Schließung nach 1 Monat

Apotheker (23): Wie übernommen, so zerronnen

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Berlin -

Erst im März hat Christoph Burggraf – nur wenige Wochen nach seiner Approbation – die Engel-Apotheke in Bad Homburg übernommen. Doch in wenigen Monaten wird dem 23-Jährigen nur wenig mehr als der Name der Traditionsapotheke bleiben. Denn die älteste Apotheke der Stadt muss umziehen: Dies hat einerseits mit dem schlechten baulichen Zustand des Gebäudes zu tun, andererseits musste der junge Pharmazeut feststellen, dass die aktuelle Kundenzahl nicht ausreicht, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Am neuen Standort muss er eine komplett neue Apotheke aufbauen.

Es ist ein Gebäude wie aus dem Bilderbuch. Ein Türmchen, reich verziertes Fachwerk und ein mehreckiger Erker, dessen Fuß den an der Ecke gelegenen Eingang zur Apotheke betont. Darüber blickt die goldene Figur eines Engels in die Weite. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts residiert am Schulberg Bad Homburgs älteste Apotheke. Doch mit dieser Tradition soll jetzt Schluss sein. Die altehrwürdige Apotheke soll in die Fußgängerzone umziehen.

Wie schlecht der Zustand des denkmalgeschützten Gebäudes tatsächlich ist, wurde vor rund einem Jahr deutlich: Im Januar 2017 beschädigte eine von der Stadt beauftragte Firma beim Abnehmen der Weihnachtsbeleuchtung die Fassade. Seitdem ist sie abgeklebt. Wegen drohender herunterfallender Teile war der Bürgersteig monatelang abgesperrt. Der aktuelle Hauseigentümer glaubt, dass sich weitere Schäden hinter der Fassade verbergen und das Gebäude bereits im Krieg Schaden genommen hat. Mittels Bohrproben sollen die Fachleute feststellen, welche Balken morsch sind und welche Wände bleiben können. Und der Denkmalschutz redet mit.

Von dem anstehenden umfangreichen Umbau ist auch der neue Besitzer der Engel-Apotheke betroffen. Erst im März hat Burggraf sie übernommen und muss sich nun damit abfinden, dass er schon bald eine ganz andere Apotheke sein eigen nennen darf, als er es sich vorgestellt hat. „Die Engel-Apotheke ist ein absolutes Liebhaberstück und einzigartig“, schwärmt er noch heute. „Ich war wirklich begeistert, als ich sie gesehen habe.“

Der 23-Jährige hat erst im Januar seine Approbation erhalten und hat sich den Start seiner Laufbahn als selbstständiger Apotheker sicherlich anders vorgestellt. Nicht nur, dass er die schmucke Apotheke wegen Umbauarbeiten verlassen muss. Nach der Übernahme musste der junge Apotheker offenbar feststellen, dass das Wahren der Tradition einen zu hohen Preis hat und eine Apotheke abseits der direkten Innenstadtlage sich nicht mehr wirtschaftlich betreiben lässt.

Ein Grund für den Kundenrückgang sieht Burggraf neben der etwas versteckten Lage in der turbulenten Geschichte der Apotheke in den vergangenen zwei Jahren. 2016 wurde die Engel-Apotheke samt Haus vom langjährigen Besitzer an die Apothekerin Dörthe Shtapit verkauft, die mit ihrem Mann drei weitere Apotheken in der Region führt. Welche Gründe Shtapit zum Verkauf der Apotheke nicht einmal anderthalb Jahre nach der Übernahme zwangen, lässt sich nur spekulieren. Fakt ist, dass die Stammkunden mit Burggraf den dritten Besitzer in kurzer Zeit erleben.

Nun soll der Betrieb mit Personal und hoffentlich auch Kundenstamm 150 Meter weiter ins ehemalige Teppichgeschäft neben der Buchhandlung Hugendubel in der Haupteinkaufsstraße wandern. Dorthin kommen offenbar mehr Kunden, hofft zumindest der Apotheker. Ob das wirklich eintrifft, muss sich erst zeigen. Denn dort ballen sich ein halbes Dutzend Apotheken. Wenn die Apotheke umzieht, muss Burggraf die Einrichtung ebenfalls in dem alten Gebäude lassen. Das Interieur, das die Engel-Apotheke zu einem wahren Kleinod macht, stammt aus dem Jahr 1901.

Beim Betreten der Offizin fühlt man sich unweigerlich in eine andere Zeit versetzt. Stünden da nicht die oftmals grellen Verpackungen der modernen Medikamente in den Regalen – man könnte meinen, plötzlich in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts gelandet zu sein. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Fassade und der Verkaufsraum längst unter Denkmalschutz stehen.

Das ist auch das Problem. Denn die Einrichtung gehört, zumindest aus der Sicht des Denkmalamtes, untrennbar zum Haus und darf daher nicht mitgenommen werden. Über ein halbes Jahr hat Burggraf eigenen Angaben nach versucht, eine Lösung zu finden. „Ich habe gehofft, dass das, wenn auch mit einigen Auflagen, möglich sein wird“, sagt der Apotheker etwas konsterniert. Doch bei der Behörde sei keinerlei Kompromissbereitschaft vorhanden gewesen. „Das einzige, das ich wohl mitnehmen kann, ist das Aquarium“, bedauert Burggraf.

Für seinen neuen Standort muss sich der Apotheker ein neues Konzept einfallen lassen. Denn allein die Größe der Offizin unterscheidet sich bei beiden Räumlichkeiten gewaltig. Während die Verkaufsfläche der Engel-Apotheke derzeit rund 30 Quadratmeter beträgt, wird Burggraf in dem neuen Laden rund 200 Quadratmeter zur Verfügung haben. „Vor allem bei der Präsentation der Produkte bietet die größere Fläche natürlich viel mehr Möglichkeiten“, sagt der Apotheker. Auch will er sein Kosmetiksortiment ausbauen und eine zusätzliche Spezialisierung auf Sport etablieren. Auch wenn seine neue Engel-Apotheke in einigen Monaten ganz anders aussehen wird, als die Engel-Apotheke, die er Anfang März übernommen hat, will Burggraf mit moderner Einrichtung, einen Ort schaffen, in dem Gemütlichkeit und Wohlfühlatmosphäre herrschen.

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