Arzneimittelfälschungen

Medikamente aus dem Betonmischer

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Berlin -

Für die Täter ist es ein lukratives Geschäft, doch für die Kunden ein gefährliches Roulette-Spiel: Gefälschte Arzneien beschäftigen immer häufiger den Zoll. Organisierte Banden verkaufen die Mittel über das Internet.

Kistenweise gefälschte Potenzmittel, Antibiotika, Schmerzmittel und Schlaftabletten: Es war ein ganz großer Schlag, der dem Zollfahndungsamt Essen vor einigen Monaten gelang. Den Ermittlern ging eine Bande ins Netz, die einen schwunghaften Internethandel mit illegalen Arzneimitteln betrieb und damit einen Millionenumsatz machte. Es ist bei weitem nicht der einzige Fall dieser Art: Das kriminelle Geschäft mit der Gesundheit boomt.

„Dahinter stecken zunehmend international organisierte Gruppen – mit allem, was dazugehört: Zwischenhändler, Geldwäscher, Bargeldkuriere, bis hin zu bewaffneten Tätern“, sagt Wolfgang Schmitz, Sprecher der Generalzolldirektion in Köln. Die Drahtzieher sitzen in der Regel im Ausland und vertreiben die Medikamente über nicht-zugelassene Internet-Apotheken an Großabnehmer oder Privatkunden. Für die Täter ist es ein lukratives Geschäft, die Gewinnspannen sind teils höher als beim Drogenhandel.

Die Medikamente kommen meist aus Asien, aber auch aus Osteuropa. In den Fälscherwerkstätten würden sie oft mit Betonmischern aus irgendwelchen Substanzen zusammengerührt, die gerade verfügbar seien. „Noch vor einigen Jahren ging es fast ausschließlich um Viagra oder Lifestyle-Produkte für Haarwuchs oder zum Abnehmen“, sagt Schmitz. Inzwischen würden jedoch Medikamente jeder Art gefälscht – von Allergietabletten über Herzmittel bis hin zu Impfstoffen.

Mit Hilfe von 3D-Druckern könnten die Täter die Verpackungen nahezu perfekt nachmachen, so dass für Laien kein Unterschied zum Original erkennbar sei. Um Fälschungen identifizieren zu können, arbeite der Zoll eng mit der Pharmaindustrie zusammen.

Bei Kontrollen an Flughäfen, Seehäfen und Frachtzentren versuchen die Fahnder, verdächtige Pakete aufzuspüren. Die illegalen Mittel seien häufig falsch deklariert, etwa als Vitaminpräparate, erklärt Schmitz. Manchmal handele es sich um Zufallsfunde, manchmal gebe es aber auch Hinweise durch ein bereits laufendes Verfahren. 2015 stellte der deutsche Zoll nach eigenen Angaben rund 3,9 Millionen gefälschte Tabletten sicher – fast viermal so viele wie im Vorjahr. Die Zahl der Ermittlungsverfahren stieg im selben Zeitraum von 3100 auf 4100.

Für Kunden sei das Bestellen illegaler Arzneimittel wie ein Roulette-Spiel – mit mitunter schlimmen Folgen, warnen Experten: Manchmal enthielten die Mittel gar keinen und manchmal die mehrfache Dosis eines Wirkstoffs. Ganz abgesehen davon, dass ihnen oft Dreck und alle möglichen Ersatzstoffe beigemischt seien. „Ich kann jedem nur empfehlen, Medikamente online nur aus seriösen Quellen zu beziehen und genau auf die Anbieter zu achten“, mahnt Uwe Schröder, Präsident der Generalzolldirektion.

Wer per Mausklick Medikamente bei dubiosen Anbietern bestellt, will wahrscheinlich meistens Kosten sparen oder „Peinlichkeitskäufe“ in der Apotheke vermeiden. Es komme auch häufig vor, dass sich Patienten im Internet auf eigene Faust Mittel kauften, die ihnen ihr Arzt aus gesundheitlichen Gründen nicht verschreiben wolle, sagt Professor Dr. Harald Schweim, der frühere Leiter der Fachgruppe Pharmazie an der Uni Bonn.

In Großbritannien sind nach seinen Angaben sechs Fälle dokumentiert, bei denen die Einnahme gefälschter Medikamente tödlich endete. Ob auch in Deutschland schon Menschen zu Schaden gekommen sind, sei unbekannt. „Der Nachweis ist sehr schwierig“, sagt Schweim.

Denn wenn ein Käufer Nebenwirkungen verspürt, melde er sich eher nicht und gehe wohl einfach davon aus, dass er das Präparat nicht verträgt, meint Schmitz. Außerdem verstießen Kunden, die illegale Medikamente kaufen, selbst gegen das Arzneimittelgesetz und machten sich strafbar.

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