Hinter den Kulissen

So stirbt das Rx-Versandverbot

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Berlin -

Seit dem Antrittsbesuch der ABDA-Spitze bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält das Schweigegelübde zum Rx-Versandverbot. Heute um 17 Uhr gibt es für alle Apotheker die Gelegenheit, Spahn persönlich zu befragen: Auf Facebook stellt er sich wieder einmal 15 Minuten lang den Fragen der Social-Media-Gemeinde. Und hinter den Kulissen läuft die Suche nach einer Lösung für das Problem mit dem versprochenen Rx-Versandverbot.

Je länger das Stillschweigen nach der zwischen Spahn und der ABDA verabredeten Vertraulichkeit hält, desto mehr schießen die Spekulationen ins Kraut: Wie früher bei der Moskauer Kreml-Führung wird sogar die Gesichts-Astrologie bemüht. Beobachter wollen nach dem Treffen im Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen mehr als üblich zerknirschten Gesichtsausdruck bei ABDA-Justiziar Lutz Tisch erkannt haben. Spahn soll der ABDA klar gemacht haben, dass das Rx-Versandverbot rechtlich und politisch nicht durchsetzbar ist. Beim DAV-Wirtschaftsforum war davon allerdings nichts zu spüren. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, DAV-Vorsitzender Fritz Becker und BAK-Präsident Andreas Kiefer zeigten sich nach außen unbeeindruckt.

Allerdings hat die ABDA-Führung keinen Grund zur Gelassenheit. In den kommenden Wochen geht es um die Zukunft des Berufsstandes. Bis zum Herbst soll ein Paket vorbereitet werden, dass das Rx-Versandverbot überflüssig macht, den Vor-Ort-Apotheken auch in ländlichen Regionen die Existenz sichert und die ausländischen Versandapotheken am Leben lässt, aber an die Leine legt. „Die ABDA ist in der Defensive“, heißt es in der großen Koalition, „das Rx-Versandverbot muss politisch abgeräumt werden.“ Seit Hermann Gröhe das BMG abgeben musste, ist der ABDA das politische Fundament abhanden gekommen.

Die CDU hat dazu – nach Georg Kippels Mitte März – jetzt Arzneimittelexperte Michael Hennrich als politischen „Minenräumer“ vorgeschickt. Hennrich und Becker kennen sich gut und pflegen in Stuttgart einen kurzen Draht. Das legt den Verdacht nahe, dass die ABDA von der unfrohen Botschaft nicht ganz unvorbereitet getroffen wurde. Denn auch Ärztefunktionäre hatten sich bereits in das politische Tauziehen hinter den Kulissen eingeschaltet: Sie haben der ABDA klar gemacht, dass sie beim Abräumen des Fernbehandlungsverbots kein Sperrfeuer von den Apothekern gebrauchen können und im übrigen kein Problem mit DocMorris & Co. haben – im Gegenteil.

Spahn will die Fernbehandlung durchdrücken und die Ärzte haben verstanden, dass sie besser mitziehen, um die Rahmenbedigungen mitgestalten zu können. Zur Telemedizin gehört zwangsläufig das elektronische Rezept. Man könne Patienten keine Telemedizin anbieten und sie dann in die Arztpraxis bitten, um einen Papierzettel abzuholen, signalisierten die Ärzte. Auch die Apotheker sollten besser mit der Zeit gehen. Beim DAV-Wirtschaftsforum gab Becker prompt sein Ja zur Digitalisierung in der Apotheke zu Protokoll: „Wir bekennen uns zum E-Rezept und zur E-Patientenakte.“

Zwischen ABDA, den Versandapotheken und der Großen Koalition soll ein Gesamtpaket geschmiedet werden: Alte Vorschläge kommen wieder auf den Tisch. Die Rede ist von einem Strukturfonds für Nacht- und Notdienste. Damit sollen zur Arzneimittelversorgung notwendige Landapotheken unterstützt werden. Es könnte eine Umsatzgrenze gepaart mit einer regionalen Abgrenzung geben. Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) hatte in den Gesprächen mit der letzten GroKo bereits die Aufstockung des Nacht- und Notdienstfonds um weitere 16 Cent vorgeschlagen.

Einig ist sich die neue GroKo, dass das Apothekenhonorar umgebaut werden muss. Im Gesundheitsausschuss erklärte Spahn bereits, dass er Reformbedarf bei der Honorarstruktur sehe. Auch die Richtung ist klar: Rezepturen sollen besser bezahlt werden, das Fixhonorar müsste dafür sinken. Dass es unter dem Strich nicht mehr Geld für die Apotheker geben kann, hatte Spahn schon als Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor Jahren mehrfach betont.

Entgegenkommen könnte Spahn aber den Apothekern aber bei Digital Health. Mit der beschleunigten Einführung der elektronischen Patientenakte ist auch der Weg frei für das elektronische Medikationsmanagement. Hier könnte Spahn den Apothekern nicht nur eine mit mit den Ärzten gleichberechtigte Rolle einräumen, sondern auch ein neues Honorar anbieten. Ebenfalls entgegenkommen könnte Spahn den Apothekern beim Wunsch, eine wichtigere Rolle beim Thema Impfen zu übernehmen. Die ABDA hat schon mehrfach vorgeschlagen, den Impfstatus in den Apotheken zu erheben.

Im Gegenzug sollen die ausländischen Versandapotheken an die Leine gelegt werden. Dazu könnte der Vorschlag von SPD-Apothekenexperte Edgar Franke wieder aufleben: der Boni-Deckel. Im Gespräch waren einmal ein Euro. Jetzt ist die Rede von bis zu 2,50 Euro. Gedacht wird auch an eine Selbstverpflichtung des Versandhandels oder eine Obergrenze für den Rx-Marktanteil. Alle sollen an einen Tisch gebracht werden und einen Deal gegenzeichnen, das ist Spahns Plan.

Denn irgendwie muss die „Kuh Rx-Versandhandel“ jetzt vom Eis, heißt es in der GroKo. Die Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung dürfe in den kommenden drei Jahren sich nicht von einer sich hinschleppenden Debatte um das Rx-Versandverbot torpediert werden. Dazu muss auch noch die CSU politisch eingefangen werde, deren Abgeordnete Dorothee Bär jetzt als Staatssekretärin für Digitales im Kanzleramt wirkt.

In Bayern gibt es Anzeichen, dass sich der Wind dreht: In der Regierungserklärung bedachte Bayern neuer Ministerpräsident Markus Söder (CSU) alle gesellschaftlichen und beruflichen Gruppen. Nur die Apotheker fehlten. Als früherer Gesundheitsminister Bayerns weiß Söder nur zu genau über die Lage des Berufsstandes Bescheid. Auf das Wahlprogramm der CSU zur im Herbst anstehenden Landtagswahl darf man daher gespannt sein. Im Bundestagswahlkampf hatte die CSU noch ausdrücklich mit ihrer Apothekenpolitik und dem Rx-Versandverbot um Spenden bei den Pharmazeuten geworben.

Aber auch Söder kann keinen Ärger mit den bayerischen Kunden der Versender gebrauchen. Allein DocMorris bedient im Freistaat rund eine Million Patienten. Und bei einer Hörersendung im Bayerischen Rundfunk sprachen sich kürzlich die meisten Hörer für den Errhalt des Versandhandels aus.

Zwischen DocMorris und der CSU gibt es ohnedies keine Berührungsängste: Die Junge Union (JU) in Bayern ließ sich im letzten November ihre Landesversammlung in Erlangen von der niederländischen Versandapotheke sponsern.

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