<p class="leadtext">Nebeneinkünfte

Top-Verdiener: Henke (CDU) vor Ulla Schmidt (SPD)

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Berlin -

In der letzten Wahlperiode hatten die 630 Bundestagsabgeordneten mindestens 26,5 Millionen Euro bis etwa 48,7 Millionen Euro an Nebeneinkünften kassiert. Seit der Bundestagswahl 2017 erhielten die 709 Abgeordneten nach Berechnungen von abgeordnetenwatch.de und Spiegel bis jetzt mindestens 16,5 Millionen Euro für Tätigkeiten außerhalb des Parlaments. 120.000 Euro von einem Pharmakonzern, über 300.000 Euro als „Strategieberater“, heißt es auf abgeordnetenwatch.de. Zu den Topverdienern gehören mehrere prominente Volksvertreter, darunter die Ex-Minister Peter Ramsauer, Sigmar Gabriel und Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und Spiegel haben 202 von 709 Bundestagsabgeordneten in der laufenden Legislaturperiode mindestens eine bezahlte Nebentätigkeit gemeldet, also mehr als jeder vierte Parlamentarier. Einige kassierten zum Teil beträchtliche Summen – unter anderem aus Beratertätigkeiten, Unternehmensposten und Vorträgen. So erhielt Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) für ihren Verwaltungsratsposten bei dem Schweizer Pharmakonzern Siegfried Holdling AG seit Beginn der Legislaturperiode vor knapp zwei Jahren mindestens 120.000 Euro.

Der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kommt im selben Zeitraum auf mehr als 300.000 Euro allein aus seiner Nebentätigkeit als „Strategieberater“ – daneben geht er noch weiteren bezahlten Tätigkeiten nach. FDP-Parteichef Christian Lindner und der frühere Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, verfügen über üppige Einkünfte aus Vorträgen: Lindner trat 50 Mal gegen Bezahlung auf – Gesamthonorar: mindestens 311.500 Euro. Gysi wurde 87 Mal gebucht – Gesamthonorar: mindestens 177.000 Euro.

In vielen Fällen dürften die tatsächlichen Einkünfte allerdings sehr viel höher sein. Dies liegt in den wenig transparenten Veröffentlichungsregeln. Bundestagsabgeordnete müssen ihre zusätzlichen Einnahmen nicht auf den Euro genau angeben, sondern nur in groben Verdienststufen, die von der ersten Stufe – Einkünfte zwischen 1000 und 3500 Euro – bis zur Höchststufe 10 – mehr als 250.000 Euro - reichen. Rechnet man alle meldepflichtigen Einkünfte zusammen, haben die Abgeordneten seit der Bundestagswahl 2017 mindestens 16,5 Millionen Euro für Tätigkeiten außerhalb des Parlaments erhalten.

Manche kassieren neben ihren Abgeordnetendiäten von derzeit 10.083 Euro eine Art zweites Monatsgehalt: Der SPD-Abgeordnete und frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel geht einer „publizistischen Tätigkeit“ für den Holtzbrinck-Verlag (Handelsblatt, Tagesspiegel, ZEIT) nach. Die monatlichen Einkünfte liegen zwischen 15.000 und 30.000 Euro. Der frühere Unions-Fraktionschef Volker Kauder bekommt als Berater des Bergbaukonzerns Saxony Minerals & Exploration AG eine monatliche Überweisung zwischen 3500 und 7000 Euro. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse arbeitet im Zweitjob als Geschäftsführer des Hamburger Landesverbandes der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Die monatlichen Nebeneinkünfte betragen zwischen 7000 bis 15.000 Euro.

Der Gesundheitspolitiker Rudolf Henke (CDU) bekommt als Präsident der Ärztekammer NRW jeden Monat eine Vergütung zwischen 7000 und 15.000 Euro, der Berufsverband Marburger Bund zahlt ihm zwischen 3500 und 7000 Euro pro Monat. Henke hat aktuell Einkünfte von mindestens 234.500 Euro gemeldet. Laut abgeordnetenwatch.de erzielte Henke in der letzten Wahlperiode Nebeneinkünfte von mindestens 539.000 Euro und maximal 1,1 Millionen Euro und führte damit die Rangliste der bestverdienenden Gesundheitspolitiker an.

