Arzneimittelrückstände

Schmerzsalben: Bitte später duschen – der Umwelt zuliebe

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Berlin -

Arzneimittelrückstände belasten die Umwelt und nicht immer können sie vollständig aus dem Wasser entfernt werden. Apotheker könnten im Rahmen der pharmazeutischen Beratung helfen, die Restmenge der Arzneistoffmetabolite zu reduzieren. Deshalb bietet die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK BW) eine Fortbildung an, um Pharmazeuten zu sensibilisieren.

Nach Angaben des Umweltbundesamts wurden bislang etwa 150 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe in der Umwelt, vor allem in Gewässern, nachgewiesen. Hier werden für viele Wirkstoffe regelmäßig Konzentrationen im Bereich von 0,1 bis 1 µg/l, in seltenen Fällen aber auch mehr gemessen. Spuren von Arzneimitteln finden sich auch im Trinkwasser. Sie stellen zwar für die menschliche Gesundheit kein Risiko dar, können aber das Ökosystem stören. Für viele Medikamente ist das Ausmaß der Umweltrisiken wegen fehlender Daten zur Wirkung und Langzeituntersuchungen nicht genau zu beurteilen.

Für einige Wirkstoffe sind die schädlichen Auswirkungen auf Lebewesen in der Umwelt allerdings bereits klar belegt. Dazu gehört auch Diclofenac, das Leber und Niere der Fische schädigt. Weiterhin beeinträchtigt 17α-Ethinylestradiol, das in oralen Kontrazeptiva zu finden ist, bereits in einer sehr niedrigen Konzentration die Reproduktion von Fischen. Außerdem hemmen Antibiotika das Wachstum von Algen und Pflanzen.

Kürzlich hat sich die LAK BW mit dem Thema beschäftigt und eine Fortbildung für Apotheker angeboten, die durch das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) konzipiert wurde. Denn häufig werden Arzneimittel falsch entsorgt, was dann zu negativen ökologischen Folgen führen kann. „Arzneimittel bitte auf keinen Fall in der Toilette oder dem Waschbecken entsorgen. Arzneimittel gehören in den Hausmüll. Dieser wird meist verbrannt. Dadurch werden die Wirkstoffe zuverlässig zerstört“, sagte Kammerpräsident Dr. Günther Hanke. Ein Verzicht auf Arzneimittel sei seiner Ansicht nach keine Lösung: „Arzneimittel sind ein Segen. Ich kann meinen Patienten in der Apotheke nicht empfehlen, starke Schmerzen aus Umweltschutzgründen zu ertragen.“ Aber nicht nur der Entsorgung, sondern auch der Metabolisierung komme eine Bedeutung zu. Denn eingenommene Arzneimittel werden nur teilweise vom Organismus abgebaut. Infolgedessen landen die natürlichen Ausscheidungen im Abwasser.

Im Rahmen der Fortbildung wurden Apothekern Möglichkeiten aufgezeigt, das Thema Gewässerschutz in der Patientenberatung aufzugreifen. „Patienten sollten beispielsweise nach der Anwendung einer schmerzstillenden Salbe einige Stunden lang nicht duschen oder baden. In einigen Fällen kann dem Patienten ein alternativer Wirkstoff empfohlen werden. Auch bei den Darreichungsformen gibt es Spielräume. So kann in manchen Fällen die Einnahme einer Tablette statt das Auftragen einer Salbe die Beschwerden ebenfalls lindern und gleichzeitig umweltverträglicher sein“, so Hanke.

Er forderte außerdem bessere Kläranlagen. „Technisch sind diese heute schon möglich und werden punktuell umgesetzt. Nur sind leider die Investitionen sehr hoch.“ Allerdings könne über die technische Reinigung des Abwassers eine ausreichende Reduktion der Wirkstoffe nicht sichergestellt werden, wie Dr. Martina Winker vom ISOE ausführte. „Daher ist es wichtig, bereits bei der Verordnung und dem Konsum von Arzneimitteln, soweit es die Behandlung erlaubt, anzusetzen.“

Bislang müssen Pharmaunternehmen nur für neu zuzulassende Arzneimittel Unterlagen zur Umweltrisikobewertung vorlegen. Dadurch liegen für bekannte Arzneimittel, die seit Jahrzehnten appliziert werden, keine Daten diesbezüglich vor. Aber auch nach der Zulassung erfolgt bisher keine systematische Erhebung von Daten zu Arzneimittelrückständen in der Umwelt und zu möglichen negativen Effekten. Auf der anderen Seite wollen Wasserbetriebe eine Arzneimittelsteuer einführen, mit der die Kosten für eine vierte Reinigungsstufe in der deutschen Trinkwasseraufbereitung finanziert werden sollen. Ein Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) empfiehlt die Einführung einer Arzneimittelabgabe von rund 2 Euro pro Packung. Das Geld soll im besten Fall von den Herstellern selbst kommen oder auf die gesamte Vertriebskette umgelegt werden.

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