Apothekerin hoffnungslos verfallen

Der unwiderstehliche Duft der Pharmazie

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Berlin -

Berufswunsch als Kind: Apothekerin. Weitere Berufswünsche: niemals vorhanden. Weil es nirgendwo so gut riecht wie in einer Offizin, findet Luisa Janssen. Gerade hat sie in Bad Lauterberg im Harz, einem staatlich anerkannten Kneipp-Heilbad, ihre erste eigene Apotheke eröffnet.

Andere jammern und schließen – Janssen öffnet die Pforten. Nicht irgendwelche. In dem ehemals braun-grauen Haus ihrer Großeltern hat sie kurzerhand die Eisenrahmen der Schaufenster in Apfelgrün gestrichen und die Holzteile der Fachwerkfassade (zum Glück nicht denkmalgeschützt) gleich mit. Übersehen kann man die neue Janssen-Apotheke jedenfalls nicht, zum frischen Grün gesellt sich im optischen Erscheinungsbild noch hanseatisches Blau. Das 150 Quadratmeter große Ladengeschäft beherbergte bisher einen Jeansladen und wurde frei. Da hat Janssen zugegriffen.

Gejammert wird nicht, derzeit überwiegt die Freude über das neue Unternehmen. „Vom Jammern wird die Lage der Branche auch nicht besser“, sagt sie. Sie glaubt an ihren Geburtsort und hat eine kleine Standort-Analyse gemacht: „Bis vor kurzem gab es in Bad Lauterberg drei Apotheken, alle in Händen von Apothekern im Rentenalter. Eine wurde gerade von einem jüngeren Kollegen übernommen.“ Die beiden anderen, so mutmaßt sie, würden in den kommenden fünf bis sechs Jahren vermutlich schließen. Rund 12.000 Menschen leben in Bad Lauterberg. „Wenn wir nicht irgendwann alle bei DocMorris bestellen wollen, braucht man die Apotheke vor Ort.“

Zu den Bad Lauterberger Kunden kommen jedes Jahr tausende Touristen. „Das haben wir in den ersten Tagen bemerkt, da waren Herbstferien und viele Kurgäste unterwegs. Sie machen bei uns aber nicht den Hauptanteil aus. Die Kernkundschaft ist der Stammkunde.“ Der Stamm muss allerdings erst aufgebaut werden. „Unsere Strategie besteht aus guter Beratung, wir bleiben am Ball und bieten den bestmöglichen Service. Zudem sind wir mit einem sehr großen Warenlager und einem neuen Labor gestartet. Und natürlich kommt der Botendienst nach Hause. Ich hoffe, dass wir schneller, besser und freundlicher sind als die anderen.“

Die Offizin ist, so sagt die 40-Jährige, sei „beinahe Drive-in“. „Ich wollte eine große Fläche für Rollstuhlfahrer, Rollatoren und Scooter. Wir haben eine Automatiktür, die Kunden können bequem herein- und unser Angebot quasi selbst abfahren. Bei uns gibt es keine Aufsteller mit Ware.“

Derzeit betreibt sie die Apotheke mit zwei PTA-Mitarbeiterinnen und sucht nach einem Apotheker-Kollegen. „Auch ein Pharmazieingenieur wäre willkommen“, sagt sie. So preist sie ihren Heimatort an: „Der Harz ist nicht alt und vertrocknet, wie viele oft meinen. Wir sind eine vitale Kleinstadt, hier tobt das Leben. Es gibt gute Schulen, Ärzte, alles vor Ort und der Lebensstandard ist gut.“

Wer derzeit in einer Stadt wohnt und unter den hohen Mieten ächzt, den lockt vielleicht dieses Argument in den Harz: „Man bekommt hier Wohnungen und Häuser zu guten Preisen.“ Und vor der Haustür wartet tolle Natur. „500 Meter von der Apotheke entfernt gibt es Wald und Berge“, sagt Janssen.

Und eine von der Pharmazie restlos begeisterte Chefin hat schließlich auch nicht jeder. Woher ihre Leidenschaft für die Offizin kommt, weiß sie nicht. In der Familie gab es jedenfalls keine Pharmazeuten. „Meine Vorfahren waren in der Bekleidungsbranche.“ Sie wusste schon als kleines Mädchen, dass der Geruch einer Apotheke unwiderstehlich ist. Warum, kann sie sich nicht erklären. Alle Schülerpraktika hat sie jedenfalls in der Apotheke absolviert, nach dem Abitur in Marburg Pharmazie studiert. Das Geheimnis des Apothekendufts hat sie bislang nicht entschlüsselt. „Das geht gar nicht“, sagt sie, „es ist völlig hoffnungslos, das analysieren zu wollen.“

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