Bezahlte Nebentätigkeiten von Parlamentariern sind laut abgeordnetenwatch.de „in vielerlei Hinsicht ein Problem“: Über die Abgeordneten erhielten einzelne Konzerne und Interessenorganisationen einen privilegierten Zugang zur Politik, den andere Unternehmen, Vereine oder die Bürgerinnen und Bürger nicht haben. 50 Bundestagsabgeordnete bekommen in dieser Legislaturperiode Geld für Aufsichtsrats-, Vorstands- oder andere Posten, darunter der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms von der Deutschen Vermögensberatung AG (mindestens 30.000 Euro) sowie der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) von der Deutsche Telekom Stiftung (mindestens 22.000 Euro).

Während bei Aufsichtsrats- oder Beiratsposten nachvollziehbar ist, von wem Abgeordnete Geld bekommen, bleibt dies bei vielen anderen Nebeneinkünften unklar: In den vergangenen zwei Jahren sind nach Berechnungen von abgeordnetenwatch.de und Spiegel mehr als 6 Millionen Euro an Abgeordnete geflossen, bei denen der Geldgeber unbekannt ist. Freiberufler und Selbständige müssen ihre Vertragspartner lediglich in anonymisierter Form veröffentlichen, obwohl es teilweise um beträchtliche Beträge in fünf- oder gar sechsstelliger Höhe geht.

Freiberufler und Selbständige sind es auch, die in der Liste mit den meldepflichtigen Einkünften traditionell ganz oben stehen. Der Steuerberater und CSU-Bundestagsabgeordnete Sebastian Brehm gibt auf der Bundestagsseite Einkünfte aus Mandaten in einer Gesamthöhe von mindestens knapp 1,4 Millionen Euro an – so viel wie kein anderer Parlamentarier. Auf Anfrage teilte Brehm mit, die gemeldeten Bruttoeinkünfte würden nicht von ihm alleine, sondern insbesondere von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwirtschaftet. „Eine unabhängige Mandatsausübung ist garantiert,“ so der CSU-Politiker, da die Mandate mit seiner Bundestagstätigkeit nicht in Verbindung stünden.

Bei anderen Gesundheitspolitikern hat sich die Lage verändert. Auf Spitzenverdiener Henke folgte in der letzten Wahlperiode CDU-Parlamentarier Roy Kühne mit Nebeneinkünften zwischen knapp 237.500 Euro und gut 490.500 Euro. Jetzt meldetet Kühne „nur“ 21.000 Euro. Der gelernte Physiotherapeut ist unter anderem Geschäftsführer der Dr. Kühne Schlafkomfort GmbH in Northeim und auch Gesellschafter der Firma.

Die Nebeneinkünfte von SPD-Fraktionsvize Lauterbach beziffert abgeordnetenwatch.de auf für die letzte Wahlperiode auf 122.000 Euro bis knapp 253.000 Euro. Damit lag er auf Platz 49 der Gesamtliste. Lauterbach war bis Herbst 2013 Mitglied des Aufsichtsrats der Rhön-Klinikum AG in Bad Neustadt/Saale und erhielt dafür in der neuen Wahlperiode eine Nachzahlung. Außerdem gab er diverse Einkünfte aus Vorträgen und wissenschaftlicher Beratung auf seiner Bundestagsseite an. Aktuell meldete Lauterbach Null Nebeneinkünfte.

Georg Nüßlein (CSU), als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU unter anderem auch für die Gesundheitspolitik zuständig, gibt seine Nebeneinkünfte mit mindestens 108.500 Euro an. Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) findet sich ebenfalls auf der Liste mit Nebeneinkünften zwischen 199.000 und 419.000 Euro in der letzten Wahlperiode. Jetzt sind es 120.000 Euro für ihren Verwaltungsratsposten bei dem Schweizer Pharmakonzern Siegfried Holdling AG.

Der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich lag in der letzten Wahlperiode mit 80.000 bis 242.000 Euro Nebeneinkünften auf Platz 58 der Liste. Neben Vortragshonoraren speisten sich seine Nebeneinkünfte aus seiner Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates der Süddeutschen Krankenversicherung und der Süddeutschen Lebensversicherung. Jetzt gibt Hennrich Nebeneinkünfte von mindestens 40.500 Euro an.

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