Rahmenvertrag

7 Millionen Euro: Kohl verliert gegen DocMorris

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Berlin -

Ausländische Versandapotheken müssen sich an die deutschen Preisvorschriften halten, so steht es nach wie vor im Rahmenvertrag. Dass dies nicht geschieht, schert die Kassen allerdings wenig: Nach dem EuGH-Urteil sei die Klausel schlichtweg unwirksam und rechtfertige jedenfalls keinen Ausschluss der Versender von der Versorgung, gab der GKV-Spitzenverband schon vor zwei Jahren zu Protokoll. Das Sozialgericht Saarbrücken (SG) sieht die Sache genauso – und hat DocMorris eine Millionenrückzahlung an Kohlpharma erspart.

Die Preisbindung ignorieren, aber trotzdem mit den Krankenkassen abrechnen: DocMorris legt die sich aus dem Rahmenvertrag ergebenden Rechte und Pflichten zum größtmöglichen eigenen Vorteil aus. Bei Kohlpharma wollte man dieser Rosinenpickerei nach dem EuGH-Urteil nicht länger zusehen und klagte, um die überwiesenen Herstellerrabatte zurückzubekommen. Es geht um sieben Millionen Euro für die Jahre 2010 bis 2016. Mit Bayer hatte sich mindestens ein weiterer Hersteller für ein entsprechendes Verfahren in Stellung gebracht.

Kohlpharma argumentierte, DocMorris die Beträge zu Unrecht erstattet zu haben. Der Zwangsrabatt gelte nur „für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz [...] bestimmt sind“, zitiert der Importeur aus § 130a Sozialgesetzbuch (SGB V). Von ausländischen Versandapotheken an deutsche Verbraucher gelieferte Medikamente unterlägen nicht den deutschen Preisvorschriften; dies habe der EuGH für unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht erklärt. Eine Verpflichtung zur Erstattung von Herstellerrabatten existiere damit nicht. Daran ändere auch der Beitritt zum Rahmenvertrag nichts, da dieser für ausländische Versandapotheke nicht mehr anwendbar sei.

Ähnlich hatte auch das Bundessozialgericht (BSG) Ende 2016 argumentiert: DocMorris habe die Wahl, sich nicht an die deutschen Preisvorschriften zu halten und damit auf Erstattung des Herstellerrabatts zu verzichten – oder dem Rahmenvertrag beizutreten und „das festgelegte Preis- und Abrechnungssystem insgesamt, einschließlich des Einzugs der Zuzahlungen der Versicherten“, zu akzeptieren. Ohne die Unterwerfung unter dieses Gesamtsystem erlangte die Versandapotheke „Wettbewerbsvorteile, die nach der Rechtsprechung des EuGH für im Ausland ansässige Apotheken zwar gerechtfertigt sind. Das spricht aber nicht dafür, dass ausländischen Apotheken zusätzlich zu diesen Wettbewerbsvorteilen noch die sich aus dem Deutschen Arzneimittelpreisrecht ergebenden Vorteile zu gewähren sind, solange diese Apotheken das Arzneimittelpreisrecht nicht insgesamt akzeptieren.“

In dem Verfahren ging es zwar um Zwangsabschläge aus den Jahren, in denen DocMorris dem Rahmenvertrag noch nicht beigetreten war. Die Richter in Kassel hoben aber explizit auf das gerade ergangene EuGH-Urteil ab: „Gerade daraus folgt aber, dass den Krankenkassen der Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1 SGB V nicht von den Apotheken zusteht und daher auch kein Erstattungsanspruch gegen die Hersteller erwachsen kann.“

DocMorris hielt im aktuellen Streit mit Kohlpharma dagegen, selbst nicht von den Zwangsabschlägen zu profitieren, sondern nur Inkassostelle zu sein – die richtigen Adressaten für entsprechende Klagen wären die begünstigten Krankenkassen. Allerdings seien die Ansprüche ohnehin schon verjährt. Vor allem aber habe das EuGH-Urteil keinerlei Auswirkungen auf die Vorschriften zur Zahlung und Erstattung der Herstellerabschläge. Denn in Luxemburg sei nicht über die europarechtliche Zulässigkeit der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel entschieden worden, sondern nur über die Zulässigkeit von Rabatten und Boni als maßgebliche Wettbewerbsparameter für ausländische Versender.

Das Sozialgericht sah die Sache ähnlich. Zwar seien die Ansprüche weder verjährt, noch sei die Versandapotheke der falsche Adressat für die Klage. Zumindest bis zum EuGH-Urteil sei Kohlpharma wegen des Beitritts von DocMorris zum Rahmenvertrag ohnehin zur Erstattung verpflichtet gewesen. Allenfalls für die Zeit danach könne man die Ansicht vertreten, dass ohne Geltung des deutschen Arzneimittelpreisrechts auch keine Rabattpflicht und damit kein Anspruch auf Erstattung bestehe.

Wie schon der GKV-Spitzenverband im Februar 2017 sehen auch die Richter in Saarbrücken, dass DocMorris auch nach dem Urteil zur Zahlung der Herstellerrabatte verpflichtet sei, da diese nicht Gegenstand des EuGH-Urteil gewesen und auch nicht betroffen seien. Eine Bindungswirkung entfalte die Entscheidung aus Luxemburg für den vorliegenden Streit nicht, weil die Sachverhalte nicht vergleichbar seien: Vor dem EuGH sei es in einem zivilrechtlichen Verfahren um Fragen des unlauteren Wettbewerbs gegangen, vorliegend gehe es um das Leistungserbringerrecht des SGB V.

Zu Letzterem habe sich der EuGH nicht geäußert, schon weil er dazu gar nicht befragt worden sei. Damit nehme DocMorris nach wie vor an der GKV-Arzneimittelversorgung teil – was zur Folge habe, dass die Versandapotheke zur Abführung der Zwangsrabatte und Kohlpharma zur Erstattung verpflichtet sei.

Den Widerspruch, dass sich die Versender mit dem Beitritt zum Rahmenvertrag den deutschen Preisvorschriften unterwerfen müssen, haben die Richter zwar offenbar erkannt, sie gehen aber nicht weiter darauf ein. Der Fall liegt nun beim Landessozialgericht (LSG); derzeit werden die Schriftsätze ausgetauscht.

In früheren Jahren hatte DocMorris übrigens noch auf die Erstattung der Abschläge verzichten müssen. Die Versandapotheke hatte bis 2008 mit Krankenkassen abgerechnet, ohne dem Rahmenvertrag beigetreten zu sein. Die Hersteller verweigerten die Rückerstattung der von den Kassen bei der Abrechnung einbehaltenen Zwangsabschläge. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied in letzter Instanz, dass DocMorris keinen Anspruch auf Erstattung habe, da nicht auf Grundlage der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) abgerechnet worden sei. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil scheiterte.

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