Nordrhein

Preis: Honoraranpassung – jetzt!

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Berlin -

Die Apotheken brauchen ein Rx-Versandverbot und mehr Geld – und das schnell. „Einen weiteren Honorarstillstand, der ja jetzt quasi seit eineinhalb Jahrzehnten anhält, werden viele unserer Mitgliedsapotheken nicht mehr verkraften“, sagte der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), Thomas Preis, beim Zukunftskongress öffentliche Apotheke. Es bestehe dringender Handlungsbedarf.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ließ in seinem gesundheitspolitischen Lagebericht keinen Zweifel daran, dass das Rx-Versandverbot, so wie von Union und SPD vereinbart, kommen wird. „Wir möchten, dass die Präsenzapotheke eine Zukunft hat.“ Auch in Richtung der Kritiker betonte Laumann, dass die Abgabe von Rx-Medikamenten stets mit Beratung verbunden sein müsse. „Außerdem muss klar sein, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel eine besondere Ware sind“, sagte Laumann. Den Rx-Versand zu verbieten, trage dem Rechnung.

Darüber hinaus machte er deutlich, dass es zwar immer wieder reichlich Kritik am Gesundheitssystem gebe. Aber an Apotheken hätten nur die allerwenigsten etwas auszusetzen, so Laumann mit Verweis auf seine letzte Tätigkeit in der Bundespolitik als Patientenbeauftragter der Bundesregierung. Daher gelte, den Status quo zu halten. „Wenn etwas in Ordnung ist, muss man es nicht ändern“, sagte Laumann.

Auch mit Hinweis auf das klare Bekenntnis zu den Freien Berufen im NRW-Koalitionsvertrag betonte Laumann, dass die freien Berufe und damit die Apotheker einen wichtigen Teil des Mittelstands darstellten. Die Politik habe auch ein Interesse daran, diese zu stärken, etwa indem bewährte Strukturen gefestigt würden. Gerade in Zeiten der Digitalisierung würden solche Strukturen irreparabel zerstört, wenn man das einfach laufen lassen würde, betonte der Minister.

In seiner Begrüßung machte Preis deutlich, dass es nur konsequent sei, das nachweislich alternativlose Netz der öffentlichen Apotheken zu stärken. „Deshalb sind wir sehr erleichtert, dass eine neue Regierung dem unsäglichen EuGH-Urteil entschieden entgegentreten will, um die Apotheken vor Ort im Sinne der Versorgungssicherheit zu festigen“, sagte der Verbandschef. Die Politik wolle hier endlich nach einer über zwölf Monaten dauernden Hängepartie handeln.

Das EuGH-Urteil hebele die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln aus und zerstöre damit die Flächendeckung durch öffentliche Apotheken nachhaltig und unwiderruflich. Deshalb sei es gut, wenn das Verbot jetzt im Koalitionsvertrag stehe, so Preis weiter. Daneben gehöre ein höheres Apothekenhonorar zu den Kernforderungen des Berufsstandes an eine neue Bundesregierung.

Zudem forderte Preis, dass bei der ebenfalls angekündigten weiteren Einführung der elektronischen Patientenakte und insbesondere des elektronischen Medikationsplans Apotheker auch fachlich wesentlich intensiver eingebunden würden als das bisher der Fall sei. Entsprechende politische Zusagen müssten jetzt auch eingelöst werden. Dazu gehöre natürlich auch eine angemessene Honorierung. Preis brachte es wie folgt auf den Punkt: „Einen Medikationsplan ohne das fachliche Engagement von Apothekern darf es spätestens mit Einführung des elektronischen Medikationsplans im nächsten Jahr nicht mehr geben, denn nur so ist eine vollumfängliche Nutzung im Sinne von mehr Therapiesicherheit für die Patienten in unseren Apotheken zu erreichen.“

In einem mit großem Beifall bedachten Keynote-Vortrag „Zukunft in Verantwortung: Chancen und Risiken einer digitalen Gesellschaft“ zeigte der bekannte Philosoph Professor Dr. Richard David Precht zunächst sehr anschaulich signifikante Merkmale einer zunehmend digitalen Arbeits- und Lebenswelt auf. Im Zuge dessen lautet einer seiner Kernthesen, dass Erwerbsarbeit im Rahmen einer bevorstehenden 4. industriellen Revolution dramatisch zurückgeht. Er prognostizierte den Abschied von der Arbeits- und Leistungsgesellschaft und bestehenden sozialen Sicherungssystemen. Besonders Berufsgruppen, deren Tätigkeit maschinell ersetzbar sind, stehen auf dem Spiel.

