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Ho Ho Ho ...

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Berlin -

Stille Nacht. Apothekerfamilie Gluckinski aus Witten-Herdecke hat das große Los gezogen: Notdienst! So gut es geht, haben Vater, Mutter und Sohn es sich im Notdienstzimmerchen der „Heiland-Apotheke“ so richtig gemütlich gemacht. Mutter Gluckinski hat eine elektrische Lichterkette über der Liege aufgehängt. Man sieht fern, da läutet es Sturm...

Ein armer Kranker? Nein. Es ist ein Finanzbeamter. Er übt für 2018 – und wo könnte man das besser als bei Menschen, die immer arbeiten müssen: Alles schläft, einer wacht... Ab 1. Januar dürfen Finanzbeamte in Apotheken unangemeldet die elektronischen Kassen prüfen. Das teilt der Mann mit dem penibel gescheitelten und gegelten Haar dem erstaunten Apotheker mit. Den 1. Januar allerdings verschweigt Herr Kowalski.

„Muss das denn jetzt sein?“, stammelt Apotheker Gluckinski unwirsch. Gerade wollte die Familie hinten im Labor – ja, illegal, aber es ist ja Weihnachten – die Gans tranchieren. Der Finanzbeamte Kowalski bleibt eisern. Der Apotheker kontrolliert zur Sicherheit den Dienstausweis von Herrn Kowalski, der seinerseits umgehend die bisherigen Notdiensteinnahmen, 28,23 Euro, kontrolliert.

Mutter Gluckinski ist nervös. Hinten wird ihre Gans kalt. Plötzlich bricht Herr Kowalski in Tränen aus. „Ich will ja kein Unmensch sein“, sagt er schluchzend, bevor er die staunenden Gluckinskis in seine Probleme einweiht. Von der Frau am 21. Dezember verlassen, den Hund hat sie mitgenommen, die tiefgefrorene Gans auch, ist er so unglücklich wie noch nie. Also Arbeit statt Feiern.

Die Gluckinskis nehmen den unglücklichen Finanzbeamten in die Arme, sogar Sohn Kalle guckt kurz vom Computerspiel hoch und drückt dem Fremden unbeholfen-mitfühlend den Unterarm. Am Ende sitzen alle in der Offizin, wo sie eine Picknickdecke ausgebreitet haben und genießen die knusprige Gans mit Knödeln und Rotkraut. Nach dem vierten Glas Rotwein findet Herr Kowalski sein Leben gar nicht mehr so schlimm. Beim dritten Schnaps gelobt er feierlich, die Heiland-Apotheke künftig nicht mit dienstlichen Nachfragen zu behelligen. Schon gar nicht in der Weihnachtszeit.

So weit zur Einsicht ist ein Kollege aus NRW noch nicht gekommen. Er hat bei einem Apotheker, der sein Geschäft gerade verkauft hat, 330.000 Euro an offenen Positionen entdeckt. Die soll der Apotheker nun im Detail erklären, ansonsten droht eine Nachschätzung und ein guter Teil des Verkaufserlöses wäre wieder futsch. Über die Feiertage soll sich der Pharmazeut nun Gedanken machen und die Belege heraussuchen. Und seine SMS durchsehen, um private und geschäftliche Nutzung abzugrenzen. Auch eine Möglichkeit, das Fest der Liebe zu verbringen.

Ein ähnliches Fingerspitzengefühl beim Timing hatte in dieser Woche das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Zwei Tage vor dem offiziellen Beginn der Weihnachtsferien – gilt nur für Beamte, nicht für Notdienstapotheker – veröffentlichte das Ministerium noch schnell sein Honorargutachten. Nachdem in den Wochen zuvor erst Details und dann ganze Entwürfe bekannt geworden waren, hatten die zuständigen Ministerialen offenbar das Interesse an der Sache verloren.

Vielleicht musste ab 2hm aber auch noch schnell das eigene Honorar abrechnen. 451.664,50 Euro hat das Projekt gekostet, auf dessen Grundlage den Apotheken und dem Großhandel 1,24 Milliarden Euro abgeknöpft werden sollen.

Die Abda findet die ganze Sache nach wie vor „holprig“, zumal das BMWi doch zugesagt hatte, den Beirat vor der offiziellen Veröffentlichung zu einem Gespräch einzuladen. Am 10. Januar will man sich nun wiedersehen. „Was es dort noch zu besprechen gibt, bleibt abzuwarten.“ Auch der Großhandelsverband Phagro hält mit seiner Kritik nicht hinterm Berg.

Unter Apothekern versteht man ohnehin nicht, was bei ihnen noch zu holen sein soll. Klar gibt es jene Kollegen, die sich die Zigarre mit rosa Rezepten anzünden. Doch Pharmazeuten mit 1A+++++ Standorten wollen die Gutachter ja auch gar nicht an den Kragen. Vielmehr sollen jene 40 Prozent weg, die ohnehin schon bald nicht mehr überlebensfähig sind. Winzlinge wie die Hohenzollern-Apotheke im Berliner Stadtteil Neukölln, die vor Kurzem eine Mieterhöhung aus dem Rennen geworfen hat.

Dass die Apobank zu dem Ergebnis kommt, dass sich die Gründung einer Apotheke immer noch lohnt und dass Apotheker sogar ein höheres Einkommen erzielen können als Ärzte, mag den eigenen Akquise-Bemühungen geschuldet sein. Mit ihrem neuen Existenzgründungstool „Dr. Bot“ will die Bank jedenfalls jungen Kollegen eine Orientierung geben, wo sich Selbstständigkeit noch lohnt und wie lange man wohl abbezahlen wird.

Doch selbst wer Geld übrig hat, den plagen als Apotheker mitunter irdische Sorgen. Personalmangel ist ein Problem, das zunehmend um sich greift. Philipp Heldmann aus Mannheim sah sich sogar schon veranlasst, 1000 Euro für jede PTA auszuloben, die an Bord kommt. Andererseits: Immer noch besser, als sein Geld dubiosen Headhuntern hinterherzuwerfen.

Auch Versandapotheken spendieren Kunden gelegentlich einen Einkauf, nur damit sie zu ihnen kommen. Zuletzt hatte das Preisvergleichsportal Medizinfuchs gemeinsam mit mehreren Versendern eine Adventsaktion gestartet: Wer bei Facebook kräftig likte und kommentierte, konnte sich mit etwas Glück über einen Gutschein 50 Euro oder eine Box mit Erkältungspräparaten freuen.

Freuen können wir uns jetzt erst einmal auf Weihnachten. Herzliche Grüße an alle Kollegen im Notdienst da draußen! Für den Fall, dass es Ihnen zwischendurch langweilig wird, noch ein paar Leseempfehlungen: Hier gibt es Geschichten von Kollegen, denen es ähnlich geht (geteiltes Leid…). Hier lesen Sie, welche Weihnachtsfeiern beim Apothekenteam besonders gut angekommen sind. Hier verraten die Pharma-Promis, was bei ihnen gekocht wird. Und hier ziehen sie Resümee für das vergangene Jahr. Hier die schönsten Schaufenster und hier die heiligsten Apotheken. Und ganz wichtig: Hier können Sie Ihre Stimme für das Unwort des Jahres abgeben. Und falls es Ihnen dann immer noch langweilig ist, dann schreiben Sie uns doch, was Ihnen im Weihnachtsstress Kurioses widerfahren ist. Und jetzt: Fröhliche Weihnachten!

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