BMG-Datenaffäre

Polizei auf dem Weg zum Phagro

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Berlin -

Nun ist er plötzlich aufgetaucht: Ein Ordner mit Unterlagen, die der Großhandelsverband Phagro vor einigen Jahren zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) angelegt hatte. Ein Polizist soll die Dokumente nun abholen, der Staatsanwalt hat um die „gebotene Beschleunigung“ gebeten. Anhand der Akte will das Gericht nachvollziehen, wann der Phagro über welche Unterlagen verfügte.

Nach der ersten Vernehmung im Prozess gegen den ehemaligen ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den IT-Systemadministrator Christoph H. hatte Hauptgeschäftsführerin Bernadette Sickendiek ihre Aussage korrigiert: Sie hatte noch am selben Tag mit Michael Meier, Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG), telefoniert, um ihn zu warnen, dass sein Name nach ihren Ausführungen in der Presse erscheinen würde. Vor Gericht hatte sie widerwillig zugegeben, ihn ursprünglich im Verdacht gehabt zu haben, den Termin zum informellen Gespräch durchgestochen zu haben.

Meier hatte laut Sickendiek auch gleich seine Reisekostenabrechnung von damals parat, Sickendiek musste ihre Aussage zum Datum korrigieren. Weil sie daraufhin vom Gericht erneut zur Vernehmung geladen wurde, ging sie die Sache noch einmal mit ihrem Justiziar durch. Und plötzlich kam die Erinnerung an den Phagro-Ordner zur ApBetro, der doch nicht – wie gedacht – im Archiv verschwunden war, sondern noch im Büro herum stand.

In dem Ordner, so stellte man fest, war auch der unautorisierte Entwurf zur ApBetrO-Novelle zu finden. Dessen Existenz beim Phagro hatte Sickendiek bei der Vernehmung in der vergangenen Woche noch abgestritten. Es gebe keinerlei nicht autorisierten Entwürfe beim Phagro, sagte sie da noch.

Ob es doch häufiger unautorisierte Entwürfe beim Phagro gebe, fragte die Verteidigung daher nun noch einmal nach. Sie könne sich nicht daran erinnern, dass es noch einmal einen solchen Fall gebe, so Sickendiek. Woher das interne ApBetrO-Papier denn gekommen sein könne? Das wisse sie nicht mehr. Ob er vielleicht doch bei der Besprechung übergeben worden sei? Wäre denkbar, aber genauso gut könne er schon vorher existiert haben. Ob denn auf dem Dokument eine Quelle zu erkennen sei? Auch das wisse sie nicht. Das Datum sei erkennbar.

Ob es denn weitere Unterlagen oder Notizen zu dem Treffen gebe? Der Vorstand sei im Nachgang nur mündlich unterrichtet worden. Wer im Vorfeld informiert war? Nur der Vorsitzende Dr. Thomas Trümper, sein Vize Ralph-D. Schüller und Ulrich Kehr, der am Termin ja auch teilgenommen hatte. Und die Kolleginnen in der Geschäftsstelle. Aber: „Ich habe schon das letzte Mal ausgesagt, dass unsere Mitarbeiter nicht sprechen.“ Ob die Vorstände womöglich in ihre Unternehmen hinein kommuniziert hätten? Pause. „Sie fragen mich etwas, das ich aus eigener Wahrnehmung nicht sagen kann. Ich weiß es nicht.“

Die Stimmung war angespannt. Mehrfach platzte Sickendiek während der Vernehmung der Kragen. Sie habe lediglich zu einem Anruf von APOTHEKE ADHOC aussagen wollen und verstehe nicht, warum die anderen Themen von Belang sein sollten. Auch die eigens mitgebrachte Rechtsanwältin versuchte mehrfach zu intervenieren, doch der Vorsitzende Richter wies sie in die Schranken.

Gleich zu Beginn hatte Sickendiek zu Protokoll gegeben, dass sie keineswegs – wie von der Verteidigung behauptet – eine Rechnung mit Bellartz begleichen wolle: „Es wird ja niemand glauben, dass ich acht Jahre und auf einen Zufall warte, um mich zu rächen. Das wäre meinem Wesen völlig fern.” Ganz bestimmt habe auch das Boykottverfahren gegen Bellartz keine Rolle gespielt.

Es sei auch reichlich abstrus, dass sie APOTHEKE ADHOC im BMG angeschwärzt haben solle. „Dazu habe ich überhaupt keinen Anlass gehabt, es stimmt auch nicht.“

Dass sie ausgesagt hatte, von den Kartellverfahren gegen die Pharmagroßhändler nichts gewusst zu haben, war laut Sickendiek ein Missverständnis: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich aussagen muss, was ich nur aus der Presse kenne und womit ich beruflich nicht befasst bin.“ Zuvor hatte der Richter sie belehrt, dass sie keine Falschaussagen machen dürfe. Sie müsse sich aber auch nicht selbst belasten.

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