BfArM-Urteil

Zweifel rechtfertigen Rückruf nicht

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Berlin -

Das Serumwerk Bernburg hat vor Gericht erstritten, seine Infusionslösung mit Hydroxyethylstärke (HES) wieder zu vermarkten. Das Verwaltungsgericht Köln (VG) hält das Ruhen der Zulassung, das durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angeordnet worden war, für rechtswidrig. Damit können die Plasmaexpander zumindest vorerst wieder abgegeben werden.

Betroffen sind die Präparate Vitafusal 6 und 10 Prozent, Infukoll HES 6 und 10 Prozent sowie Vita HES. Das BfArM hatte den Herstellern von HES-Lösungen 2014 zur Auflage gemacht, zwei randomisierte klinische Phase-IV-Studien vorzulegen. Diese müssten „mit klinisch bedeutsamen Endpunkten“ zum Nachweis von Sicherheit und Wirksamkeit durchgeführt werden.

Das Serumwerk Bernburg hatte dem BfArM daraufhin mitgeteilt, dass entsprechende Studien nicht durchgeführt würden. Im Oktober reagierte die Behörde und ordnete das Ruhen der Zulassung für zunächst ein Jahr an.

Laut VG kommt ein Zulassungsentzug aber nur dann in Frage, wenn das Risiko den Nutzen des Arzneimittels überwiegt. Dies sei für die zugelassene Indikation aber nicht der Fall, argumentierten die Richter. Vielmehr war im Rahmen einer Risikobewertung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Lage als ungewiss angesehen worden. Dies sei auch der Grund für die Anordnung klinischer Studien gewesen.

Ein reiner Verdacht auf ein erhöhtes Risiko reiche aber nicht aus, um die Zulassung für das Medikament ruhen zu lassen, so das Gericht weiter. Bei der Forderung nach klinischen Studien gehe es um die Erforschung des tatsächlichen Sachverhaltes und nicht der Bekämpfung eines Risikos. Dies rechtfertige keinen gesetzlichen Sofortvollzug.

Die Entscheidung des Gerichtes hat zunächst nur eine aufschiebende Wirkung. Nicht geklärt ist bis jetzt, ob die Bedingung des BfArM grundsätzlich rechtens ist, die Zulassung des Arzneimittels an die Durchführung klinischer Studien zu knüpfen. Nach Ansicht des Herstellers aus Sachsen-Anhalt kann dies nicht zulässig sein. Das einfache Einreichen von Studienprotokollen ändere schließlich nichts an den vorliegenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln, so der Hersteller.

Dennoch ist man in Bernburg vorsichtig. Die betroffenen Produkte können zwar ab sofort wieder abverkauft werden. Neue Ware werde man zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht ausliefern, so eine Sprecherin. Eine endgültige Entscheidung wird Anfang 2016 erwartet.

Vorausgegangen war dem Rechtsstreit ein Risikobewertungsverfahren auf europäischer Ebene. Zwei große klinische Studien hatten ergeben, dass die HES-Anwendung gegenüber kristalloiden Infusionslösungen mit einem größeren Risiko für Nierenschäden verbunden ist. Das BfArM hatte die Ergebnisse der beiden Studien als deutliches Signal für ein potenziell ungünstiges Nutzen/Risiko-Verhältnis gewertet und ein Risikobewertungsverfahren auf europäischer Ebene ausgelöst.

Die EMA verbot schließlich den Einsatz von HES-Lösungen bei kritisch kranken, auf Intensivstation behandelten Patienten. Die Anwendung bei Patienten mit Sepsis, Verbrennungen oder bereits eingeschränkter Nierenfunktion wurde als Kontraindikation festgelegt.

Alle Hersteller mussten im Rahmen eines Stufenplanverfahrens des BfArM ihre Fach- und Gebrauchsinformationen anpassen. Zugelassen sind HES-haltige Infusionslösungen seitdem nur noch zur Behandlung einer Hypovolämie bei akutem Blutverlust, wenn Kristalloide alleine als nicht ausreichend erachtet werden.

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