

Die meisten diabetologischen und gynäkologischen Praxen bezogen bisher die oGTT-Fertiglösung als 300-Milliliter-Flasche für 5,53 Euro in der Apotheke. Stellt die Apotheke die Glukosemischung selbst her wird sie Einzelportion Glukose in ein Papiertütchen abgefüllt. Das Pulver wird dann in der Praxis in Wasser aufgelöst. Dies kostet im Vergleich zur Fertiglösung nur etwa 1,21 Euro. „Skandalös ist, dass mit der Entscheidung einzelner Krankenkassenverbände die Kostenträger aufgrund einer Ersparnis von knapp vier Euro pro Patientin und Screening die diagnostische Sicherheit und auch die Gesundheit der Mutter und des ungeborenen Kindes aufs Spiel setzen“, kritisiert Scheper.

Neben den Schwierigkeiten in der Praxis, gibt es auch rechtliche Bedenken: „Gemäß Produkthaftungsgesetz können behandelnde Ärztinnen und Ärzte dafür haften, wenn Probleme bei den in der Praxis hergestellten Lösungen auftreten. Sie sind in diesen Fällen rechtlich als Hersteller eines Arzneimittels anzusehen“, erklärt DDG Pressesprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz aus Tübingen. Darüber hinaus greife der Werkvertrag, bei dem der Arzt bei einer Falschdiagnose gegenüber seinen Patienten hafte. „Wird bei einer Patientin im Schwangerschaftsverlauf ein GDM diagnostiziert, der bei einem selbst angemischten oGTT vorher nicht erkannt wurde, kann sie den Arzt auf fehlerhafte Durchführung des Tests verklagen“, gibt Gallwitz zu bedenken. Aufgrund dieser Haftungsfragen und organisatorischer Schwierigkeiten sei zu befürchten, dass Arztpraxen das Diabetes-Screening wieder seltener durchführen, warnt Gallwitz.

Gestationsdiabetes wird derzeit mittels oGTT jährlich bei rund 45.000 Schwangeren diagnostiziert. Dank einer kontinuierlich verbesserten, standardisierten und frühzeitigen Diagnostik könnten immer mehr Patientinnen identifiziert werden, so Professor Dr. med. Michael Hummel, Sprecher der DDG AG „Diabetes und Schwangerschaft“ aus München. „Die Kassen riskieren, mit einer wirtschaftlich fragwürdigen Entscheidung diesen Prozess zulasten der Gesundheit Betroffener umzukehren.“ Außerdem sei der ungerichtete Sparkurs der Kostenträger beinahe eine Aufforderung an den bislang einzigen Hersteller des Fertigproduktes, die Produktion einzustellen.

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