Industrielle Verblisterung

Kohl parkt 7x4 in Frankreich

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Das Blister-Projekt 7x4-Pharma ist - zumindest hierzulande - am Ende. Nach dem Aus der AOK-Pilotprojekte in Berlin, Sachsen und Bayern hat das Unternehmen nun auch im Saarland die eigenen Computer bei den Apotheken wieder eingesammelt. Die Anlagen in Merzig stehen still. Derzeit bemüht sich die zur Kohl-Gruppe gehörende Firma, in Frankreich Fuß zu fassen. Die Gerüchte, wonach die Blisterautomaten komplett verkauft werden soll, wies ein Unternehmenssprecher aber zurück.

Kohl hatte - damals noch unter dem Namen Assist - im Jahr 2003 ein erstes Pilotprojekt zur patientenindividuellen Verblisterung in saarländischen Pflegeheimen gestartet. Später folgten erste Gehversuche in der ambulanten Versorgung mit mehrere privaten Krankenversicherungen.

Um das Projekt in Schwung zu bringen, wurden an zahlreiche saarländische Apotheken kostenlos Laptops verteilt. Über eine eigene Software konnte die 7x4-Box direkt bestellt werden. Die Ärzte sollten ihren Privatpatienten die Wochenblister verschreiben. Dem Vernehmen nach hat das Modellprojekt aber nie richtig Fuß gefasst - vergangene Woche wurden die Computer wieder abgeholt.

Bereits Mitte April wurden die Pilotprojekte mit der AOK in Berlin und Sachsen eingestellt. Ein weiterer Test der AOK Bayern, an der sich unter anderem eine Apotheke mit 7x4 beteiligt hatte, wurde im vergangenen Jahr beendet.


Der erhoffte Sprung in die Regelversorgung ist Kohl nicht gelungen. In der Hochphase wurden nach Unternehmensangaben 700 Patienten mit den Boxen versorgt. Unternehmenschef Edwin Kohl hatte noch vor zwei Jahren große Pläne mit 7x4: Bis 2012 sollten bundesweit 100.000 Patienten die Wochenblistern erhalten, so der Unternehmer im Juni 2009. „7x4 wird wahrscheinlich das Umsatzpotenzial der Kohl-Gruppe vervielfältigen“, sagte er damals gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Davon kann heute keine Rede sein. Die Krankenkassen waren zwar neugierig, wollten aber für die Dienstleistung nicht mehr bezahlen. Bis heute ist das Thema Vergütung der große Haken bei der Verblisterung. Das gilt nicht nur für Kohl, aber der Unternehmer hat wegen der enormen Investitionen im dreistelligen Millionenbereich am meisten aufs Spiel gesetzt. Je länger ein bundesweites Konzept auf sich warten ließ, desto lauter spottete die Branche über die „teuerste Modelleisenbahn der Welt“, die sich Kohl in Merzig gebaut habe.

Kohl hat sich zwar neuen Geschäftsfeldern zugewandt, aufgegeben hat man das Projekt 7x4 aber keineswegs. Derzeit liefen weitere Gespräche mit der Politik über ein Vergütungsmodell, heißt es in Merzig. Bei der politischen Überzeugungsarbeit sollen auch die Ergebnisse aus den Pilotprojekten helfen, die vielleicht noch im September vorgestellt werden.

Gleichzeitig kämpft Kohl im Ausland für die industrielle Verblisterung. In Frankreich beispielsweise sei der regulatorische Aufwand geringer, sagte ein Unternehmenssprecher. Man arbeite derzeit mit den Krankenversicherungen an Piloten nach deutschem Vorbild. Wegen der räumlichen Nähe biete sich dafür das Département Moselle an, das ans Saarland grenzt. Die Blister könnten dann in Merzig mit französischen Arzneimitteln befüllt und über die Grenze gebracht werden.

Möglicherweise sind diese Überlegungen Ursache der hartnäckigen Verkaufsgerüchte. Eine eigene Anlage sei in Frankreich aber erst geplant, wenn das Modell sich durchgesetzt habe, versichert der Firmensprecher.

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