CDU-Parteitag

AKK entscheidet Machtprobe für sich

, Uhr
Leipzig -

Sie geht volles Risiko: Die angeschlagene CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer überrumpelt in Leipzig ihre Kritiker und stellt die Vertrauensfrage. Merz & Co. geben sich loyal. Doch Kanzlerkandidatin ist sie noch lange nicht.

Kramp-Karrenbauer hat auf dem Parteitag überraschend die Machtfrage gestellt und ihre Kritiker damit in die Schranken gewiesen. Der Parteitag stärkte ihr am Freitag deutlich den Rücken, daraufhin versicherte ihr größter Rivale Friedrich Merz ihr seine Loyalität. Die Frage der Kanzlerkandidatur hält er aber weiter offen. Führende CDU-Politiker hoffen nun trotzdem auf einen Neustart im Team.

Kramp-Karrenbauer sagte zum Abschluss ihrer Rede in Leipzig, wenn die Partei ihren Kurs nicht mitgehen wolle, solle sie dies beim Parteitag entscheiden. „Dann lasst es uns heute aussprechen. Dann lasst es uns heute auch beenden. Hier und jetzt und heute.“ Die etwa 1000 Delegierten erhoben sich von ihren Plätzen und feierten ihre Chefin rund sieben Minuten lang.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der den Parteitag leitete, sagte: „Der Applaus zeigt: Heute wird nicht Schluss gemacht, Annegret. Heute geht es erst richtig los.“ Hessens Regierungschef Volker Bouffier meinte: „Das war ein klares und deutliches Signal.“ Die CDU dürfe sich nicht weiter zerstritten zeigen. „Ohne Zusammenhalt verzwergen wir“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn. „Lasst uns streiten, dass es kracht.“ Aber über Sachfragen.

Merz beteuerte: „Wir sind loyal zu unserer Vorsitzenden, zu unserer Parteiführung und zur Bundesregierung.“ Entscheidungen über Personal stünden aber erst beim nächsten Parteitag an. Kramp-Karrenbauer, die auch Verteidigungsministerin ist, stand zuvor seit längerem wegen Wahlschlappen und schwachen Umfragewerten heftig in der Kritik.

Merz hatte nach der Wahlschlappe in Thüringen das Erscheinungsbild der Regierung als „grottenschlecht“ bezeichnet und dafür in erster Linie Kanzlerin Angela Merkel, indirekt aber auch Kramp-Karrenbauer verantwortlich gemacht. Auch die Junge Union und der CDU-Wirtschaftsflügel hatten die Vorsitzende attackiert.

Merz sagte in Leipzig, er habe für seine Worte viel Zustimmung aber auch manche Kritik erfahren. Es habe ihn betroffen gemacht, dass manche gesagt hätten: „Jetzt werdet ihr wie die SPD.“ Merz betonte aber: „Wir werden nicht wie die SPD werden.“ Die CDU sei am Anfang eines Prozesses, sich neu zu profilieren. Dieser Prozess müsse mit glaubwürdigen Personen verbunden werden. Er bot an, sich weiter für die CDU zu engagieren. Merz erhielt etwa eine Minute lang großen Applaus – deutlich weniger als Kramp-Karrenbauer.

Zuvor hatte die CDU-Chefin ihren Kritikern vorgehalten, die CDU und die Bundesregierung schlechtzureden. „Das ist keine erfolgreiche Wahlkampfstrategie“, sagte Kramp-Karrenbauer unter großem Beifall. Über die bisherige Regierungszeit von Merkel sagte sie: „Es waren 14 gute Jahre für Deutschland, und darauf können wir alle miteinander stolz sein.“ Offensichtlich in Richtung von Merz versprach sie aber auch, Kritiker und Querdenker einzubinden. „Ich will kein schwaches Team um mich herum haben.“

Kramp-Karrenbauer räumte ein, dass ihr erstes Jahr als Vorsitzende für die CDU nicht einfach und nicht so erfolgreich wie geplant verlaufen sei. Die CDU müsse gleichzeitig konservativ, sozial und liberal sein. Sie wies die ultrakonservative Werte-Union, die eine personelle Erneuerung der CDU fordert, in die Schranken: „Es gibt nur eine Werte-Union und das ist die CDU Deutschlands.“ Hier widersprach Merz: Solange sie auf dem Boden des Grundsatzprogramms stehe, habe die Werte-Union ihren Platz in der Union.

Inhaltlich skizzierte Kramp-Karrenbauer ihre Pläne in der Digital-, Umwelt und Sozialpolitik. „Wir kommen um ein Digitalministerium nicht herum“, sagte sie. Beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunks warb sie dafür, keinen Bewerber von vornherein auszuschließen. Sie spielte damit offensichtlich auf einen Antrag an, der eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologiekonzern Huawei von vornherein ausschließen will. Diesem Konzern wird immer wieder unterstellt, für China zu spionieren.

In der Sozialpolitik sprach sie sich dagegen aus, Geld mit der Gießkanne auszuschütten. „Das ist der größte Unterschied zur Sozialdemokratie: Wir wollen Wohlstand für alle, aber nicht Wohlfahrt für alle.“ Zugleich verteidigte sie den Kompromiss der großen Koalition zur Grundrente. Kompromisse seien notwendig. „Das hat nichts mit Weicheiern zu tun.“

Kramp-Karrenbauer will die Union zudem stärker als Umwelt- und Klimaschutzpartei profilieren. „Wir haben eine Verantwortung für die Schöpfung. Das ist keine Erfindung von Greenpeace, das ist keine Erfindung der Grünen.“ Die Politik der Nachhaltigkeit sei tief im Programm der CDU verankert. Das gebiete schon das C für „Christlich“ im Parteinamen. „Das C ist verdammt ernst“, sagte sie.

Kramp-Karrenbauer grenzte sich deutlich von Linkspartei und AfD ab. Sie kritisierte, dass in den Reihen der Linkspartei die DDR immer noch nicht als Unrechtsstaat gesehen werde. Die CDU-Chefin attackierte auch den AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, der die NS-Zeit als „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ bezeichnet hatte. „Das sind die von rechts, das sind die, mit denen wir nichts zu tun haben wollen.“

Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, will nun einen Neustart sehen. Er verlangte mehr CDU pur und weniger Entgegenkommen gegenüber der SPD: „Ich bin nicht in die CDU eingetreten, um mich am Nasenring herumführen zu lassen, um irgendwelche Koalitionen zu erhalten.“

Die niedersächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Silvia Breher (46) wurde zur neuen Parteivize gewählt. Die bisher eher unbekannte Politikerin erhielt 82 Prozent. Sie wird Nachfolgerin von Ursula von der Leyen, die als EU-Kommissionspräsidentin nach Brüssel wechselt. Breher war die einzige Kandidatin.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Neuere Artikel zum Thema
Mehr aus Ressort
Marburger Bund punktet bei Tarifverhandlungen
Unikliniken: 10 Prozent mehr bei reduzierter Stundenzahl

APOTHEKE ADHOC Debatte