Grüne zu Apothekenhonorar

Schulz-Asche: Ablenkungsmanöver der Apotheker-Großverdiener

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Berlin -

Neun Monate nach dem Rx-Boni-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sieht Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche die Alarm-These widerlegt, dass ohne ein Rx-Versandverbot die Existenz der Apotheken auf dem Spiel steht. Als Kronzeugen für ihre Einschätzung führt die Grünen-Politikerin ausgerechnet die ABDA selbst ins Feld sowie den Deutschen Apotheker Verlag. Der hat mit der Noweda ein Gutachten über die Einkommenslage der Apotheken anfertigen lassen. Das dürfte beiden nicht gefallen.

„Was könnte die Apothekenlandschaft nicht schön sein, wenn da nur der Versandhandel nicht wäre“, heißt es auf der Internetseite der Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Prävention und Gesundheitswirtschaft in polemischem Tonfall: „So oder so ähnlich tönt es fast unisono aus den Vertretungen der Apothekerschaft“, so Schulz-Asche. Seit dem Aufsehen erregenden Urteil des EuGH vom vergangenen Oktober zur Preisbindung bei rezeptpflichtigen Medikamenten zeige sich aber immer deutlicher, dass die eigentlichen Probleme und Herausforderungen der Apothekenlandschaft ganz woanders begründet seien.

Nachdem über ein halbes Jahr das Verbot des Rx-Versandhandels als existenziell beschworen worden sei, „schlussfolgerte erst am vergangenem Dienstag die ABDA in einem ehrlichen Moment“ laut Schulz-Asche Folgendes: „Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch die Apotheke vor Ort ist nicht gefährdet.“ Woran es aber hake, sei der Nachwuchs. „Wir haben ein Verteilungsproblem“, so ein ABDA-Sprecher.

Ganz richtig, findet Schulz-Asche und kann der ABDA endlich einmal zustimmen. Denn die Grünen hätten in einem Antrag für den Bundestag schon auf die Herausforderung hingewiesen, auch in Zukunft junge Menschen für die Gesundheitsversorgung auf dem Land zu motivieren.

Und auch der Deutsche Apotheker Verlag trage mit einer Studie „zur Fokussierung auf tatsächliche Probleme der Arzneimittelversorgung bei – wenn vielleicht auch nicht ganz beabsichtigt“, schreibt die Grüne. In seinem Auftrag sei ein Gutachten zur Begründung des von den Apotheken-Verbänden und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geforderten Rx-Versandhandelverbots verfasst worden. Aus diesem Gutachten sei den Grünen „vorab ein Kapitel zur Verfügung gestellt“ worden.

„Und dieses hat es in sich“, so Schulz-Asche. Das Gutachten lege erstmals Zahlen über die Betriebsergebnisse von einzelnen, nach Umsatz geordneten Apothekengruppen vor: In einem so genannten „Szenariorechner“ seien, auf Daten von 2016 basierend, alle 20.023 Apotheken in neun verschiedene Umsatzgruppen aufgeteilt. Die Zahlen belegen für Schulz-Asche Folgendes: „Es existiert ein massives Verteilungsproblem der Einkommen zwischen guten und schlechten Lagen sowie großen und kleinen Apotheken! Die Diskussion um den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten erscheint vor diesem Hintergrund als nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver der Großverdiener.“

Das heutige starre Preissystem sorge dafür, dass Apotheken, deren Umsatz größtenteils von durch die Versichertengemeinschaft bezahlten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln abhänge, umso größer sei, je mehr Arzneimittelpackungen über den Tresen wanderten. „Während die kleinsten Apotheken auf diese Weise gerade so erhalten werden können, dringen die größten Apotheken in beachtliche Einkommenssphären vor. Und: Gute Beratung zahlt sich derzeit überhaupt nicht aus. Das muss sich ändern“, so die Grünen-Politikerin.

Wie das Gutachten weiter offenlege, betreffe dies jedoch nicht nur die „bekannter Weise gut verdienenden Zytostatika herstellenden Apotheken“ (etwa 300-400) oder gar die wenigen Apotheken, die einen größeren Versandhandel betreiben (maximal 150) – nein, die Zahlen zeigten, dass 9591 von insgesamt 20.023 Apotheken im vergangenen Jahr mit einem Betriebsergebnis von mindestens 144.000 Euro für den Inhaber abschließen konnten, und sogar 7569 mit einem Betriebsergebnis von mehr als 160.000 Euro. Schulz-Asche: „Die noch dieses Jahr im Arzneimittelstärkungsgesetz auf Initiative der Großen Koalition beschlossene Anhebung der Apothekenhonorare um etwa 110 Millionen Euro jährlich mutet vor diesem Hintergrund fast als Veruntreuung von Versichertengeldern an.“

Das erklärte Ziel der Preisbindung, nämlich die Aufrechterhaltung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung möge somit zwar kurzfristig erreicht worden sein, die Konsequenz sei jedoch eine eklatant ungleichmäßige Verteilung der Einnahmen – letztendlich auf Kosten derjenigen Apotheker, die von sechsstelligen Betriebsergebnissen nur träumen könnten – „von den Krankenversicherten, die die Rechnung am Ende zahlen müssen, ganz zu schweigen“.

Die flächendeckende Sicherstellung der pharmazeutischen Versorgung müsse im Interesse der Patienten garantiert werden, fordert Schulz-Asche. Die Antwort könne aber nicht sein, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten, der seit 2004 in Deutschland mit einem kleinen Marktanteil existiert, zu verbieten: „Es wäre auch absurd, per Gießkannensystem das Honorar für alle immer weiter anzuheben.“ Nötig sei vielmehr ein Sicherstellungszuschlag, damit auch kleine für die Versorgung notwendige Apotheken in ländlichen Räumen bestehen bleiben könnten. Schulz-Asche: „Dieser Zuschlag sollte durch Umverteilung von reichen zu ärmeren Apotheken finanziert werden. Die Zahlen zeigen, dass dafür genug Geld da ist.“

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