Österreich

Sechs Jahre Streit um Apotheken-Eröffnung

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Berlin -

Die Eröffnung einer neuen Apotheke gestaltet sich in Österreich immer wieder schwierig: Anders als in Deutschland gibt es keine Niederlassungsfreiheit, sondern eine strenge Bedarfsplanung. Hinzu kommt die Konkurrenz durch ärztliche Hausapotheken. Das führt mitunter zu seltsamen Entwicklungen, wie zum Beispiel auch in Oberperfuss in Tirol. Sechs Jahre lang wurde dort über die Eröffnung einer Apotheke gestritten.

Die Gemeinde hat seit 2009 keine Apotheke mehr. Bis dahin hatte die Ärztin Dr. Christine Schweizer die Einwohner mit ihrer Hausapotheke versorgt. Ihr Nachfolger durfte allerdings keine Arzneimittel mehr abgeben. Grund dafür war die 2006 zwischen Ärzte- und Apothekerkammer neu verhandelte Arzneimittelgesetz-Novelle: Demnach laufen Hausapotheken, die weniger als sechs Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt sind, mit der Pensionierung des Arztes aus. Die Arzneimittelversorgung übernehmen stattdessen eine öffentliche Apotheke oder eine Filialapotheke.

Die österreichischen Filialapotheken entsprechen etwa den deutschen Zweigapotheken. Sie dürfen eröffnet werden, wenn sie weniger als vier Kilometer von der Hauptapotheke entfernt sind und „der Bedarf nach einer Verabreichungsstelle von Arzneimitteln besteht“ – es im Ort also weder eine ärztliche Hausapotheke noch eine öffentliche Apotheke befindet. Sie werden nur für einen bestimmten Zeitraum genehmigt und es wird regelmäßig geprüft, ob der Bedarf noch besteht.

Für Filialapotheken gelten bestimmte Erleichterungen. Sie müssen beispielsweise lediglich über eine Offizin, einen Waschraum und entsprechende sanitäre Einrichtungen verfügen. Außerdem sind sie vom Notdienst befreit und können – anders als öffentliche Apotheken – auch nur zeitweise geöffnet haben. Jede Apotheke darf maximal eine Filiale betreiben. Auf insgesamt 1328 öffentliche Apotheken in Österreich kamen Ende 2014 lediglich 28 Filialapotheken.

In Oberperfuss war die Situation nach dem Wegfall der Hausapotheke schwierig. Der Apotheker Hermann Götzl wollte eine öffentliche Apotheke eröffnen, Apothekerin Monika Moser aus dem benachbarten Kematen eine Filialapotheke. Sie legte Einspruch gegen Götzls Antrag ein. Sechs Jahre lang wurde um die Arzneimittelversorgung gestritten.

Das Problem: Der neue Standort lag weniger als vier Kilometer von Kematen entfernt. Deshalb scheiterte Götzl vor Gericht letztendlich mit seinem Antrag auf eine Vollapotheke. Das Landesverwaltungsgericht hatte der Tiroler Tageszeitung zufolge festgestellt, dass Moser weniger als 5500 Personen in ihrem Einzugsgebiet hätte, wenn in Oberperfuss eine Apotheker eröffnet würde.

Um das Kundenpotenzial zu ermitteln, war demnach sogar die Abteilung Geoinformation des Amtes der Tiroler Landesregierung damit beauftragt worden, die Strecken zu vermessen und Wegdiagramme zu erstellen. Auf diese Weise sollte ermittelt werden, welche Apotheke die Bewohner der umliegenden Dörfer aufsuchen würden. Die Schätzung prognostizierte Moser ein Potenzial von 5370 Kunden – 130 zu wenig. Das war für die Behörde Grund genug, die Eröffnung einer Vollapotheke in Oberperfuss zu untersagen.

Doch auch um die Filialapotheke wurde noch gestritten. Johanna Obojes-Rubatscher, Bürgermeisterin von Oberperfuss, holte schließlich Nationalrat Hermann Gahr (ÖVP) zu Hilfe. Er brachte eine Petition ein und forderte die Errichtung einer Apotheke in dem Ort. Immerhin sei Oberperfuss ein aufstrebender Ort mit mehr als 3000 Einwohnern und verzeichne 50.000 Übernachtungen pro Jahr.

Gahr sah „dringenden Handlungsbedarf“: Die nächste Apotheke befinde sich in knapp vier Kilometer Entfernung. Darüber hinaus sei ein Höhenunterschied von 200 Metern zu bewältigen. „Älteren und behinderten Personen, aber auch Familien mit Kindern ist es kaum zumutbar, die benötigten Medikamente mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zu besorgen“, findet Gahr. Abgesehen davon sei die erhöhte Verkehrsbelastung aus der Landstraße unnötig.

Der Petitionsausschuss beschäftigte sich Mitte November mit dem Fall und entschied, eine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums einzuholen. Georg Willi von den Grünen kritisierte zuvor die medizinische Versorgung auf dem Land: Er habe den Eindruck, dass aufgrund des starken Einflusses der Apothekerkammer viele Arztstellen in ländlichen Gebieten nicht mehr nachbesetzt werden könnten, da ihnen keine Hausapotheke mehr zugestanden werde.

Inzwischen ist zumindest der Fall Oberperfuss abgeschlossen: Ebenfalls Mitte November erlaubte die Apothekerkammer Moser, eine Filiale in dem Ort zu eröffnen. Derzeit wird nach einem geeigneten Standort gesucht. „Eine Apotheke – und sei es auch eine noch so kleine – ist ein großer Gewinn für das Dorf“, freute sich Bürgermeisterin Obojes-Rubatscher.

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