Schnell wie der Wind

Der Brieftauben-Apotheker

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Berlin -

Als „Brieftauben-Fotograf“ ging der Apotheker Julius Neubronner (1852-1932) aus dem hessischen Kronberg in die Geschichte ein. Er hatte die Tiere zuerst zum Transport von Rezepten und Medizin abgerichtet und fragte sich später, was die Tauben auf ihren Flügen im Dienste der Gesundheit wohl erlebten. Jetzt widmet ihm das Deutsche Technikmuseum in Berlin eine Ausstellung.

Auf die Idee, einer Taube eine Kamera umzuschnallen, kam Hofapotheker Neubronner zufällig. Eine seiner Kurier-Tauben hatte nämlich kurzerhand beschlossen, erst Wochen nach ihrem Einsatz zu ihm zurückzukehren. Wohlgenährt und bester Dinge. Den leidenschaftlichen Amateurfotografen beschäftigte daraufhin die Frage, was eine Brieftaube allein unterwegs erlebt haben mochte. Er verpasste der frechen Taube kurzerhand eine selbstauslösende Miniaturkamera.

Die Fotos, die dabei und bei vielen anderen Flügen mit anderen Tauben herauskamen, zeigen ein Stück Deutschland von oben und könnten als Prototyp der Drohne durchgehen. Allerdings in sehr bescheidenem Rahmen: Je nach Kameratyp entstanden während eines Fluges zwölf oder nur ein Foto. Aus heutiger Sicht nicht atemberaubend, damals jedoch eine revolutionäre Idee.

Die Ausstellung heißt „Die Brieftaube als Fotograf – Geflügelte Pioniere der Luftbild-Fotografie“ und läuft bis zum 24. Juni. Zu einer Zeit, als Google Maps und Drohnenkameras bestenfalls eine Vision waren, galt der tüftelnde Apotheker als bahnbrechend. Die leichte Miniaturkamera wurde den Tauben mit Hilfe eines maßgefertigten Geschirrs aus Gummi und Leder auf die Brust geschnallt. Vorher wurden die Tiere vorsichtig und mit immer schwerer wiegenden Holzmodellen an die ungewohnte Fracht gewöhnt.

Für ihn war es nicht nur ein spannendes Hobby, im Dezember 1908 wurde Neubronners Patent „Verfahren und Vorrichtung zum Photographieren von Geländeabschnitten aus der Vogelperspektive“ vom Kaiserlichen Patentamt angenommen. Die Idee, die zuverlässigen Brieftauben in der Apotheke einzusetzen, stammte von Neubronners Vater. Um schneller beliefert zu werden, gab er seinem Frankfurter Grossisten Brieftauben, die Medikamente bis zu einem Gewicht von 75 Gramm transportierten. Auch Rezepte lieferten die Brieftauben schnell aus.

Die Familie Neubronner war eine Apothekerfamilie, die seit 1808 in Kronberg ansässig war. Julius war schon als Jugendlicher ein begeisterter Amateurfotograf, absolvierte ein Jahr Lehrzeit in der väterlichen Apotheke und ging dann nach Berlin, wo er eine Lehre zum Apothekergehilfen absolvierte. Ab 1876 studierte er in Gießen Pharmazie, danach begann er in Berlin Chemie zu studieren, brach das Studium jedoch ab. 1886 übernahm er die Familienapotheke in Kronberg und avancierte zum Hofapotheker, nachdem die Witwe von Kaiser Friedrich III. Schloss Friedrichshof bei Kronberg bezog.

Das Preußische Kriegsministerium zeigte Interesse an der Erfindung, da die Tauben aber empfindlich auf Detonationen reagierten, erwies sich ihr Einsatz in Kriegsgebieten als nicht praktikabel. Die Erfindung geriet in Vergessenheit. Nun lebt sie in Berlin für kurze Zeit auf.

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