Heilberufe wie Ärzte und Apotheker zählen nach seiner Einschätzung zu „Empathie-Berufen“, also diejenigen, die sich kümmern und für die Menschen persönlich da sind. Sie werden in Zukunft trotz ökokomischer Zwänge und digitaler Neuerungen in besonderer Weise bedeutsam bleiben. Im Hinblick auf eine zunehmend digitalisierte Medizin warnte er eindringlich davor, der Mensch dürfe nicht auf die Summe seiner Daten degradiert werden. Auch Online-Videosprechstunden erteilte er mit Verweis auf den Verlust der menschlichen Dimension eine Absage.

In der gesundheitspolitischen Podiumsdiskussion, in der Vertreter aller Parteien im deutschen Bundestag vertreten waren, bekannten sich die Gesundheitspolitiker Dr. Georg Kippels (MdB, CDU) und Dirk Heidenblut (MdB, SPD) zur Vereinbarung des Rx-Versandverbotes und begrüßten darüber hinaus die insgesamt erzielten Ergebnisse im Rahmen des geneinsamen Koalitionsvertrages. Während die gesundheitspolitischen Vertreter der anderen Parteien im Bundestag diese Vereinbarungen in der Podiumsdiskussion naturgemäß kritisch bewerteten, waren sich die Abgeordneten aller Parteien einig, dass die Apotheken vor Ort in unserem Gesundheitswesen zukünftig noch mehr Verantwortung übernehmen müssen und auch deshalb weiterhin dringend gebraucht werden.

In seinem Fachvortrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit machte Professor Dr. Ulrich Jaehde am Aktionsplan AMTS, der fortwährend weiterentwickelt wird, zunächst deutlich, welche Maßnahmen bisher umgesetzt werden konnten. Zu den wichtigsten Instrumenten dabei gehört der Medikationsplan, der zunächst ohne Einbindung der Apotheker in Papierform eingeführt wurde. Das sei schon deshalb fragwürdig, weil dieser maßgeblich von Apothekern entwickelt worden sei, so Jaehde. Er wertete es daher als sehr positiv, dass auch die Gesundheitspolitiker hier Handlungsbedarf sehen, die Apotheken mit ihrer Kompetenz bei der Einführung des elektronischen Medikationsplans aktiver einzubinden.

Als wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung von AMTS führte er auch die Vereinbarungen an, die im Rahmen der Entschließung zum Thema AMTS in der Landesgesundheitskonferenz 2012 unter aktiver Beteiligung der Apothekerverbände und -kammern in NRW getroffen worden seien. Die Ergebnisse seien als Grundlage sehr wertvoll, weil sie insbesondere auch die Zusammenarbeit mit Ärzten sehr konkret definieren.

Unabhängig davon führte er Modellprojekte an, in denen AMTS in der Praxis erfolgreich unter der wissenschaftlichen Leitung seines Institutes erprobt wurden, so zum Beispiel das Projekt zur Geriatrischen Medikationsanalyse in Kooperation mit der AOK Rheinland/Hamburg. Auch hier sei die heilberufliche Kooperation zwischen Apotheker und Arzt ganz wichtig gewesen. Genau diese interprofessionelle Zusammenarbeit Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, ist und bleibe eine wichtige Zukunftsaufgabe. Davon profitierten nicht nur die Beteiligten und Patienten, sondern dadurch könnten auch erhebliche Einsparungen erzielt werden.

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