Großhandels-Razzia

Danach sucht das Kartellamt

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Berlin -

Das Bundeskartellamt hat den Großhändlern Einblick in seine bisherigen Erkenntnisse nach der Durchsuchung vor mehr als einem Jahr gegeben. Die Betroffenen bekamen CDs mit „als potenziell beweisrelevant identifizierten Dateien“ zugeschickt. Bei ihrer Auswahl war die Bonner Behörde offenbar recht großzügig, die Stimmung bei den Großhändlern schwankt zwischen Erheiterung und Ärger.

Öffentlich möchte sich niemand über die Aktion des Kartellamts äußern – unnötigen Ärger will man verständlicherweise vermeiden. Doch das robuste Auftreten bei den Durchsuchungen im September 2016 hat bei den Großhändlern Spuren hinterlassen. Damals hatten 50 Mitarbeiter des Bundeskartellamts sowie Beamte der Kriminalpolizei zeitgleich die Hauptniederlassungen von Phoenix, Noweda, Gehe, Sanacorp, Alliance, AEP, Hageda Stumpf und Pharma Privat durchsucht.

Lange hatte das Bundeskartellamt danach nichts von sich hören lassen. Erst jetzt wurde die Durchsuchung formal abgeschlossen. Auf den zahlreichen beschlagnahmten Datenträgern wurden Dateien identifiziert, für die sich das Kartellamt näher interessiert. Die Großhändler sollen der Verwendung dieser Daten jetzt offiziell zustimmen. Allerdings weist das Kartellamt in seinem Schreiben darauf hin, dass man sich anderenfalls auch eine Beschlagnahme gerichtlich durchsetzen könne. Von Daten wohlbemerkt, die das Kartellamt nach eigener Auskunft schon auf interne Speichermedien kopiert hat. Der Rest wurde gelöscht.

Natürlich interessierten sich die Großhändler, wofür sich die Kartellwächter interessieren. Doch zum Teil haperte es zunächst an der technischen Ausstattung. Ein Großhandelschef musste sich zunächst einen Bluray-Player besorgen lassen, um die Daten auszulesen. Denn gemeinsame Videoabende in der Hauptniederlassung gebe es bislang nicht, berichtet er scherzhaft.

So richtig erkenntisbringend war die bisherige Analyse der Auswahl des Kartellamts allerdings nicht. Diese konnte schon aufgrund der schieren Masse der Daten vorerst nur stichprobenartig erfolgen – mehrere 100.000 Dateien hat das Kartellamt als „potentiell beweiserelevant“ eingestuft.

Dazu zählen auch auf den ersten Blick profan anmutende Informationen wie Pressespiegel oder Adressdaten von Serienbriefen. Gesucht wurde offenbar nach Schlagworten wie „Rabatt“, „Skonto“, „Preis“, „Ware“, „Kooperation“, „Milestone“, „Lieferant“, „Erstlieferant“ und „Zweitlieferant“. Wie verdächtig die dabei gefundenen Dateien am Ende sein sollen, ist den Großhändlern noch nicht ganz klar. Bis Mitte Dezember sollen die Großhändler die Daten freigeben.

Das Kartellamt war vor einem Jahr angerückt, nachdem ein anonymer Hinweisgeber auf die vermeintlichen Missstände in der Branche berichtet hatte. Der Informant hatte eine E-Mail-Adresse hinterlassen, über die er in der Folge mit der Behörde korrespondierte. Die Ermittler hatten mehrere Nachfragen, die der Informant regelmäßig beantwortete. Darüber hinaus gab es ein persönliches Telefonat. Das Kartellamt stufte die Informationen als glaubhaft ein.

Die Großhändler sollen – so der Vorwurf des Kartellamts – ab Juli 2016 eine Art „Waffenstillstand“ vereinbart haben, um die Rabattschlacht zu beenden. Diese sei seit Anfang des Jahres neu aufgeflammt und habe bei den Großhändlern zu Ertragsproblemen und personellen Umstrukturierungen geführt. Deshalb sollen die Großhändler vereinbart haben, Apotheken ab Juli keine neuen Angebote zur Belieferung als Hauptlieferant mehr zu machen.

Mehrere Großhändler hatten die Vorwürfe nach den Durchsuchungen zurückgewiesen. Die Entwicklung auf dem Markt spiegele auch keinen Waffenstillstand wider, hieß es. Im Gegenteil: Gerade in der fraglichen Zeit habe es eine sehr rege Akquise gegeben, was auch zu belegen sei.

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